Sie hat bisher etwa die Hälfte der zuvor von verschiedenen Widerstandsgruppen gehaltenen Gebiete und Ortschaften der Provinz zurückerobert. Sie erhält dabei die Unterstützung der russischen Luftwaffe, die gemeinsam mit der syrischen die Widerstand leistenden Ortschaften bombardiert. Etwa 160’000 Zivilisten aus der Region sahen sich gezwungen, wegen der Bombardierungen ihre Wohnstätten zu verlassen. Sie fliehen in Richtung der jordanischen Grenze. Doch die jordanischen Behörden haben die Grenze geschlossen. Sie erklären, 1,6 Millionen Syrer befänden sich in ihrem Land, mehr könnten sie nicht mehr aufnehmen.
Die Amerikaner, welche in früheren Jahren den Widerstand gegen Asad im syrischen Süden von Amman aus unterstützten, haben erklärt, Russland handle entgegen dem De-Eskalationsvertrag, den Russland, Jordanien und die USA vor gut einem Jahr für den syrischen Süden abgeschlossen hatten. Sie drohten mit energischen Gegenmassnahmen. Doch das einzige, was sie bisher taten, war, eine Warnung an die noch kämpfenden Widerstandsgruppen zu senden, des Inhalts, der Widerstand könne nicht mehr mit der Hilfe der Amerikaner rechnen.
Syriens bewährte Aushungerungstaktik
Die Asad-Armee wendet auch hier die Taktik an, die sie in allen Kämpfen gegen die Widerstandsgruppen, die „Terroristen“, wie sie sie nennt, angewandt hat. Sie isoliert Städte und Ortschaften, bombardiert sie und beschiesst sie mit Artillerie solange, bis sie bereit sind, mit den Belagerern zu verhandeln. Die Verhandlungen enden regelmässig mit freiem Abzug für die Kämpfer mit ihren persönlichen Waffen und ihren Familien in den syrischen Norden, in die Provinzen Idlib oder die nördlichen Teile der Provinz Aleppo, wo sich die letzte Hochburg des Widerstandes befindet.
Jordanien und Russland sind daran interessiert, dass die Rückkehr der Aasad-Herrschaft im syrischen Süden möglichst reibungslos über die Bühne geht. Jordanien fürchtet die neuen Flüchtlingswellen. Russland möchte den Syrienkrieg bald zu Ende bringen. Asad natürlich ebenfalls.
Die iranische Präsenz in Syrien
Doch die Frage der möglichen Präsenz iranischer Revolutionsgarden und deren zahlreicher Hilfsmilizen von der Hizbullah bis zu den „Fatimiyun“, die aus schiitischen Afghanen bestehen, ist ungelöst. Israel hat seine Garnisonen in den Golanhöhen verstärkt und droht, weiterhin überall dort in Syrien gewaltsam einzugreifen, wo es Anzeichen dafür erkennt, dass die Revolutionswächter oder ihre Hilfsvölker sich in Syrien festsetzen könnten. Asad seinerseits scheint darauf zu bestehen, dass sein Regime als die legale Macht über Syrien bestimmt, wo seine iranischen Verbündeten eingesetzt werden und wie lange sie in Syrien verbleiben.
Suche nach einem lokalen Kompromiss
Ob Moskau ihn dazu veranlassen kann, einem Vertrag zuzustimmen, gemäss dem iranische Revolutionswächter und Hilfsmilzen aus dem Grenzraum fernbleiben sollen, und ob die Israelis und Amerikaner sich mit einem derartigen Abkommen zufrieden geben werden, bleibt unklar. Die amerikanische Verwaltung scheint in erster Linie auf den noch bevorstehenden Druck auf Iran zu zählen, der stark zunehmen wird, sobald die von den USA angekündigten wieder auferlegten Sanktionen gegen Iran in Kraft treten werden.
Trump glaubt, durch sie werde Iran der Mittel beraubt werden, die heute unter anderem dazu dienen, „Wühlarbeit“ in den nahöstlichen Staaten zu leisten. Dass der wirtschaftliche Druck umgekehrt wirken könnte, weil er in Iran die Macht der Revolutionswächter fördert und jene des gewählten Präsidenten, Ruhani schwer schädigt, zieht Trump offenbar nicht in Betracht.
Vom syrischen Bürgerkrieg zur Konfrontation mit Iran
Der jordanische und der russische Aussenminister treffen sich dieser Tage in Moskau, um über die Lage in Südsyrien zu beraten. Wenn es den beiden misslingt, eine Formel zu finden, die Asad zu Konzessionen in Bezug auf seine iranischen Hifsvölker veranlasst, bleibt der syrische Süden ein Spannungsfeld, auch nachdem der Widerstand der Rebellen vollständig gebrochen sein wird. An die Stelle der bisher bestehenden innersyrischen Bruderkriegsfronten werden in diesem Fall die israelisch-iranischen Spannungen treten, kombiniert mit dem noch bevorstehenden, eigentlich vermeidbaren, jedoch von Trump und seinen aussenpolitischen Falken gesuchten amerikanisch-iranischen Ringen.