Siehe auch: Den Chefredaktor, den es nicht gibt
Von Dante Andrea Franzetti
Professor Christoph Sünneli fühlt sich verraten. Roger Rightwing fallen nur laue Verschwörungstheorien ein. Doch einer hat die Lösung zu Sünnelis Rettung: Dark Vader. Er kauft das Medizinhistorische Institut mitsamt Totentanzprofessort.
Für Christoph Sünneli war die Ambiance neu, doch Roger Rightwing kannte sie: Die hohen Fenster des Rittersaals waren offen, „zur Abhärtung“ (Dark Vader), im Durchzug klirrten Rüstungen, zwei Raben drehten an der Decke ihre Runden, die Stimmen hallten, wenn man über den zehn Meter langen Tisch hinweg zu Dark Vader sprach, der in schwarzem Umhang mit einem schwarzen Lächeln auf dem Stuhl sass und sich Maienfelder Beerli einschenkte.
Das Hellrot des Weins war die einzige Farbe, sonst starrte der Saal den bleichen Christoph Sünneli und den ernst dreinblickenden Roger Rightwing als Schwarzweissfilm an. Schloss Grätsch, Dark Vaders Residenz, Sonderrapport zur Causa Sünneli versus Universität (linkes Gesocks).
Rightwing nippt am Grüntee, Sünneli saugt mit dem Strohhalm Coca Cola gegen seine Anämie, Dark Vader füllt Becher um Becher aus der Karaffe und stürzte den Maienfelder Beerli wie Wasser herunter, so dass sich vom Mundwinkel zum Kinn ein rotes Rinnsal bildet. Er sieht aus wie Dracula und blickt auch so drein.
„Ich bin ziemlich verärgert“, schreit er die beiden Pfadfinder am Tischende an und haut mit seiner Pranke auf den Tisch. „Sehr verärgert.“
Sünneli hebt zu seiner Verteidigung an. Der graue Anzug von der Stange flattert im Wind: „Die Universitätsleitung, das sind verkappte Kommunisten, die einfach einen brillanten rechten Historiker und Politiker wegmobben wollen. Ich werde öffentlich vorgeführt und fertiggemacht. Die Haschischfresser und Althippies von der Uni haben mich zur medialen Abschlachtung freigegeben. Man will mich, man will die ganze Partei zähmen und wie die Indianer in ein Reservat stecken. Weil ich mit der Partei durchmarschiert bin, habe ich viele Frustrierte und Besiegte am Wegrand zurückgelassen: Hallotri-Liberale, Grüne Haschischgeteerte, Salonlesben, Sozisocken, Turbanlinke, Scheinheteros … Man zahlt mir, man zahlt der Partei den Erfolg heim. Ich brauche Schutz, Dark Vader.“
Vom anderen Ende des Tisches hallt es nur: „So, so.“
Roger wirft ein: „Gott schütze Dich. Wir haben schon eine Kampagne: 'Linkes Intrigantenstadl an der Uni' …"
Dark Vader brüllt, so dass seine Stimme von Saalecke zu Saalecke hallt, rund um den Rüstungssaal wirbelt wie eine Windhose. Rightwings und Sünnelis Frisuren sind ganz verwuschelt. „Halts Maul, Roger, zu dir und deinem Käsblatt komme ich noch. Und jetzt zu dir, Sünneli. Wieviele Stunden arbeitest du am Tag?“
Sünneli ist ganz verdattert, er zittert, stottert: „Fünfzehn, warum?“
„Ha! Ich habe, seit ich vier Jahre alt bin, jeden Tag zwanzig Stunden gearbeitet, nur am Sonntag, da waren es achtzehn, weil zwei dem Herrn gehören. Fünfzehn Stunden, das Bubi. Wenn du zwanzig Stunden arbeitest, findet du doch sechs Stunden Zeit, um deinen Arsch in dieses Medizinhistorische Museum zu bewegen, dort die Mumien abzustauben und die Flüssigkeit in diesem Aquarium für Wasserleichen zu wechseln. Und eine verdammte Vorlesung kannst du da auch schreiben. Über den Totentanz der Linken vor unserer Helvetia, die auf dem letzten Loch pfeift, zum Beispiel. Dann hast du noch vierzehn Stunden Zeit für die Partei, das Parlament, Tele Schnuri, Radio Larifari und wo du sonst noch auftrittst, oder?“
„Ja, schon, aber die Sendezeiten von Tele Schnuri decken sich mit den Vorlesungszeiten, und wie viel Zeit allein für die Schminke vergeht. Das passt alles nicht unter einen Hut: Die Sitzungen im Anti-Antirassismus-Komitee. Die Verwaltung der knappen Million, die ich für meine Publikationen von der Pharmaindustrie erhalten habe. Die Vorstandsarbeit in der Stiftung 'Ein Herz für Reiche'. Die Fraktionssitzungen mit Toni und Goni. Der Rüttelabend mit der Studentenvereinigung 'Papageienschaukel'. Meine humoristischen Auftritte bei Giaccobo als Plantagen-Neger …“
„Wüähh. Wüähh. Wüähh“, hören die beiden Pfadfinder Dark Vader laut schluchzen. Genauso ironisch schluchzte Don Corleone, als Schnulzensänger Toni ihm vorjammerte, Regisseur Walsh wolle ihm keine Starrolle im neuen Film geben. Nur ist leider Dark Vader nicht Vito Corleone. Regisseur Walsh legten sie den Kopf seines Lieblingshengstes ins Bett, und Toni hatte die Starrolle im Film. Sünnelis Chef züchtet Rosen, und so eine abgeschnittene Rose im Bett blutet nicht und bewirkt nichts und rettet dem als faulen Sack inkriminierten Sünneli die Stelle nicht.
„Wüähh. Wüähh. Wüähh“, hallt es, nun schon nicht mehr wie eine Windhose, sondern wie ein Tornado im Rüstungssaal, und verwuschelt sind jetzt sogar die Rüstungen.
“Also, hör zu, du Weichei. Ich hab dein Problem gelöst. Und eine Story für Roger habe ich auch. Dein Blatt, übrigens, wird immer lausiger. Die Kampagne über das Uni-Intrigantenstadl führt nirgends hin ausser ins Selbstmitleid. Zur Abschlachtung freigegeben! Vom Feind umzingelt! Wir müssen uns nicht vor dem Feind verkriechen, wir müssen ANGREIFEN! ANGREIFEN!! Das will ich in deinem Blatt sehen. Deine kleine blaue Zeitschrift ist eine Weichsinnigen-Postille geworden. Dafür schalte ich nicht mehr lange Inserate für 800’000 Eier jährlich. Wenn ich in Pension bin, komme mal ich in deiner Redaktion in Downtown Zürich vorbei und zeige dir, wie man aus der Hüfte schiesst.”
Rightwing steht auf und verneigt sich: “Ja, Dark Vader. Danke, Dark Vader.”
“Und ich?” Das war Sünneli.
“Du bleibst auf deinem Posten. Ich habe mit den Herren von der Uni geredet. Sie haben schnell eingewilligt. Ich habe das Institut gekauft, mitsamt Mumien, Wasserleichen, rostigen Gebärzangen, mittelalterlichen Friedhofsschaufeln und dem Totentanzexperten, Professor Doktor Sünneli. Hat mich vier Millionen gekostet. Nun hast du was zu schreiben, Roger. Segnungen der Privatisierung. Mir macht das sogar Spass auf meine alten Tage. Hört sich doch gut an: Dark Vaders Skelett- und Wasserleichensammlung.”
Sünneli verneigt sich, nun kommt ihm aber doch ein Zweifel: “Und die Anstellungsbedingungen, ich habe von der Uni 104’000 Franken bekommen,”
“Hm, ja, das wird sich ändern. Staub wischen, Wasser umleeren, bisschen was abschreiben, andere Professoren einladen, die für dich die Vorlesung halten. Die Hälfe tut’s auch, das Medizinhistorische Institut ist kein Staatsbetrieb mehr: 52’000. Dafür bist du mir aber sechs Stunden da, ich mache Überraschungsbesuche. So, das wars. Ihr könnt gehen.”
Da breitet sich der schwarze Mantel aus, der Wind fegt wie im Sturm durch den Saal, Dark Vader schliesst sich den beiden Krähen an und fliegt aus dem Fenster davon.
Roger Rightwing seufzt erleichtert: “Noch mal gut gegangen.”
Christoph Sünneli schnauzt ihn an: “52’000, das ist der Lohn eines Taxifahrers. Hast du mal am HB die Taxifahrer angeguckt? Bimbos. Pakistani. 4300 Brutto im Monat. Soviel bin ich ihm wert. Soviel wie einer dieser Turban-Taxifahrer.”
“Das ist der freie Markt, den wir verteidigen, Christoph.”
Warte nur, denkt Sünneli. Bald wird deine kleine blaue Zeitung auch halbiert.
Und so geschah es kurz darauf, doch das ist eine andere Geschichte.