Das Hin und Her zwischen Syrien und Israel vom letzten Sonntag gegen vier Uhr morgens bis in den Mittag hinein verlief, soweit wir heute wissen, folgendermassen: Eine Drohne, nach israelischen Aussagen iranischer Herkunft (Teheran nennt diese Behauptung „lächerlich“), wurde aus dem Raum von Palmyra gestartet. Sie drang bis nach Israel ein und wurde dort durch einen Helikopter der israelischen Luftwaffe abgeschossen.
Die Israeli beantworteten die Verletzung ihrer Grenzen, indem sie aus der Luft die Plattform angriffen, von der aus die Drohne ihrer Ansicht nach lanciert worden war. Es soll sich um eine mobile iranische Einrichtung im Umfeld der Wüstenstadt Palmyra gehandelt haben, tief im Innersten Syriens. Die Israeli stiessen auf heftiges Feuer der syrischen Luftabwehr. Dabei scheint ein israelisches Kriegsflugzeug getroffen worden zu sein. Es gelang seinen beiden Piloten auf israelisches Gebiet zurückzufliegen. Über Nordisrael stürzte der Jet ab. Seine beiden Piloten konnten mit Fallschirmen abspringen. Beide befinden sich in einem israelischen Spital, einer soll schwere Verletzungen erlitten haben.
Wo genau über Syrien der Jet getroffen wurde, ist nicht klar. Wenn es im Verlauf des Angriffs auf die Drohnen-Startrampe geschah, so wäre es erstaunlich, dass das angeschossene Flugzeug den langen Weg von Palmyra bis nach Nordisrael zurücklegen konnte, bevor es abstürzte.
Israels „grossangelegter Gegenschlag“
Die israelische Luftwaffe hatte den syrischen Schlag umgehend beantwortet, indem sie einen „grossangelegten“ (large scale) Gegenschlag durchführte. Nach israelischer Darstellung wurden zwölf Ziele angegriffen. Davon seien vier „iranische“ Ziele gewesen und vier weitere syrische Luftabwehrbatterien. Syrische Oppositionsquellen erwähnen auch den Kontrollturm eines syrischen Militärflughafens nah bei Damaskus und ein Munitionsdepot. Das syrische Fernsehen sprach von einem israelischen Angriff, ohne mitzuteilen, ob er zu Verlusten an Mannschaften geführt habe.
Nach dem vorausgegangenen Abschuss des israelischen Jets behaupteten die syrischen Armeesprecher, mehrere israelische Flugzeuge seien getroffen worden. Die Russen äusserten sich vorsichtig zu den Vorkommnissen. Sie betonten, die Souveränität aller Staaten müsse respektiert werden, und sie fügten hinzu, wenn es zu Verlusten unter den russischen Militärs kommen sollte, wäre dies „inakzeptabel“.
Die Russen wussten Bescheid
Es ist bekannt, dass eine Telefonverbindung zwischen den israelischen Offizieren und ihren russischen Kollegen auf der russischen Basis von Khneimin existiert, und die israelischen Kommentatoren nehmen an, dass die Russen über diese Notlinie informiert wurden. Das russische Radarnetz überdeckt ganz Syrien und reicht bis tief in den israelischen Raum hinein, so dass man anzunehmen hat, dass die Russen alle Vorgänge laufend verfolgen konnten. Sie haben jedoch nicht selbst eingegriffen.
Die israelischen Kommentatoren schliessen aus diesem Sachverhalt, dass die Russen es Asad überlassen, auf Zusammenstösse mit Israel zu reagieren, und dass sie solange nicht direkt eingreifen werden, wie ihre Truppen dabei nicht zu Schaden kommen. Jedoch, so merken manche der Beobachter an, die Syrer der Asad-Armee haben von den Russen neue Luftabwehrraketen erhalten, und es ist immer denkbar, dass sich bei diesen neuen Waffen auch russische Instruktoren befinden.
Es ist auch ungewiss, ob sich bei der im ersten Gegenschlag der Israeli angegriffenen und nach den Armeeaussagen zerstörten angeblich iranischen Drohnen-Startrampe im Zeitpunkt des Angriffs iranische Soldaten oder Armeetechniker befanden oder nicht.
Iran als Kriegstreiber
Weder die Israeli noch die Russen und wahrscheinlich auch nicht die Syrer habe ein Interesse daran, dass der Schlagabtausch eskaliert und sich zu einem vollen Krieg ausweitet. Im Falle der Iraner jedoch ist dies nicht sicher. Es ist mindestens denkbar, dass die iranischen Revolutionswächter, die für die syrischen Belange zuständig sind (nicht die Regierung Ruhanis) darauf abzielen, von Syrien aus und mit Hilfe ihrer dort stehenden Hilfstruppen weitere Herausforderungen gegen Israel auszulösen.
Die Iraner könnten so ihre syrischen Verbündeten, ähnlich wie Hizbullah in Nordlibanon, als permanente Bedrohung Israels positionieren. Sie selbst würden in einer derartigen Lage, ebenfalls wie in Libanon, als die unentbehrlichen Helfer der direkten Herausforderer der Israeli im Hintergrund stehen.
Russland in der Schiedsrichterrolle
Im Unterschied zu Libanon stehen in Syrien jedoch auch die Russen, und die israelischen Kommentatoren sehen in ihnen zu Recht die wirklichen Schiedsrichter über das, was weiter in Syrien geschieht. Die Hoffnung der Israeli, dass die Russen auf die Iraner einwirken könnten, um sie aus Syrien zu entfernen oder mindestens aus dem israelischen Grenzraum herauszuhalten, ist bisher nicht erfüllt worden.
Es sieht vielmehr danach aus, dass die Russen gewillt wären, den Syrern die Entscheidung darüber zu überlassen, ob sie eng mit Iran zusammenarbeiten und dadurch wachsende Spannungen mit Israel in Kauf nehmen wollen – oder ob sie zu ihrem früheren Verhalten zurückkehren wollen und können. Es bestand darin, die israelischen Luftschläge gegen iranische Militärtransporte auf syrischem Gebiet stillschweigend hinzunehmen, solange auch die Israeli darüber nicht redeten.
Dieses Arrangement, das viele Jahre lang angedauert hatte, ist nun zerbrochen. Zuerst wurde über die israelischen Angriffe gesprochen und mit Gegenschlägen gedroht, dann kam es zum Schlagabtausch.
Übermächtige Iraner
Es ist klar, dass die iranische Präsenz die entscheidende Rolle bei der Aushöhlung und dem schliesslichen Zusammenbruch der bisherigen stillschweigenden Konvention zwischen Syrien und Israel geführt hat. Israel hat öffentlich seine Roten Linien gegen die Anwesenheit der Iraner deklariert, und weder Iran noch Syrien haben sich willig erwiesen, sie zu respektieren.
Russland hat klargemacht, dass es zunächst die israelischen Roten Linien weder zu bekämpfen noch zu unterstützen gedenkt, sondern es hat Asad die Entscheidung darüber zugesprochen. Im Falle von Asad ist schwer zu sagen, ob er die israelischen Forderungen in Bezug auf Iran anzunehmen gewillt ist oder nicht. Es ist möglich, dass er zwar möchte, aber nicht kann, weil die Iraner als Hilfskräfte – militärisch und finanziell – für ihn unentbehrlich und übermächtig geworden sind.