Ein rundes Dutzend Schweizer Finanzhäuser, darunter die Credit Suisse und zwei Kantonalbanken, liegen im Folterkeller von US-Strafverfahren. Mehr als hundert weitere Schweizer Banken haben «freiwillig» gestanden, gegen US-Steuergesetze verstossen zu haben. Damit ist erwiesen, dass die Verteidigungslinie des gesamten Finanzplatzes Schweiz zusammengebrochen ist. Sie war auf der Lüge aufgebaut, dass Beihilfe zu Steuerhinterziehung niemals sein Geschäftsprinzip gewesen sei, und wer das Gegenteil behaupte, sei ein «Verräter». Inzwischen soll laut «SonntagsZeitung» die Credit Suisse ein Schuldeingeständnis unterzeichnen, dass sie ein «kriminelles Unternehmen» sei.
Ockhams Rasiermesser
Anfang des 13. Jahrhunderts entwickelte der englische Theologe und Philosoph Wilhelm von Ockham eine feine Erkenntnistheorie. Um die Lösung für ein Problem zu finden, muss man von möglichst wenig Hypothesen ausgehen, die daraus entwickelte einfachste Theorie ist die richtige.
Das stimmt noch heute. Wenn mehr als hundert Schweizer Banken teilweise existenzgefährdende Milliardenbussen zahlen müssen, dann hat ihre gesamte Führungsriege fundamental versagt. Die besteht bei Aktiengesellschaften aus der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat. Es kann nicht darum gehen, ob eventuell ein Mitglied der GL zum Sündenbock gemacht wird, allenfalls der CEO oder gar der VR-Präsident gehen müssen. Nein, alle müssen zurücktreten. Ausnahmslos.
Sinnloses Gewinsel
Natürlich wollen diese Bonibanker nicht freiwillig von den Futtertrögen lassen, wo sie für Milliardenschäden Millionen scheffeln. Menschlich verständlich, aber sie sind allesamt Angestellte, keine Besitzer ihrer Finanzinstitute. Also können sie problemlos entlassen werden.
Natürlich erhöben sie grosses Gezeter, das wäre der Weltuntergang, die Banken seien führungslos, Chaos bräche aus, undenkbar. Aber das ist nur dummes Gequatsche. Die meisten dieser Banken haben jahrelange Misswirtschaft ihrer Führungscrew überstanden, die sind stabil genug, deren Abgang auch zu überleben.
Insgesamt ginge es um nicht mehr als 2000 vakante Posten, wenn man davon ausgeht, dass diese Banken im Schnitt 10 GL-Mitglieder und 10 Verwaltungsräte durchfüttern. Bei den Entlassungswellen in den letzten Jahren wäre es überhaupt kein Problem, für jede Position aus genügend qualifizierten Bewerbern auszuwählen. Noch besser: Wenn die amtierenden Versager im Schnitt 1 Million Franken im Jahr verdienen, spart man auf einen Schlag 2 Milliarden Franken ein. Und da ja nichts Besseres, nur Billigeres nachkommen sollte, so etwa mit einem Zehntel der aktuellen Üppiglöhne bezahlt, hätte man die Busse alleine für die CS bereits eingespart. Ein Banker würde da von einer Win-Win-Situation sprechen.
Warum nicht?
Endlich einmal würde Verantwortung übernommen, womit die unsäglichen Millionengehälter ja begründet werden. Zehntausende von immer noch existierenden aufrechten Bankangestellten könnten aufatmen, müssten sich an der Front von den Kunden nicht mehr völlig berechtigte Beschwerden über das unsägliche Versagen der Bankenführer anhören, könnten mit neuem Elan und hochmotiviert ihre Arbeit fortsetzen. Und genug zu tun bekämen sie, man stelle sich nur den Neugeldzufluss aus aller Welt vor, wenn der Finanzplatz Schweiz ein solches Fanal setzen würde.
Während weltweit noch kein einziger Bankenlenker bislang persönlich und finanziell Verantwortung für sein Versagen übernehmen musste, würde die Schweiz zeigen, dass es ganz im Sinne von grosser Tradition, Treu und Glauben, Anstand und Behaftbarkeit auch anders geht. Wurde im Kleinen von einer Privatbank schon durchexerziert, wieso sollte das im Grossen nicht auch gehen. Die Tresore der überlebenden Banken würden platzen. Das wäre der Neustart, die Globallösung, das einzig Richtige. Also warum nicht?
Unrealistisch?
Der Ansatz sei richtig, aber der Plan zu gross, unrealistisch, unmöglich, unverwirklichbar? Warum eigentlich? Was sind denn die Alternativen? Weiterwursteln, zuschauen, wie der Finanzplatz Schweiz von den USA, anschliessend von Deutschland, Italien, Frankreich, Indien, Brasilien, China, Russland und so weiter zu Kleinholz verarbeitet wird, bis bei vielen Banken das Eigenkapital durch Bussenzahlungen aufgezehrt ist. Allenfalls sogar mit eidgenössischer oder kantonaler Nothilfe den Steuerzahler bluten lassen. Das ist die einzig realistische Alternative, wenn hier nicht Tabula rasa gemacht wird.
Schon 1638 erkannte der zu Unrecht vergessene deutsche Epigrammatiker Friedrich von Logau: «In Gefahr und grosser Not bringt der Mittelweg den Tod.» Da hat er bis heute Recht. Hier ist für einmal die Gutschweizer Kompromisssucht fehl am Platz. Keine halbe Sachen, es kann nicht darum gehen, ob der VR-Präsident nur den CEO opfert oder ob beide gehen müssen. Nur ein kollektiver Rücktritt aller Verantwortungsträger ist die Lösung. Wem das unrealistisch erscheint, sollte sich die einfache Frage stellen: warum denn nicht?