Das Ergebnis der österreichischen Parlamentswahlen wird weitum mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Das liegt vor allem am Debakel der rechtspopulistischen FPÖ.
Die Meinungsforscher hatten der FPÖ nach dem Ibiza-Skandal Verluste von etwa 5 Prozent vorausgesagt – skandalös wenig. Jetzt sind es immerhin rund 10 Prozent. Das liegt wohl daran, dass in den Tagen vor der Wahl bekannt wurde, dass der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Parteigelder in grossem Stil für eigene Zwecke missbrauchte und Abrechnungen fälschte.
Vor den Wahlen waren viele Beobachter davon ausgegangen, dass Kurz erneut eine Koalition mit der FPÖ bilden könnte. Der neue Parteichef Norbert Hofer gab sich wie ein Lamm Gottes. Doch der Wolf im Schafspelz ist ein hartgesottener rechtspopulistischer Demagoge. Immer wieder lässt er sich mit Strache fotografieren, lobt Putin und Viktor Orbán. Den Ibiza-Skandal „lächelt er professionell weg“ hatte die Zeitung „Der Standard“ geschrieben. Und Herbert Kickl, der frühere Innenminister, von seinen Gegnern „Dobermann“ genannt, wütet weiter mit xenophoben Entgleisungen. Wer da glaubt, die FPÖ sei neuerdings geläutert, ist schrecklich uninformiert.
Man kann das Ergebnis so deuten: Die Österreicherinnen und Österreicher wollen Kurz als Kanzler, aber eine Koalition mit der FPÖ wollen sie nicht.
Der Wahlsieger muss sich ernsthaft überlegen, ob er es mit den abgestraften Populisten erneut versuchen will. Lässt er sich wieder, wie vor zwei Jahren, Sand in die Augen streuen? Die FPÖ hat ihn während der anderthalbjährigen Regierungszeit vor sich hingetrieben. Die Populisten hatten ihn im Griff. Selbst hat der smarte Kurz wenig erreicht. Auf die wüsten rassistischen, antisemitischen, islamophoben Ausfälle mehrerer FPÖ-Politiker reagierte er kaum. Schlimmer noch: Oft hat er sich die rechtspopulistische Politik zu eigen gemacht. Endlich, endlich, nach dem Ibiza-Skandal, sagte er: „Genug ist genug.“ Doch „genug“ war es längst schon vorher.
Auch sein jetziges Wahlprogramm war ein Wischi-waschi-Programm mit schwammigen Versprechen (Damit die Steuern weiter sinken): für jeden etwas – und vor allem: sich nicht festlegen, nicht anstossen. Immer nur lächeln. Das wichtigste für ihn war: die Wahlen gewinnen, Kanzler sein.
Das ist er jetzt. Kurz hat bisher nicht gezeigt, dass er das Zeug dazu hat. Jetzt kann er es zeigen. Den Beweis, dass er fähig ist, muss er erst noch erbringen. Viele zweifeln, ob er das kann.
Sollte er aber erneut mit der FPÖ koalieren, wird sein Stern schnell sinken. Dann wird er wieder in Geiselhaft genommen. Dann kriechen die alten FPÖ-Nazis wieder aus ihren Löchern. Die nächsten Skandale sind programmiert.
Doch mit wem soll er eine Koalition bilden? Mit den Grünen? Sie haben ein phantastisches Comeback hingelegt. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein. Die Chefin der Neos-Partei sagte, dem grünen Spitzenkandidaten sei „die grösste Auferstehung seit Lazarus“ gelungen.
Die Grünen sind sich ihrer neuen Kraft bewusst. Sie würden mit harten Forderungen dem Kanzler das Leben schwermachen. Kurz weiss, dass es innerhalb der Grünen einen starken linken Flügel gibt. Doch damit muss ein Kanzler umgehen können. Lässt er sich auf das Experiment mit den Grünen ein, müsste er vor allem in der Flüchtlings- und Klimafrage zu Kreuze kriechen. Man kann so argumentieren: Die grossen Wahlsieger sind die ÖVP und die Grünen. Das heisst: Das Volk hat diesen beiden Parteien den Auftrag gegeben, die Regierung zu bilden.
Eine Koalition zwischen der ÖVP von Sebastian Kurz und den Grünen hätte eine Mehrheit von nur 5 Stimmen. Das ist wenig, vor allem auch, weil die Grünen eine quirlige, teils unberechenbare Partei mit mehreren Flügeln sind. Allerdings ist der Grünen-Chef ein pragmatischer, realistischer Mensch. Möglich wäre, dass ein dritter Koalitionspartner, die liberalen Neos, ins Boot geholt würde. Das brächte eine stabile Mehrheit von 20 Sitzen. Doch Dreierkoalitionen sind immer riskant und bringen viel Unruhe.
Und da gibt es noch die Sozialdemokraten, die alte ehrwürdige Partei von Leuten wie Bruno Kreisky. Sie erzielten jetzt ihr bisher schlechtestes Ergebnis. ÖVP und SPÖ hätten zusammen eine Mehrheit von 20 Stimmen. Doch Kurz und die SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner verachten sich. Eine Allianz zwischen den beiden scheint unvorstellbar. Möglich wäre, dass die Sozialdemokraten ihre Parteiführung auswechseln. Zur Diskussion steht Hans Peter Doskozil, der SPÖ-Landesparteivorsitzende des Burgenlandes. Dann könnten sich die Sozialdemokraten der ÖVP vor die Füsse werfen. Doch das wäre dann wohl die endgültige Kapitulation der einst stolzen SPÖ.
Der alte und vermutlich neue Kanzler hat zwar am Sonntag grandios gesiegt. Doch wen er jetzt auch immer zum Koalitionspartner wählt – der Entscheid ist mit grossen Risiken verbunden.
Zu hoffen ist vor allem eins: dass er die unappetitliche, rechtspopulistische, immer wieder braungefärbte FPÖ dorthin verbannt, wo sie hingehört: in den Abstellraum.