Vier Absolventen der Bauhaus-Universität haben "Die Epilog" im vergangenen Jahr gegründet, um den gesellschaftlichen Wandel neuartig zu beleuchten. Das Ganze soll originell und kann bisweilen sogar schräg sein. Bislang ist die Mischung gut gelungen.
Besonderer Charme
Die erste Ausgabe erschien im Juni 2013 unter dem Titel: „Nicht resignieren! Irgendwas geht immer.“ Der Erfolg war so gross, dass sich der Mitarbeiterstab stark erweiterte und die Redaktion offenbar auch keine Mühe hat, genügend Autoren zu finden, die unentgeltlich ihre Beiträge liefern. Die Auflage konnte von den ursprünglich 10'000 auf 11'000 gesteigert werden.
Der Titel der zweiten Ausgabe hat besonderen Charme: „Die Wiederverzauberung der Welt“. Spontan wird damit Neugier geweckt: Was ist damit gemeint und wie schützen sich die Redaktion und die Autoren vor der Gefahr des Absturzes bei diesem Thema?
“Theorieschnipsel“
Wie zur Rechtfertigung dieses Unterfangens schreibt der Herausgeber Mads Pankow in seinem Beitrag: „Was nützt eine aufgeklärte Welt, die niemand mehr überblicken kann? Die Erklärungen rücken in immer grössere Ferne zur alltäglichen Umwelt, die sie beschreiben wollen.“ Die Beiträge der anderen Autoren sind dann von sehr unterschiedlicher Qualität. Hervorzuheben sind die “Theorieschnipsel“, in denen einzelne Autoren sich auf Klassiker wie Max Weber, Bruno Latour oder den nicht so bekannten Béla Balázs beziehen.
Das Januar-Heft dieses Jahres könnte nicht aktueller nicht: „Protest – brauchen wir den Aufstand?“ Hier fallen die geistvollen Bezüge - meistens wieder als „Theorieschnipsel“ rubriziert - zu Niklas Luhmann, Aristoteles, Claude Lévi-Strauss und Joseph Schumpeter wieder sehr positiv auf. Dazu kommt der besonders schöne Beitrag zu José Ortega y Gasset und seinem grundlegenden Werk von 1929,„Der Aufstand der Massen“.
Störende Elemente
Wohltuend sind die ständigen Perspektivenwechsel. So werden die Impulse der Protestkulturen von unten neben die Theorie der „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter) oder den Gedanken gestellt, dass die Gesellschaft selbst die ständige Krise ist, wie Niklas Luhmann pointiert formuliert hat. Die Zeitschrift ist im besten Sinne des Wortes unideologisch.
Allerdings gibt es auch störende Elemente. Das geht schon mit dem Titel los: „Die Epilog“. Eigentlich müsste es „Der Epilog“ heissen, und um nicht ständig über den falschen Artikel zu stolpern, muss man das Wort „Zeitschrift“ immer mitdenken, auch wenn typografisch dieser Zusammenhang kaum hergestellt wird.
Die Bauhaus-Tradition
In der neuesten Ausgabe kommt noch ein weiteres störendes Element hinzu: Die Texte der „Theorieschnipsel“ sind auf dem Kopf gestellt gedruckt. Um sie lesen zu können, muss man die Zeitschrift also jeweils umdrehen. Das soll wohl besonders originell sein, ist aber bloss störend und lästig. Zudem wäre die Redaktion sehr gut beraten, nicht hin und wieder Texte weiss auf schwarzem Grund zu drucken. Schon der Werbepapst David Ogilvy hat vor einem solchen Unfug gewarnt: Kein Mensch liest gern solche Texte.
Diese Mätzchen hängen offensichtlich damit zusammen, dass die Idee zu dieser Zeitschrift von Absolventen der Bauhaus-Universität Weimar stammt. Allerdings zeichnet sich die Bauhaus-Tradition eher durch Zweckmässigkeit als durch blosse Spielereien aus. Darüber sollte aber nicht übersehen werden, dass in der Zeitschrift inhaltlich beachtliche Impulse gegeben werden.
Witz und Ironie
Der Anspruch, den gesellschaftlichen Wandel aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und dabei auch das weniger Beachtete ins Licht zu rücken, wird von einzelnen Beiträgen überzeugend eingelöst. Weil die Heft-Themen „Irgendwas geht immer“, „Wiederverzauberung“ und „Protest“ Grenzbereiche markieren, kann es nicht ausbleiben, dass der eine oder andere Beitrag selbst grenzwertig ist bzw. nicht unbedingt einleuchten muss. Aber das ist die Ausnahme und nicht die Regel.
Das nächste Heft, das im Mai erscheinen soll, trägt den Titel: „Im Ernst! Wo bleibt die Spassgesellschaft?“ Auch hieran zeigt sich wieder etwas, woran den Blattmachern gelegen ist: die Ironie. Und es ist ihnen gelungen, mit Witz und Charme einige grössere Unterstützer zu gewinnen, Beiträge durch „Crowd- Funding“ einzuwerben und erste Abos zu verkaufen. Seit diesem Jahr übernimmt Gruner + Jahr den Vertrieb. Daher ist die Zeitschrift auch an grösseren Kiosken für 6 Euro zu erhalten. Wünschen wir der Zeitschrift und ihren Gestaltern weiterhin Erfolg!