Trotzdem geht das einigen Ländern zu weit. Syrien ist ein wichtiger Baustein der „Stabilität“ im Nahen Osten. Niemand möchte an diesem stets einsturzgefährdeten Bauwerk rütteln. Chinas Delegationsleiter bei der UNO in New York, Li Baodong, zeigte sich vor Journalisten „besorgt“ darüber, dass das Thema „so eilig auf die Tagesordnung des Sicherheitsrats gesetzt wurde“. Sein russischer Kollege Aleksander Pankin erklärte, dass die innenpolitischen Auseinandersetzungen in Syrien nicht den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohen. „Die echte Gefahr besteht in der Einmischung oder Parteinahme von aussen“, sagte er. Auch Brasilien, Indien und Südafrika sehen keinen Grund für Strafaktionen gegen die syrische Regierung.
Heikle Lage für den Libanon
In einer unbequemen Lage befindet sich der Libanon – das einzige im Sicherheitsrat vertretene arabische Land. Der Libanon hat ein gespaltenes Verhältnis zu Syrien, das in einer gemeinsamen Geschichte wurzelt. Die stärkste politische Kraft im Lande, die schiitische Hezbollah, hängt am Tropf der Machthaber in Damaskus und Teheran. Politische Umwälzungen in Syrien hätten unabsehbare Auswirkungen auf den Libanon.
Hinter dem Mangel an Mitgefühl für die Opfer der Unterdrückung in Syrien und anderen Ländern steckt die Angst, von den Westmächten über den Tisch gezogen worden. Russland beschuldigt die USA, Frankreich und Grossbritannien offen, Resolutionen des Sicherheitsrats zu benutzen, um unliebsame Regierungen zu stürzen. Die Rolle französischer Fallschirmjäger bei der Festnahme des Ex-Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, und die Bombardierung der Residenz von Muammar Gaddafi in Tripolis hätten nichts mit dem Mandat zu tun, die Zivilbevölkerung zu schützen.
Aus der Sicht westlicher Diplomaten soll die Debatte des Sicherheitsrats über die Vorgänge in Syrien in erster Linie dem Machthaber Baschar al-Assad eine „Botschaft“ übermitteln. Man möchte Al-Assad an einer wunden Stelle treffen: seiner Sucht nach internationalem Ansehen. Dieses wurde durch die jüngsten Ereignisse stark beschädigt. Für Freitag hat der Menschenrechtsrat der UNO eine Sondersitzung über die Lage in Syrien einberufen.
"Humanitäre Intervention" ausgeschlossen
Eine „humanitäre Intervention“ zum Schutz der Zivilbevölkerung in Syrien nach dem Muster des militärischen Eingreifens in Libyen kann sich keiner der bei der UNO akkreditierten Diplomaten vorstellen. Realistischer scheint, dass eine verbale Verurteilung des syrischen Regimes als Vorstufe für die Verhängung von Wirtschaftssanktionen genutzt wird. US-Präsident Barack Obama hat bereits einseitige „gezielte Sanktionen“ angekündigt, „um auf das harte Durchgreifen der syrischen Regierung zu antworten und klar zu machen, dass dieses Benehmen unakzeptabel ist“. Auch die EU plant Massnahmen.
Die Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, sowie UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon fordern einen sofortigen Stopp der Gewalt in Syrien und eine „unabhängige, transparente und wirksame Untersuchung der Tötungen“. Syriens Botschafter Baschir Dschafari antwortete darauf: „Syrien ist fähig, seine eigene transparente Untersuchung zu führen und braucht keinen Beistand von aussen.“
Ein Sitz für Syrien im Menschenrechtsrat?
Ungeachtet aller Bedrängnis hält die syrische Regierung ihre Bewerbung um einen Sitz im Menschenrechtsrat aufrecht. Am 20. Mai wird die UNO-Generalversammlung entscheiden, wer im Menschenrechtsrat jene Staaten ersetzt, deren Mandat nach zwei Jahren ausläuft. Der Westen führt eine diplomatische Kampagne gegen die Kandidatur des Terrorregimes. Es ist ungewiss, ob Damaskus noch auf die Unterstützung der Arabischen Liga und der Organisation der Islamischen Konferenz zählen kann. Ein Treffen der arabischen Staaten am Rande des Sicherheitsrats soll nach Angaben eines Teilnehmers ungewöhnlich hitzig verlaufen sein.