Unter den Kritikern befinden sich die Vetomächte Russland und China. Der stellvertretende russische Botschafter bei der UNO beantwortete die Frage von Journalisten nach den Gründen seines Landes mit einer Gegenfrage: »Wozu eine neue Resolution? Um noch mehr zu bombardieren?«
Diese Antwort drückt den Frust einer Reihe von Staaten aus, die sich im Libyenkonflikt vom Westen über den Tisch gezogen fühlen. Die Luftangriffe der Nato gegen Residenzen Gaddafis und seiner Angehörigen werden von ihnen als eine klare Übertretung des UNO-Mandats betrachtet, welches nur den Schutz der Zivilbevölkerung »mit allen nötigen Mitteln« vorsieht. Von einem Sturz Gaddafis stehe nichts in den beiden Libyen-Resolutionen, machen Diplomaten geltend.
"Syrien ist nicht Libyen"
Die im Sicherheitsrat vertretenen EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Portugal haben am 24. Mai einen Resolutionsentwurf in Umlauf gebracht, in dem die syrische Regierung wegen der »Gewaltanwendung und den Einsatz von Streitkräften gegen ihre Bevölkerung« verurteilt wird. »Die weit gestreuten und systematischen Angriffe der Behörden gegen ihr Volk könnten den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen«, heisst es in dem Text. Das Regime in Damaskus wird aufgefordert, auf die legitimen Ansprüche der Bevölkerung zu hören, alle politischen Gefangenen freizulassen und die Einschüchterung, willkürlichen Verhaftungen und Folter einzustellen.
Russland und China drohen, ihr Veto gegen den Resolutionsentwurf einzulegen. Der chinesische Botschafter Li Badong fasste die Überlegungen seines Landes pragmatisch zusammen: »Syrien ist nicht Libyen. Syrien ist ein wichtiger Spieler im Nahen Osten. Wir wollen keine Instabilität in dieser Region. Das wäre nicht einmal für Israel gut.«
Kontraproduktive westliche Initiative?
Auch Brasilien, Indien, Libanon und Südafrika halten wenig von dem Resolutionsentwurf. Er würde folglich höchstens die für seine Annahme erforderlichen neun Stimmen erhalten, aber am Veto Moskaus und Pekings scheitern. Zuletzt haben die Westeuropäer auch die 57-Staaten-Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) verärgert. Ihr Resolutionsentwurf enthält nämlich einen Hinweis auf eine Erklärung der OIC vom 22. Mai, die »tiefe Besorgnis über die Eskalation der Gewalt in Syrien« ausdrückt und die syrischen Sicherheitskräfte zu »Zurückhaltung« aufruft.
In einem Brief an den Weltsicherheitsrat hat die OIC jetzt dieses Zitat als »irreführend« und »aus dem Zusammenhang gerissen« bezeichnet. Die westliche Initiative sei kontraproduktiv, stelle eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens dar und erschwere den Dialog zwischen der OIC und einem ihrer prominenten Mitglieder, erklärte der ständige Beobachter der OIC bei der UNO, der Türke Ufuk Gokcen.