Übers Wochenende verlagerte sich das diplomatische Geschehen an die Münchner Sicherheitskonferenz. Dort traf sich US-Aussenminister John Kerry mit dem Chef der zersplitterten syrischen Opposition, Ahmad al-Jarba. Russlands Aussenminister Sergej Lawrow lud Jarba zu Gesprächen nach Moskau ein. UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon forderte beide Grossmächte auf, ihren Druck auf die Konfliktparteien zu verstärken. Lawrow antwortete: „Ich kann Ihnen versichern, dass wir täglich Druck auf die syrische Regierung ausüben. Es ist aber eine sehr schwierige Aufgabe, diese Regierung, die sich in einem Krieg befindet, zu irgendwelchen Gesten zu überreden.“
So konnte nicht einmal eine humanitäre Hilfe für die in umkämpften Gebieten eingeschlossene Zivilbevölkerung vereinbart werden, obwohl die Lastwagenkonvois internationaler Hilfswerke bereit stehen. Noch selten waren Friedensverhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen von derartigem Starrsinn und gegenseitigem Hass geprägt. Nicht einmal der Vorschlag des Vermittlers der UNO und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, am 10. Februar erneut in Genf zusammenzutreffen, wurde vom syrischen Aussenminister Walid al-Moallem eindeutig angenommen. Er müsse zuerst mit Präsidenten Baschar al-Assad den bisherigen Konferenzverlauf diskutieren, bevor er eine Zusage abgeben könne, erklärte Moallem.
Plumpe Suggestiv-Fragen der Assad-Journalisten
Die Regierung wird sicherlich wieder eine Delegation nach Genf schicken, denn sie kann es sich nicht leisten, die Verantwortung für einen Abbruch der Friedensverhandlungen zu tragen. Ihre Präsenz ist aber noch keine Garantie für einen Erfolg der Konferenz. Die Kämpfe gehen unvermindert weiter. Die syrische Luftwaffe fliegt massive Einsätze gegen Wohngebiete, in denen sich Aufständische verschanzt haben. Nach Angaben der Rebellen kamen während der ergebnislosen Genfer Konferenzwoche 1900 Menschen durch Waffengewalt ums Leben. Gerade die Verhandlungen spornen die Konfliktparteien an, durch militärische Erfolge ihre Position zu stärken.
Hart gekämpft wird auch an der Propagandafront. Die mit der syrischen Regierungsdelegation nach Genf geflogenen „Journalisten“ liessen während der ersten Verhandlungswoche keine Gelegenheit aus, lautstark die Standpunkte des Regimes zu vertreten. Immer wieder versuchten sie auf Pressekonferenzen den UNO-Vermittler in die Enge zu treiben. Brahimi blieb keine andere Wahl, als die plumpen suggestiven „Fragen“ zu ignorieren.
Seltsame Bettgenossen
An der Place des Nations vor dem UNO-Gebäude demonstrierten am Freitag etwa 150 regierungsfreundliche Syrer, die mit Bussen nach Genf gekarrt wurden. Sie schwenkten Transparente und syrische Fahnen, die sehr fabrikneu aussahen. Unter die Demonstranten gemischt hatten sich auch Mitglieder einer „Vereinigenden Kommunistischen Partei“ aus Dresden. Auf ihren Flugblättern riefen sie zu „Solidarität mit dem Widerstand der arabischen Völker im Kampf gegen Imperialismus, Zionismus und zionistische Besatzung“ auf. Seltsame Bettgenossen!
Der syrische Informationsminister Omran al-Sohbi liess es sich nicht nehmen, die Demonstranten zum Durchhalten zu ermutigen. „Weder in dieser noch in der nächsten Runde werden unsere Gegner von der syrischen Delegation irgendwelche Zugeständnisse erhalten“, versprach er.
Getrennt ausgetauschte Beschimpfungen
Wozu wird dann überhaupt verhandelt? Natürlich darf man nicht alle Worte eines Informationsministers – also des Propagandachefs - für pures Gold nehmen, werden doch Kompromisse in der orientalischen Zivilisation gewöhnlich als Zeichen der Schwäche empfunden. Dass sich die Widersacher aber weigerten, in Genf direkt miteinander zu reden, lässt aber wenig Optimismus aufkeimen. Die beiden Delegationen sassen im Saal XVI des Palais des Nations an getrennten Tischen und tauschten ihre Beschimpfungen über den Vorsitzenden Brahimi aus.
Die unter dem Namen „Syrische Nationale Koalition“ auftretende Opposition muss zuerst einmal beweisen, dass sie im eigenen Land politischen Rückhalt geniesst. Zu zerstritten sind die verschiedenen Gruppen – von den Dschihadisten ganz zu schweigen, die jegliche Friedensgespräche mit der Regierung ablehnen und die Schaffung eines vereinigten sunnitischen Gottesstaates in Syrien und dem Irak zum Ziel haben.
Keine 10 Dollar-Wette
Washington und Moskau sind sich wenigsten in einem Punkt einig: Die in Syrien eingefallenen religiösen Extremisten müssen vertrieben werden. Damit stellen sie sich aber gegen deren Förderer Saudi-Arabien und Katar, die ebenfalls Teilnehmer der Genfer Syrienkonferenz sind. Auf einen Erfolg am Verhandlungstisch würde heute bei einer Wette niemand zehn Dollar setzen.