Riad hofft, dass seine Bombenkampagne das Machtgleichgewicht in der jemenitischen Armee zu seinen Gunsten verschieben wird.
Seit drei Wochen bombardieren die Saudis jede Nacht Jemen. Ihre Ziele sind militärische Installationen der Huthis und jener Teile der
jemenitischen Armee, die mit den Huthis zusammen kämpfen. Ihre
erklärte Absicht ist dabei, diese militärischen Kräfte soweit zu
schädigen, dass sie klein beigeben, ihre Waffen abliefern und den 2012
auf zwei Jahre und ohne Konkurrenz "gewählten" Präsidenten, Abdo Rabbo Mansour al-Hadi, wiedereinsetzen.
Präsident Hadi im saudischen Exil
Al-Hadi weilt vorläufig im saudischen Exil. Viele Jemeniten haben ihm
schon zu der Zeit, als er im Lande weilte, vorgeworfen, er handle nicht
entschieden genug. Seine Volkstümlichkeit erlitt einen weiteren
schweren Schlag dadurch, dass er nun als der legale und diplomatische
Vorwand dient, der den Saudis erlaubt, Jemen zu bombardieren.
In einem Versuch, seine Position etwas aufzubessern, wurde der ehemalige
Ministerpräsident seiner letzten Regierung, Khaled Bahah, in Riad zum
Vizepräsidenten Jemens bestimmt. Im Gegensatz zu al-Hadi ist Bahah
nicht aus dem von den Huthis beherrschten Sanaa geflohen, er blieb
dort unter Hausarrest durch die Huthis, bis er durch Verhandlungen mit
ihnen frei kam und dann nach Riad abreisen konnte. Seine Person ist
den Huthis eher genehm als jene al-Hadis, und seine Ernennung soll
dazu dienen, Verhandlungen mit den Huthis zu erleichtern, falls es
einmal dazu kommen sollte.
Huthis gegen Volksmiliz in Aden
Dies ist jedoch zurzeit nicht aktuell. Die Huthis kämpfen weiter um
Aden in bitteren Strassenkämpfen. Ihre Hauptgegner dort sind Milizen
aus Aden und Umgebung, denen es darum geht, die Huthis und die
Behörden von Sanaa aus Südjemen fernzuhalten, um womöglich
Unabhägigkeit für den Süden zu erlangen.
Die Huthis geniessen die Unterstützung der pro-Saleh Offiziere und ihrer Truppen. Für die Südländer sind beide Kräfte Bestandteile eines Nordens, von dem sie sich lostrennen möchten.
Schläge gegen die Saleh-loyalen Armeeteile
Dem Vernehmen nach sind es die regulären Truppen, die sich auf Seiten
der Huthis schlagen und deren Loyalität - bis jetzt - dem
Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh galt, die am meisten unter den
Luftschlägen aus Saudi Arabien zu leiden haben. Diese Truppen leben in festen Lagern mit ihrem Kriegsmaterial und ihren schweren Waffen.
Solche Lager, meist an der Peripherie der grossen Städte, Sanaa,
Hodeida, Taez, Aden, sind natürlich die markantesten Ziele der
Luftangriffe.
US-Unterstützung für die Saudis
Die Amerikaner fliegen Aufklärungsdrohnen über Jemen, die von Djibouti und von Saudi Arabien aus starten. Die amerikanischen Militärsprecher sagen, sie gäben den Saudis keine Angriffsziele vor. Doch wenn die Saudis beschlössen, bestimmte Ziele anzugreifen, seien sie bereit, mitzuhelfen bei der genaueren Präzisierung der Ziele. Dies, so die Militärsprecher, diene auch dazu, die unbeabsichtigten Verluste unter der Zivilbevölkerung gering zu halten.
Allerdings melden die Jemeniten regelmässig solche Verluste, zurzeit
sollen sie bei 365 zivilen Todesfällen liegen. Auch wer nicht direkt
getroffen wird, hat unter den Luftangriffen zu leiden. Die
Kriegsflugzeuge kreisen allnächtlich hörbar aber unsichtbar, ohne dass
man weiss, wo sie zuschlagen werden.
Seitenwechsel von Armee-Offizieren?
Es gibt Berichte darüber, dass unter diesen Umständen gewisse
Offiziere sich entschliessen, die Partei Ali Abdullah Salehs zu
verlassen und zu den Truppen überzugehen, die auf der Seite des
geflohenen Hadi und der Saudis stehen. Genaueres weiss man nicht. Die Vorgänge innerhalb der Armee spielen sich stets im Verborgenen ab, obwohl es sich regelmässig erweist, dass das Geschick des Landes
entscheidend von diesen Vorgängen abhängt.
Ali Abdullah Saleh selbst hat versucht, Distanz zwischen sich selbst
und den Huthis zu schaffen, indem er sich für Friedensverhandlungen
aussprach. Doch die Saudis machten klar, dass sie mit ihm nicht
verhandeln wollen. Riad setzt offenbar darauf, dass die
Bombardierungen ein Umdenken unter den Truppen erreichen, die bisher eher dem Ex-Präsidenten und seinem Sohn gehorchten als der offiziellen Regierung.
Auch Iran ruft zu Verhandlungen auf. Doch Riad sieht in Iran den
Hauptfeind, den es in Jemen zu besiegen gelte. Verhandlungen, in denen Teheran mitredete, kommen für Saudi Arabien nicht in Frage.
Der Irak auf der iranischen Seite
Der Stellvertreterkrieg in Jemen hat in Washington zu einem
Schlagaustausch geführt. Der irakische Ministerpräsident, Haidar
al-Abadi, der sich dort auf Besuch befindet, hat einer Gruppe von
Journalisten erklärt, die Kämpfe im Jemen seien Sache der Jemeniten,
und die Einmischung der Saudis sei "unlogisch" und ungerechtfertigt.
Sie mache die Sache nur schlimmer.
Er ging so weit zu erklären: "Die Gefahr dabei ist, dass wir nicht wissen, was die Saudis nachher (nach
den Kämpfen in Jemen) zu tun gedenken. Ist der Irak in ihrem Radar?
Das wäre sehr, sehr gefährlich. Die Idee, unprovoziert einen anderen
Staat aus blossem regionalen Ehrgeiz anzugreifen, ist falsch. Saddam
hat das auch getan (in Kuweit), Seht nur, wohin er das Land gebracht
hat."
Korrekturen in Washington
Der Irak sieht in Iran einen Freund und sogar militärischen Helfer
gegen IS. Al-Abadi fügte hinzu, auch die Amerikaner würden, seines
Erachtens nach, gerne ein Ende der Kämpfe sehen, und sie versuchten
die Saudis dazu zu bereden Verhandlungen zu beginnen. Doch diese
weigerten sich.
Da die Amerikaner offiziell hinter Riad und Präsident al-Hadi stehen,
sah sich das Aussenministerium veranlasst, einzuschreiten und zu
erklären, Obama habe seinem Besucher nicht gesagt, dass er die
saudische Aktion missbillige. Er habe nur seine Überzeugung darüber
ausgedrückt, dass zum Schluss eine Lösung durch Verhandlungen gefunden werden müsse.
Rücktritt des Uno-Sonderbeauftragten
Während dies in Washington ablief, wurde in New York deutlich, dass
der bisherige Sonderbeauftragte des Generalsekretärs der Uno für
Jemen, Jamal Benomar, zurücktrete. Dieser Schritt kam, nachdem al-Hadi erklärt hatte, er und seine Anhänger gedächten nicht mehr an
Verhandlungen teilzunehmen, die Benomar leite oder einberiefe.
Kritik an ihm kam auch von Seiten der Golfstaaten und Saudi Arabiens. Man wirft ihm nun vor, er habe zu lange Zeit, von September 2014 bis zum März dieses Jahres, die Huthis zu beschwichtigen versucht und ihnen dadurch Gelegenheit gegeben, ihre Macht immer weiter auszubauen. Das trifft zu.
Doch muss auch die Frage gestellt werden, was denn der Uno
Bevöllmächtigte, der über keinerlei Waffengewalt verfügte, gegenüber
den Truppen des Ex-Präsidenten und den Kämpfern der Huthis anderes hätte tun können. Man hat auch daran zu erinnern, dass Benomar schon früh, ab Febraur 2013, einen Uno-Boykott Salehs und zweier Huthi-Führer anstrebte, der schliesslich im März 2014 beschlossen wurde. Der Sicherheitsrat setzte damit die einzige Waffe ein, über die er verfügte. Weder Saleh noch die Huthi Führer zeigten sich beeindruckt.
Dialogkonferenz ohne Wirkung
Benomar hat die ein Jahr lang dauernde Dialogkonferenz der Jemeniten ins Leben gerufen und begleitet. Sie war einst als der Weg erschienen, der das Land vor einem Bürgerkrieg bewahren könne. Sie hatte Hunderte von Beschlüssen gefasst. Doch diese waren nie durchgeführt worden. Im Wesentlichen, weil die bisherigen Machthaber an der Macht bleiben wollten.
In Washington trat auch der saudische Botschafter auf den Plan und gab eine ausführliche Darstellung über die Erfolge, die durch die
Bombenschläge erreicht worden seien mit Aufzählung der angeblich
zerstörten Waffen. "Wir beginnen Risse zu sehen zwischen Ali Saleh und den ihm bisher zuneigenden Armeeeinheiten", erklärte er.