Filme zerfallen und verschwinden. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die hauchdünnen Zelluloidstreifen als Träger der fotografischen Emulsionsschicht sind samt der schwergewichtigen Filmrollen und der ungetümen Filmprojektoren ein Relikt aus der Vergangenheit. Vor bald zwanzig Jahren lösten die digitalen Aufzeichnungen und Vorführungen die analogen ab. Ein Quantensprung. Allerdings mit der fatalen Konsequenz, die im letzten Jahrhundert entstandenen Filme in den Kinos und im Fernsehen wegen der technischen Umwälzung nicht mehr zeigen zu können. Aus den Augen, aus dem Sinn. Die Filmgeschichte steht ohne sichtbare Werke da.
Quelle der Erkenntnis
Es sei denn, die Filme, die auf Film gedreht wurden, werden nachträglich digitalisiert. Das ist technisch leicht möglich. Und wäre kulturgeschichtlich zwingend. Auch hierzulande. Damit die Schweiz der vergangenen hundert Jahre in bewegten Bildern lebendig bleibt mit ihren Dramen und Komödien, Problemen und Kontroversen, mit den begeisternden Leistungen, der fiktionalen Fantasie, den glasklaren dokumentarischen Durchblicken. Die Gewissheit, die Gegenwart nur aus der Vergangenheit begreifen zu können, schliesst den Film als Erkenntnisquelle ein. Nur digitalisiert sprudelt sie weiter. Darin sind sich, in der Kulturbotschaft nachzulesen, Bundesamt für Kultur und Bundesrat einig. Eine schöne Einsicht.
Wäre da nicht die Finanzierung als Pferdefuss. Die Digitalisierung eines einzigen Films kostet 40’000 Franken. Das verschlingt Millionen im zweistelligen Bereich. Woher das Geld?
Das Ei des Kolumbus
Als Antwort auf diese Frage entdeckte Ständerätin Géraldine Savary das Ei des Kolumbus. Sie verlangte in einer Motion im Sommer 2019, die Digitalisierung des kinematografischen Schatzes mit dem Auktionserlös aus der 5G-Breitbandinfrastruktur zu bezahlen. Er betrug 380 Millionen Franken, genügend für annähernd 10’000 Filme. Die Schweiz im aufschlussreichen, spannenden und unersetzbaren Spiegel ihrer Filme wäre gerettet. «Mit digitalem Geld für die Digitalisierung», wie es namhafte und ihre Kunst prägende Filmschaffende eingängig formulieren.
Doch der Bundesrat beantragte aus finanzrechtlichen Gründen die Ablehnung der Motion. Der Ständerat gewichtete die kulturellen Belange höher und überwies den Vorstoss mit 19 zu 13 Stimmen. Am 10. März entscheidet die Grosse Kammer. Denken die Nationalrätinnen und Nationalräte buchhalterisch, schicken sie die Motion bachab. Erinnern sie sich an ihre eigenen Erlebnisse mit packenden Schweizer Filmen und erkennen deren erhellende Wirkung fürs Verständnis unserer Vergangenheit, nehmen sie die Motion an und den Bundesrat sofort in die Pflicht.
Happy End?
Ist das Finanzhaushaltgesetz wichtig – was die späteren Generationen einen Deut interessiert – oder die Schuldigkeit gegenüber den uns Nachrückenden und die Bewahrung eines unentbehrlichen Vermächtnisses? Das dürfte eigentlich keine Frage sein. Wären da bloss nicht die Politikerinnen und Politiker mit dem Allzweck-Taschenrechner vor dem Kopf statt der Filmgeschichte vor Augen. Die Vernunft verdient ein Happy End.