Als Phrasendrescher war er schon lange in Verdacht. Nun erweist sich Karl Theodor zu Guttenberg auch als ein Falschspieler. Die Klarheit dieser Aussage ist nötig, damit die Diskussion nicht mehr lange auf Nebenpunkten haften bleibt. Von subalterner Bedeutung ist nämlich, dass hier einer entweder die Quellen seiner Doktorarbeit nicht bezeichnet oder sie durch einen andern hat schreiben lassen oder gleich beides zusammen.
Hingegen von langfristigem Interesse und politischer Relevanz sind die Mechanismen der Machterhaltung, die Guttenberg nun in Gang gesetzt hat. Elemente davon: Guttenberg adressiert sich nicht an die kritische Öffentlichkeit und lässt sich nicht auf einen Diskurs über die Entstehungsgeschichte „seines“ Werkes ein. Seine Methode ist die Zuhilfenahme des Boulevardjournalismus, ein Geschäft auf gegenseitigen Gewinn.
Die Mär von Neid und Missgunst
Guttenberg spielt Glamour. Und dort lässt man ihn gleichzeitig seine beiden Karten spielen. Die Baron-Karte und die Opfer-von-bösen-Kräften-Karte. Sicher kennt er Mephisto. Ist Guttenberg eine Memme? Der Mann lässt sich vorzugsweise von unten und – Helm auf – in Militärflugzeugen ablichten. Wer sich eine solche Ikonographie zurechtschneidert, sollte sich die Opferrolle versagen.
Statt seine Kritiker zu stellen, lässt er die Mär von Neid und Missgunst in Umlauf bringen. Das zeugt nicht bloss von Schwäche. Es ist die unziemliche Inanspruchnahme des Mitgefühls anderer. Verzeihen kann zu einem kollektiven Wunsche werden. Guttenberg ist schamlos, indem er das mit Trauermiene ausnützt.
Denn alle wissen, dass alle Fehler machen. Urteilsmassstab sollte ganz massgeblich die Art und Weise ihrer Bewältigung sein. Und? Guttenberg macht nicht reinen Tisch. Er langweilt einen mit Salamitaktik. Deren Stationen waren vorhersehbar: „Die Vorwürfe sind absurd.“. „Wer will Fehler ausschliessen, angesichts von 475 Seiten und 1200 Fussnoten“ „Es hat einige Fehler.“ „Ich selber habe gestaunt über diese Fehler.“ „Am Wochenende sind mir einige aufgefallen.“
Und schliesslich das Bauernopfer: „Ich verzichte auf den Doktortitel.“ Fehlt noch, dass er der Universität Bayreuth vorwirft, ihm überhaupt einen Titel zugesprochen zu haben. Nein, Guttenberg ist kein Ehrenmann. Nicht nur der ursprünglichen Missetat, sondern mehr noch seines Verhaltens wegen, nachdem das Falschspiel bekannt geworden ist.
Auf Zeit spielen
Und erst das (vorläufige) Finale! „Ich entschuldige mich von Herzen bei allen, die ich verletzt habe.“ Von Herzen! Und gleich darauf wurstbrummelt er etwas von wegen „Demut“. Guttenberg begeht Wortmissbrauch. Die Ekelgrenze wird sichtbar. Über allem liegt der Versuch, auf Zeit zu spielen. So rasch sich Empörung generiert, so schnell verfliegt sie.
Dabei sehen wir „Guttenberg“ als persona pro toto, als ein Typus des Politikers. Macht ist ihm das Leben, und so geht Machterhaltung über alles. Das Verhalten wider das eigene Ehrenwort mithin nicht als Anlass, einen Fehler zu erkennen, sondern die Chance, politisch gestärkt daraus hervorzugehen.
Sarkozy, Berlusconi usw. lässt grüssen
Der Politiker von der Art Guttenbergs überlebt fast immer. Und er macht sich mit dem psychologischen Effekt des Überlebens wider Erwarten noch unangreifbarer. Jeder Gerichtsschreiber würde entlassen. Die rechtsgleiche Behandlung, unabdingbare Qualität des aufgeklärten Staates, wird mit Füssen getreten. Dies nämlich ist der immer häufiger hörbare Warnschuss an gewöhnliche Leute: „Wir sind anders als ihr, weil immun.“
Und so tönt es folgerichtig aus der Parteizentrale: “Wir verzichten nicht auf diesen Wahlkämpfer.“ Sarkozy, Berlusconi usw. lassen grüssen. Und so endet Guttenberg selber als Plagiat. Wenigstens C-Parteien sollten hier Massstäbe setzen.