Die Aussenminister Russlands, der USA und der Regierung in Kiew sowie die Aussenbeauftragte der EU haben auf ihrem Krisentreffen am Donnerstag in Genf Schritte zur Entspannung der Lage in und um die Ukraine vereinbart. Bevor die Tinte der nur 21 Zeilen langen „gemeinsamen Erklärung“ trocken war, wurden bereits Zweifel laut, ob alle Unterzeichner den ehrlichen Willen zu ihrer Umsetzung haben.
Geschlagene sieben Stunden dauerten die Verhandlungen im Genfer Hotel „Intercontinental“, bis der knappe Text stand. Einige Akteure waren an der Grenze ihrer physischen Belastbarkeit angelangt. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow kam direkt von einem Besuch in China und Vietnam nach Genf. Gemessen an den niedrigen Erwartungen kann das Ergebnis als ein Erfolg der Diplomatie bezeichnet werden. So verpflichteten sich alle Teilnehmer, „von Gewalt, Einschüchterung und provokativen Aktionen Abstand zu nehmen“.
Forderung nach einer Entwaffnung illegaler Gruppen
Konkret wurde die Entwaffnung aller illegalen bewaffneten Gruppen in der Ukraine und die Rückgabe aller illegal beschlagnahmten Gebäude an ihre rechtmässigen Besitzer beschlossen. Die von militanten Gruppen besetzten Strassen, Plätzen und anderen öffentlichen Räumen müssen geräumt werden.
Den Demonstranten sowie allen anderen, die die besetzten öffentlichen Gebäude verlassen und ihre Waffen abgegeben haben, wird eine Amnestie garantiert. Ausgenommen davon sind Personen, die Kapitalverbrechen begingen.
Russland stimmte dem Wunsch der ukrainischen Übergangsregierung und der westlichen Staaten zu, der Überwachungsmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine führende Rolle bei der sofortigen Umsetzung der Genfer Beschlüsse zu übertragen. „Die USA, die EU und Russland verpflichten sich, diese Mission zu unterstützen, unter anderem durch die Bereitstellung von Beobachtern (Monitors)“, heisst es in dem Text weiter.
Keine Diskussion über die Krim
Die Teilnehmer der Krisensitzung befürworten einen „konstitutionellen Prozess“ in der Ukraine, der transparent sein soll und einen „sofortigen breiten nationalen Dialog unter Einschluss aller Regionen und Wahlkreise“ enthält.
Die USA und die EU machten das Zugeständnis, nicht über den völkerrechtlichen Status der von Russland annektierten Krim zu reden. Auf sein Schweigen angesprochen, erklärte US-Aussenminister John Kerry, die Krim-Frage habe nicht auf der Tagesordnung des Genfer Treffens gestanden. Die ukrainische Regierung hatte angekündigt, in Genf Beweise für die direkte Beteiligung Russlands an den Unruhen im Osten des Landes vorzulegen. Ein solches Dokument gelangte aber nicht auf den Tisch.
Obama zweifelt
In Moskau wurde die Abmachung von Genf begrüsst. US-Präsident Barack Obama äusserte hingegen Zweifel, ob sich Russland an die Vereinbarungen halten werde. In der Tat kann jede Partei die Umsetzung des Fahrplans hintertreiben, indem sie praktische Hindernisse oder den schlechten Willen der Gegenseite vorschiebt. Die nicht rechtsverbindliche Genfer Erklärung ist wohl bloss ein Stillhalteabkommen auf Zeit, dessen Zweck laut seinem ersten Paragraphen darin besteht, „konkrete Schritte zur Deeskalation der Spannungen einzuleiten“. Immerhin besser als ein weiteres Aufschaukeln der gegenseitigen Beschuldigungen.