Wer es gewohnt ist, sich abends am deutschen Fernsehen die Nachrichtensendungen anzuschauen, dem fiel in den vergangenen Tagen und Wochen vor allem ein Gegenstand (tausendfach vervielfacht) auf: der Sandsack. Gross, 20 kg schwer oder handlich klein, an Seilen unterm Helikopter befestigt, auf den Ladeflächen von Lastern gestapelt oder von Hand zu Hand durch Menschenketten gereicht; der Sandsack, offenbar wirksamstes Mittel gegen die Flutkatastrophe, war allgegenwärtig. Was einen ins Sinnieren bringt. Man kann ja noch gerade begreifen, dass Naturkatastrophen, auch wenn sie sich mit unschöner Regelmässigkeit ereignen, sich um vorbeugende Massnahmen wenig scheren. Aber dass man 2013 noch nichts Besseres erfunden hat als viel Sand in grobes Tuch eingepackt, um Häuser und Strassen vor der Sintflut zu schützen, das verwundert. Die Pyramide von Gyzeh hätte man in Originalgrösse nachbilden können mit den Millionen von ausgelegten Sandsäcken, so wurde berichtet. Ein passendes Bild. Den Heerscharen, die den Bau der ägyptischen Pyramiden ermöglichten, entsprechen die Helferketten an der Elbe, die mit Sand provisorische Bauten gegen die Flut errichteten. Inzwischen ist Entwarnung angesagt. Die Pegel sinken, Felder, Strassen und Keller entwässern sich – zurück bleiben Schlamm, Dreck, Verzweiflung. Und die unzähligen nassen Sandsäcke. Das wirksamste Antikatastrophenmittel muss jetzt als Sondermüll entsorgt werden, weil es umweltschädigende Stoffe aufgesogen haben könnte. (Christoph Kuhn)