Junge Israelis haben bei den Protesten gegen die Justizreform mit Verweigerung des Militärdienstes gedroht. Angesichts der traditionellen Identifikation mit der Armee ist das für Israel einschneidend. Die lange Dauer des Kriegs und die hohe Zahl von Gefallenen wird ohnehin zum Problem.
Im vergangenen Jahr lehnte sich die israelische Öffentlichkeit in landesweiten Demonstrationen wutentbrannt auf gegen den Plan der Regierung Netanjahu, mit einer Justizreform mehr Macht durch Unabhängigkeit vom Obersten Gericht zu erlangen. Nicht wenige junge Demonstranten warnten, sie könnten das Land verlassen und künftig für Musterung wie auch Wehrdienst und den darauffolgenden Reserve-Einsatz nicht mehr zur Verfügung stehen. Es gibt keine zuverlässigen Angaben darüber, wie viele dieser Drohungen in Taten umgesetzt wurden. Inzwischen aber hat der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen eindrücklich vorgeführt, dass Israel sich eine Reduzierung seiner Streitkräfte im Ernstfall wohl kaum leisten kann.
Premier Netanjahu verfolgt unbeirrt seinen radikalen Anti-Hamas-Kurs. Er spielt immer wieder den harten Mann und scheint die inzwischen noch rund hundert israelischen Geiseln in Händen der Hamas zu ignorieren. Gleichzeitig aber haben Militärfachleute realistisch genug festgestellt, dass der Krieg in Gaza anders ist als alle bisherigen in den 75 Jahren israelischer Geschichte. Nicht nur, weil der auslösende Überfall der Hamas vom 7. Oktober unvergleichbar war mit allem, was das Land seit seiner Unabhängigkeit 1948 erlebt hat. Sondern auch, weil die Dauer dieses Krieges die aller bisherigen Waffengänge in Nahost übertrifft.
Langsam aber sicher dürfte zu spüren sein, dass eine langfristige Fortsetzung des Kriegs gegen die Hamas – wie von Netanjahu immer wieder angedroht – Israel teuer zu stehen kommen dürfte. Dies unter anderem deswegen, weil seine Soldaten bisher nie so lange ohne Unterbrechung im Einsatz gewesen waren. Entsprechend hoch ist denn auch die Zahl ihrer Verluste: Ende Januar war die Rede von fast 600 Gefallenen. Genaue Zahlen werden nicht veröffentlicht. Wie auch immer: Solche Verlustzahlen lassen sich von der Armee nicht ohne Schwierigkeiten ausgleichen, nicht durch eine Verlängerung des Militär- oder Reservedienstes, höchstwahrscheinlich aber auch nicht durch frühere Einberufung.
Ebenso wenig wird auch der Plan fruchten, die Wehrpflicht nun auch auf religiöse Ultraorthodoxe auszuweiten. Ursprünglich war dieser Teil der Bevölkerung von der Wehrpflicht ausgenommen. Dann aber wurde ein Gesetz verabschiedet, dass Orthodoxe sich vom Militärdienst nur dann befreien lassen könnten, wenn sie belegen, dass sie an einer religiös-orthodoxen Schule studieren. Nicht ohne Genugtuung weisen Befürworter dieser Neuerung darauf hin, dass nach dem 7. Oktober Dutzende von religiösen Traditionalisten sich freiwillig zu Hilfsdiensten im Militär gemeldet und bei der Rettung und Betreuung von verletzten Soldaten geholfen haben. Die meisten von ihnen scheinen allerdings inzwischen wieder zu ihrem bisherigen Alltag zurückgekehrt zu sein.