Die Annahme der Resolution gilt als sicher. Nur Russland verlangt einige kosmetische Änderungen. Die Russen wollen, dass die neuen Sanktionen auf Gebiete begrenzt bleiben, die mit der Entwicklung oder dem Erwerb von Nukleartechnologie zusammenhängen.
Ausgelöst wurde die Erweiterung der bereits bestehenden Sanktionen durch den jüngsten nordkoreanischen Atomwaffenversuch vom 12. Februar und den Probeflug einer Langstreckenrakete am 12. Dezember. Der in dreiwöchigen Verhandlungen zwischen den USA und China ausgearbeitete Text wurde den anderen 13 Mitgliedern des Sicherheitsrats zugestellt, aber noch nicht veröffentlicht.
Deutliche Worte
Die US-Chefdelegierte Susan Rice erklärte, dass die Reichweite der geplanten Sanktionen „aussergewöhnlich“ sei und „die Stärke des Engagements der Staatengemeinschaft für eine Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel demonstriert“. Die Resolution werde „die illegalen Tätigkeiten nordkoreanischer Diplomaten sowie ungesetzliche Bankgeschäfte und Bargeldüberweisungen Nordkoreas bestrafen“. Darunter fällt die Einschränkung der Akkreditierung und der Bewegungsfreiheit nordkoreanischen Botschaftspersonals. Die Delegierten Pjöngjangs bei den verschiedenen UNO-Gremien seien davon nicht betroffen, verlautet aus New York.
Der Botschafter Chinas bei der UNO in New York, Li Baodong, erklärte vor Journalisten: „Es muss ein starkes Signal ausgesendet werden, dass die internationale Gemeinschaft keine weiteren Atomwaffentests wünscht.“ Das sind deutliche Worte aus dem Mund eines hohen chinesischen Regierungsvertreters. Obwohl die Chinesen in der Vergangenheit schon mehrere Runden von UNO-Sanktionen durchgehen liessen, achteten sie stets darauf, privilegierter Gesprächspartner Nordkoreas zu bleiben und dort keine Türen zuzuwerfen. Jetzt neigt sich aber auch die Geduld Pekings ihrem Ende zu.
Drohung mit "chirurgischen Schlägen"
China ist der wichtigste Handelspartner und praktisch einzige Öllieferant Nordkoreas. Trotzdem ist der Einfluss Pekings auf Pjöngjang äusserst beschränkt. Die chinesische Führung steht vor einem Dilemma: Aus geopolitischen Gründen wünscht sie keinen Zusammenbruch des nordkoreanischen Regimes. Noch schlimmer wäre aber ein von ihrem Nachbarn provozierten Krieg mit unvorhersehbaren Folgen für die gesamte Region.
Das Spiel der Kim-Dynastie mit der Atombombe stellt für China eine ständige Herausforderung dar. Mao Zedong vertrat noch den Standpunkt, dass jedes Land das Recht hat, sich mit den modernsten Mitteln zu verteidigen. Seine Nachfolger verfolgen hingegend eine konsequente Politik der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen.
Unter dem internationalen Druck hat das nordkoreanische Regime seine Kriegsrhetorik verschärft und diese Woche angedroht, den Waffenstillstand von aufzukündigen, mit dem 1953 der verlustreiche Koreakrieg beendet wurde. Das Oberkommando der „koreanischen Volksarmee“ droht sogar mit „chirurgischen Schlägen“ gegen Südkorea und einem neuartigen „nuklearen Präzisionswerkzeug“, das für diesen Zweck eingesetzt werden könnte. Als Casus belli nennt das nordkoreanische Militär ausdrücklich die vom Weltsicherheitsrat geplanten neuen Sanktionen und die am Montag beginnenden gemeinsamen Manöver von 10.000 südkoreanischen und 3500 US-amerikanischen Soldaten. Die USA haben in Südkorea 28.500 Mann mit taktischen Atomwaffen stationiert.
Noch keine Panik
Säbelrasseln in Pjöngjang ist nichts Neues. Gewöhnlich signalisiert es den Wunsch der Nordkoreaner auf Direktgespräche mit Washington. Die Atomwaffenoption ist eine Art Lebensversicherung des Regimes, dem kaum andere Hebel zur Verfügung stehen. Nach einer Epoche hoher Spannungen unterzeichneten die USA und Nordkorea 1994 in Genf einen Vertrag, in dem die US-Regierung unter Bill Clinton dem kranken nordkoreanischen Diktator Kim Il-Sung (der im gleichen Jahr verstarb) die Lieferung von Erdöl sowie von zwei Leichtwasserreaktoren zur Stromerzeugung zusicherte. Im Gegenzug war Nordkorea bereit, sein Atomwaffenprogramm einzustellen und einen Plutonium produzierenden Reaktor sowjetischer Bauart zu zerstören. Clintons Nachfolger George W. Bush machte das Abkommen wieder rückgängig. Er setzte auf einen Regimewechsel in dem von krasser Armut und Hungersnöten heimgesuchten Land.
Doch das nordkoreanische Regime liess sich so nicht unterkriegen. 2003 kündigte es den 1985 unterzeichneten Atomwaffensperrvertrag. 2006 zündete Nordkorea seinen ersten Kernsprengsatz. Die 2003 in Peking begonnenen Sechsergespräche (Nord- und Südkorea, USA, China, Russland, Japan) über eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel erlebten etliche Durchbrüche und Rückschläge, blieben aber insgesamt ergebnislos.
Auf Kim Il-Sung folgte Kim Jong-Il, auf Kim Jong-Il dessen Sohn Kim Jong-Un – verändert hat sich nichts. Wieder stellt sich die Welt die Frage, wer Nordkorea wirklich regiert. Ist es der junge Enkel des Staatsgründers oder das mit Privilegien verwöhnte Militär? Welche Rolle spielen Familienclans? Geht es der auf Gedeih und Verderben zusammengeschweissten Clique in einem völlig abgeschotteten Land eigentlich um mehr als Machterhalt? Verglichen mit den Mutmassungen ausländischer Beobachter war die „Kreml-Astrologie“ zu Zeiten Stalins eine exakte Wissenschaft.
Vom Wissen über die Führungsschicht hängt die Einschätzung ihrer Pläne ab. Ist das offen deklarierte Atomwaffenprogramm nur ein Verhandlungschip? Auch Kim Jong-Un und seine Generäle wissen wohl, dass ein massiver Angriff auf Südkorea die Zerstörung des eigenen Landes zur Folge hätte. Nicht zufällig hält der nach dem unentschieden ausgegangenen Koreakrieg geschlossene Waffenstillstand bereits 60 Jahre. Von einem einsatzbereiten Atomwaffenarsenal, das es unangreifbar machen würde, ist Nordkorea noch weit entfernt. Die bisherigen Versuchsexplosionen und Raketentests waren mehrheitlich Flops. Obwohl die Experten jetzt technische Fortschritte erkennen, reichen diese zum Bau handlicher nuklearer Gefechtsköpfe nicht aus. Daher ist in Südkorea keine Panik ausgebrochen.