Sauberes Trinkwasser ist abhängig von einer optimalen Artenvielfalt. Gewisse Subventionen und finanzielle Anreize können die Biodiversität jedoch schädigen. Die Bundesverwaltung hat in einer Studie 97 solcher Subventionen identifiziert.
Die Schweiz hat die Konvention über die biologische Vielfalt am 21. November 1994 ratifiziert. 23 Jahre später, im September 2017, hat der Bundesrat den Aktionsplan Strategie Biodiversität Schweiz verabschiedet. Im Juni 2022, weitere fünf Jahre danach, hat nun das Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) seine Vorstudie zur «Bestimmung der Vertiefungen» solcher fragwürdiger Mechanismen vorgelegt.
Kontraproduktive Bundessubventionen
Der Bund finanziert zahlreiche Massnahmen, um den Biodiversitätsschwund aufzuhalten. Gewisse Subventionen haben jedoch einen gegenteiligen Effekt und schädigen die Umwelt direkt oder indirekt.
In meinem Beitrag liegt der Fokus auf dem Bereich Landwirtschaft – da ein Grossteil dieser kontraproduktiven Geldzahlungen hier versickert –, u. a. auf dem Grenzschutz im Lebensmittelbereich, der Absatzförderung für Milch, Fleisch und Eier, den Versorgungssicherheits- und Strukturverbesserungsbeiträgen.
Subventionen in Mio. CHF
- Mehrkosten durch Grenzschutz 3’108.0*
- Übergangsbeitrag Agrarpolitik 113.8
- Investitionshilfe zur Strukturverbesserung 82.2
- Verkäsungszulage Milchwirtschaft 263.2
- Beitrag Tierwohl RAUS 191.6
- Offenhaltungsbeitrag Kulturlandschaft 140.0
- Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion 110.8
- Absatzförderung Milch 30.0
- Absatzförderung Fleisch/Eier 7.3
- Finanzierung Zulassungsevaluation Pestizide 6.0
- Ausnahme von der reduz. LSVA Tiertransporte 35.0
- Produktionserschwernisbeitrag 159.4
- Sömmerungsbeitrag Kulturlandschaft 125.2
- Beitrag offene Ackerfläche 112.6
- Alpungsbeitrag 108.5
- Tierwohl BTS-Beitrag 83.9
- Förderbeitrag Tierzucht 34.2
- Vollzug Schlachtvieh und Fleisch 6.6
- Marktunterstützung Fleisch 3.7
- Ausgaben Administration Milchwirtschaft 2.7
- Marktunterstützung Eier 1.7
- Hangbeitrag Kulturlandschaft 126.6
- Qualitäts- und Absatzförderung weiterer Landwirtschaftsprodukte 26.9
- Hangbeitrag Rebflächen 11.5
- Obstverwertungsbeiträge ?
- Basisbeitrag Versorgungssicherheit 745.5
- Einzelkulturbeiträge Versorgungssicherheit 59.6
- Zulage bei silofreier Milchviehfütterung 29.8
- Steillagenbeitrag Kulturlandschaft 11.3
- Landwirtschaftliche Beratung 10.8
- Investitionskredite Strukturverbesserung 56.3
- Beiträge Entsorgung tierischer Nebenprodukte 47.3
- Reduz. MwSt-Satz importierte Vorleistungen 40.6
- Rückerstattung Mineralölsteuer 65.0
- «Schoggigesetz» Ausfuhrbeiträge 94.6
Einige erklärende Hinweise
Zu dieser stattlichen Aufzählung von 35 Subventionen (hätten Sie das gewusst?) schreiben die Verfasser klärende Hinweise.
- * «Die höchste Bewertung ergab sich für den Grenzschutz.» Für Laien: Darunter ist die künstliche Verteuerung von Lebensmitteln aus dem Ausland zum Schutz der einheimischen Landwirtschaftsproduktion gemeint. Diese «Subvention» (Verteuerung) wird direkt durch die Konsumentinnen und Konsumenten beim Einkauf bezahlt. Eine der Folgen: Einkaufstourismus z. B. nach Deutschland, Italien, Frankreich.
- «Die Investitionshilfen für Strukturverbesserungen wurden bisher im Diskurs zur Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität eher vernachlässigt.»
- «Die Absatzförderung für Milch, Fleisch und Eier bezweckt die Substitution von importierten durch inländische Produkte.» Und: «Die Förderung inländischer, landwirtschaftlicher Produkte gegenüber ausländischen wird bereits durch andere Instrumente (zum Beispiel Grenzschutz) vorangetrieben.»
- «Die Höhe der Rückerstattung bemisst sich an der bewirtschafteten Fläche und der Art der Kultur, im Durchschnitt erhalten die Betriebe jährlich rund CHF 1500.–»
Massnahmen folgen später
Die Autoren schreiben weiter: «Das im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt beschlossene Ziel, dass alle biodiversitätsschädigenden Subventionen und Anreize bis 2020 abzuschaffen sind, konnte von der Schweiz innerhalb der definierten Frist nicht erfüllt werden.»
In der Schlussbetrachtung raten die Autoren dringend «zur zeitnahen Erarbeitung konkreter Massnahmen und deren Umsetzung. Ein diesbezüglicher Massnahmenkatalog soll so definiert werden, dass dessen politische Durchsetzung möglichst erfolgversprechend ist».
Erfahrungsgemäss wird dies nicht einfach sein. Auch wenn wir erst über diese Vorstudie diskutieren, hören wir bereits den Präsidenten des Bauernverbandes Markus Ritter (oder dessen Nachfolger) seine Vetos wort- und erfolgreich in den Saal rufen.
Wir stehen also erst am Anfang endloser Diskussionen im National- und Ständerat. Denn jetzt soll zuerst eine Evaluation, eine Ausarbeitung von Reformvorschlägen und schliesslich ein Massnahmenkatalog in Zusammenarbeit mit den betroffenen Bundesämtern erstellt werden, «dessen politische Durchsetzung möglichst erfolgversprechend ist».
Dass seit Auftragserteilung fünf Jahre vergangen sind, hat wohl mit der sehr gründlichen Arbeitsweise der Bundesverwaltung zu tun. Diese schreibt: «In einem ersten Schritt wurden die Subventionen mittels eines Kriterienrasters in den Bereichen ökologische Relevanz und Reformpotenzial beurteilt. In einem zweiten Schritt fand eine verwaltungsinterne Konsultation der bewerteten Subventionen bei den betroffenen Bundesämtern statt, um den politischen Kontext einordnen zu können.»
Jetzt gilt es also, im Teilprojekt 2, der Evaluation, die oben aufgeführten (und alle andern) Bereiche vertiefend zu beachten. Es sollen insbesondere Intensivierungsanreize in der Landwirtschaft sowie potenzielle Zersiedlungseffekte vertieft werden. «Verschiedene Pfade – von der Abschaffung bis zur Optimierung oder Umgestaltung einer Subvention – sollen geprüft werden», schreibt das Bundesamt für Umwelt (BAFU), ein Amt des UVEK, in seiner Zusammenfassung.
Nur gemach, es pressiert nicht
In diesem Beitrag ist nur ein Teil der eruierten Schwachstellen (jene der Landwirtschaft) thematisiert. Wer sich in Erinnerung ruft, dass – gemäss des von der Schweiz unterzeichneten Ziels – bis 2020 alle biodiversitätsschädigenden Subventionen und Anreize abzuschaffen gewesen wären, fragt sich, ob dieser Prozess und dessen Umsetzung bis 2030 Tatsache werden kann. Der Abstimmungstermin über die Biodiversitätsinitiative und den bundesrätlichen Gegenvorschlag ist für 2024/2025 geplant ...