Am 3. September explodierte im unterirdischen Testgelände Punggye-ri im Nordosten Nordkoreas eine A-Bombe. Es war die sechste seit 2006 und die vierte seit 2013 unter der Führung des Jungen Marschalls Kim Jong-un.
Kim Jong-uns Wasserschoffbombe?
Erdbeben-Beobachter in Südkorea, China, Japan und rund um die Welt massen eine Erschütterung von 6,2 auf der nach oben offenen Richterskala. Waffenexperten schätzten die nuklear gezündete Kraft auf zwischen 140 und 250 Kilotonnen. Das ist nach den fünf ersten Tests im Bereich von zehn bis zwanzig Kilotonnen eine gewaltige Zunahme, das heisst sie ist zwischen zehn und siebzehnmal so gross wie die von den Amerikanern im August 1945 über Hiroshima abgeworfene Bombe.
Kim Jong-un sprach selbstbewusst von einer Wasserstoffbombe. Nordkorea, so Kim vollmundig, habe mit diesem Test atomare Reife erlangt. Als Atomstaat versteht sich Nordkorea – verfassungsmässig verankert – bereits seit zwei Jahren.
Strukturelle Schäden
Bereits im Oktober 2017 drangen leicht beunruhigende Neuigkeiten an die Öffentlichkeit, ohne aber grosse Schlagzeilen zu erzeugen. Erdbebenwarten registrierten drei Nachbeben. Satellitenbilder zeigten markante Veränderungen am Berg Mantap, in dem das unterirdische Testgelände Punggye-ri liegt.
Japanische, chinesische, südkoreanische und westliche Wissenschaftler stellten nach dem insgesamt sechsten Atomtest am selben Ort am 2’200 Meter hohen Berg deutliche strukturelle Schäden fest.
Warnung aus China
Wie die stets gut informierte Tageszeitung «South China Morning Post» aus Hong Kong berichtet, stellten zwei chinesische Wissenschaftsteams unabhängig voneinander fest, dass es bei der Explosion vom 3. September in einem Testtunnel 700 Meter unter dem Mantap-Gipfel zu schwersten Erschütterungen gekommen sei. Risse und Löcher seien entstanden, dann seien Gesteinsschichten im Innern kollabiert. In China stiegen die Befürchtungen, dass radioaktiver Staub durch ein Leck im Berge entweichen könnte.
Deshalb wird die sino-nordkoreanische Grenzregion seither streng auf radioaktiven Abfall überwacht. Bekannt wurde wenig später, dass nordkoreanische Geologen in China bei Wissenschaftlern Rat suchten. Nordkorea soll von chinesischer Seite darauf ernsthaft gewarnt worden sein.
«Irreparabel beschädigt»
Von der «South China Morning Post» wird Zhao Liangfeng, Wissenschaftler am Institut für Erdkunde der Chinesischen Akademie für Wissenschaften in Peking mit der Einschätzung zitiert, dass die zwei chinesischen Studien über die Vorgänge im Innern des Berges Mantap unter Wissenschaftlern den Konsens unterstützten, dass das unterirdische Testgelände Punggye-ri «irreparabel beschädigt» ist.
Das wiederum erzeugte mannigfaltige Spekulationen darüber, warum Kim Jong-un seit Anfang Jahr eine versöhnliche politische Linie mit Südkorea, den USA und vor allem mit China eingeschlagen hat.
Nur spekulative Antworten
Spielt Pjöngjang auf Zeit? Ist die angekündigte Einstellung des unterirdischen Testgeländes Punggye-ri eine PR-Farce, weil es ja total beschädigt ohnehin hätte eingestellt werden müssen? Hat der Junge Marschall Kimm das Atom- und Raketentest-Moratorium taktisch eingesetzt, um mittelfristig dann ein neues Testgelände errichten zu können? Das kostet viel Geld, und das wiederum kann die marode Wirtschaft des Einsiedlerstaates aus eigener Kraft und wegen der Sanktionen nicht selbst erwirtschaften.
Mit andern Worten: Wohlverhalten – wie schon zuvor bei Versprechungen in den 1990er-Jahren an Amerika und den Gipfeln mit Soeul nach der Jahrhundertwende – gegen Hilfe und Geld aus Südkorea und dem Westen? Fragen über Fragen, auf die auch Nordkorea-Experten nur spekulative Antworten finden werden.
Lang und mühsam
Nur eines ist sicher: selbst wenn die Gipfeltreffen Kims mit den Präsidenten von Südkorea und den Vereinigten Staaten als Erfolg gefeiert werden sollten, ist der Friede auf der koreanischen Halbinsel und eine «vollständige, unumkehrbare und überprüfbare» Denuklearisierung Nordkoreas selbst unter günstigsten Voraussetzungen nur auf einem langen, wohl auch mühsamen diplomatischen Weg zu erreichen.