Journal 21: Ruedi Noser, ist Ihnen der Nationalrat nach zwölf Jahren verleidet?
Ruedi Noser: Nein! Aber zwölf Jahre sind eine halbe Generation. Ich denke, dass in einem Kanton wie Zürich mit einer Bevölkerung von 1,4 Millionen ein Politiker seinen Platz im Nationalrat nach dieser Zeit freigegeben sollte. Es gibt auch noch andere gute Politiker!
Sind zwölf Jahre der ideale Zeitraum?
Sie sind nötig, um etwas zu erreichen. Dazu braucht man keine 24 Jahre im Parlament. Wer nach zwölf Jahren nichts erreicht hat, wird es auch später nie mehr schaffen.
Ich habe mich gemeldet
Hat die FDP des Kantons Zürich Sie angefragt, oder haben Sie wissen lassen, dass Sie zur Verfügung stehen?
Es gab ein internes Verfahren, nachdem unser Ständerat Felix Gutzwiller der Partei signalisiert hatte, dass er nicht mehr antreten wolle. Daraufhin habe ich mich gemeldet.
Und jetzt sind Sie einstimmig nominiert worden.
Nein, nicht einstimmig, sondern mit Akklamation!
Das ist nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Verantwortung.
Den Kanton Zürich in Bern zu vertreten, ist tatsächlich eine Herausforderung.
Wo ich bin, ist die Mitte
Was unterscheidet Sie von Felix Gutzwiller?
Politisch und inhaltlich liegen wir ziemlich genau auf der gleichen Linie. Aber natürlich gibt es Unterschiede im Stil, im Charakter.
Auf welchem Flügel der FDP sehen Sie sich?
(Lacht). Ich sage immer: Wo ich bin, ist die Mitte der FDP. Das war noch nie anders.
Werden Sie sowohl für den Nationalrat wie auch für den Ständerat kandidieren?
Das bestimmt die Partei. Die Findungskommission ist bereits am Diskutieren. Die Doppelkandidatur war bisher üblich. Und ich werde sicher nochmals für den Nationalrat antreten.
Also mit Netz und doppeltem Boden.
(Lacht). Der Aufschlag wäre sonst zu hart!
Welchen Platz bei der Nationalratswahl erreichten Sie vor vier Jahren?
Ich kandidierte und landete auf dem ersten Platz. Ich war der Bestgewählte der Zürcher FDP.
100'000 Kontakte via Social Media
Sind Sie in den Social Media präsent?
Ja, auf allen, Facebook, Twitter und Co., und zwar sehr häufig. Als Politiker erreicht man damit eine Unmenge Leute. Am Tag meiner Nominierung zum Ständeratskandidaten waren es 100’000 Personen. Das macht die Arbeit von euch Medienleuten so schwierig.
Nein, im Gegenteil: Wenn 100’000 Leute Sie bereits kennen, werden sie alle auch unsere Artikel über Sie lesen! Im Ernst: Würde der Wechsel in den Ständerat Ihrer Lebensplanung entsprechen?
Überhaupt nicht! Ich mache keine solchen Pläne.
Haben Sie sich nicht vielleicht gesagt, als Sie sich für eine Ständeratskandidatur meldeten, es sei jetzt Zeit für etwas Neues?
Es ist immer Zeit für etwas Neues, aber es gäbe auch noch andere Optionen.
Die wären aber meist ausserhalb der Politik.
Es gibt auch ein Leben ausserhalb der Politik!
Im Ständerat mehr Zeit für den Austausch
Der Ständerat wird oft die bremsende Kammer oder gar der Schlafwagen des Parlaments genannt. Was fasziniert Sie daran so sehr?
Ich empfinde den Ständerat nicht als bremsend. Von dort kommen manchmal geradezu populistische Vorstösse. Und sein grösster Vorteil: Es gibt viel weniger Abgeordnete als im Nationalrat. Man hat deshalb viel mehr Zeit, um miteinander zu reden, sich auszutauschen. Das würde mir gefallen.
Die Sessions-Programme und -Stundenpläne des Ständerates wirken viel weniger aufwändig und stressig als jene des Nationalrats. War ein Wechsel für Sie deshalb eine attraktive Alternative?
Das weniger dichte Programm wird dadurch kompensiert, dass alle Ständeratsmitglieder in viel mehr Kommissionen sitzen.
In den letzten Jahren haben Sie im Nationalrat sehr viele einfache Anfragen, Interpellationen und Postulate eingereicht und viel weniger verbindlichere Motionen. Weshalb?
Eine Motion ist ein Auftrag; sie zwingt den Bundesrat zum Arbeiten. Wenn man mit dem Bundesrat gut vernetzt ist...
...und das sind Sie...
...reichen Anregungen (lacht). Motionen sind eher etwas für die «Opposition».
Das Thema Bundesrat ist abgehakt
Sie wollten einst selber Bundesrat werden, nämlich Nachfolger von Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Es hat nicht gereicht. Sie haben dieses Ziel sicher nicht aus den Augen verloren.
Die Möglichkeit einer solchen Kandidatur ist einmalig.
Sie werden im April aber erst 54 Jahre alt!
Das Thema ist für mich eigentlich abgehakt. Ich will nicht als ein ewiger Kandidat gelten.
Bekommt Ihre Firma Bundesaufträge?
Im Prinzip nein. Es gibt allerdings Unternehmen im Besitz des Bundes, wie die Swisscom, die Post, die Ruag, und dann lautet die Antwort Ja. Aber wir erhalten keine Aufträge, die unter der Hand vergeben werden; diese würde ich gar nicht annehmen.
Stolz auf das Berufsbildungssystem
Sie sind Präsident der Wirtschaftskommission (WAK), aber Sie waren auch schon Vizepräsident der Kommission für Wissenschaft und Kultur. Ist das Ihre zweite Seite?
Ich kam erst vor wenigen Jahren in die WAK. Vorher habe ich immer Bildungspolitik gemacht. Bildung ist mir sehr wichtig.
Schon angesichts Ihrer Biografie. Nach einer Lehre als Maschinenschlosser studierten Sie an der Fachhochschule Rapperswil und wurden Elektroingenieur. Später bildeten Sie sich zum Manager und Betriebswirt weiter.
Ja, ich bin ein typisches Beispiel für das schweizerische Berufsbildungssystem, und ich bin stolz darauf.
Sie gelten aber auch als Wirtschafts- und Finanzexperte. Es schien jedoch nicht ganz klar, was Sie von der Aufhebung des Euro-Mindestkurses hielten.
Als gegen den Franken spekuliert wurde, musste die Nationalbank den Mindestkurs aufheben. Sie hätte es allerdings gescheiter schon viel früher getan, spätestens im vergangenen Sommer; da wurde der Franken nie angegriffen. Damals wäre der Entscheid mutig und eigenständig gewesen. Jetzt erfolgte er aus Angst.
Und was halten Sie von den Milliarden des Europa-Bankers Draghi?
Reine Geldverschwendung, die nichts nützen wird. In mehren Ländern braucht die Politik Reformen, und die Wirtschaft braucht Vertrauen in die Zukunft.
Schweiz muss wettbewerbsfähiger werden
Und was benötigen wir in der Schweiz?
Eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, ein Freihandelsabkommen mit den USA, einen Einheitssteuersatz, Reformfähigkeit. Kurzfristig muss jede Firma Kosten senken, Arbeitsplätze ins Ausland verlegen oder sie im Inland reduzieren.
Eine beinharte Kur, die vielen Menschen Furcht einflösst. Was tun Sie denn mit Ihrer Firma?
Wir haben nicht geschlafen. Wir haben in den letzten Jahren viele Stellen im Euro-Raum aufgebaut. Wachstum verzeichnen wir weitgehend im Ausland. Unternehmen müssten mehr im Ausland investieren als in der Schweiz. Geschieht es nicht, ist das eine Katastrophe für unsere Arbeitsplätze, für die Industrie auch.
Ständeratswahlen sind Persönlichkeitswahlen. Sie werden viel häufiger als bisher in irgendeinem «Rössli» oder «Sternen» im Kanton auftreten, und das Säli wird nicht immer voll sein. Ist Ihnen diese Aussicht angenehm?
Die Bürger zu treffen, wird mir sehr angenehm sein. Ich gehe gerne auf Leute zu, um mit ihnen zu sprechen. Wahlkampfauftritte müssen aber nicht immer in einer Beiz stattfinden.
Was für ein Programm werden Sie im Wahlkampf dem Stimmvolk in Stadt und Land präsentieren, welche Kritiken anbringen?
An Kritiken denke ich nicht. Aber ich werde für den Werk- und Denkplatz Zürich kämpfen, auch für den Finanzplatz, für alles, was den Kanton weiterbringt.
Wissen Sie schon, wer Ihre Mitbewerber um die beiden Zürcher Stöckli-Sitze sein werden?
Das weiss ich noch nicht. Ich persönlich werde mich jedenfalls vor die Wählenden hinstellen, wie immer als ich, Ruedi Noser, unabhängig und direkt.
Ich fahre selber
Haben Sie einen persönlichen Berater, eine Sprecherin, einen Fahrer für die Wahlkampfauftritte engagiert?
Einen Fahrer ohnehin nicht, das mache ich selber. Aber ich werde schon Unterstützung und Beratung erhalten. Mit einer ganzen Entourage werde ich jedenfalls nicht auftreten.
Wieviel ist der Zürcher FDP Ihre Kandidatur wert?
Das kann ich Ihnen noch nicht sagen.
Wieviel investieren Sie privat in Ihren Wahlkampf?
Meine ganze Zeit.
Und wieviel Geld?
Einfach meine Zeit.
Sie meinen: Ihre Zeit ist Geld? Da wird doch wohl auch noch einiges Kapital nötig sein. Werden Sie eine Auszeit bei Ihrer Firma nehmen?
Ich arbeite immer 140 Prozent. Der Aufwand für die Politik und meine Unternehmen teilt sich etwa in 70:70. Im Wahlkampf werde ich wohl 100 Prozent in die Politik investieren und in die Firma 40 Prozent.