Pädagogen, Linguisten, Journalisten, TV- und Radiomoderatoren, Redner aller Schattierungen und Durchschnittsbürger kümmern sich um die Sprache, pflegen und malträtieren sie. Manchmal greifen auch Politiker in enger Zusammenarbeit mit Sprachpuristen ein.
In Frankreich zumal, wo es nach eigener Einschätzung die schönste Sprache zu verteidigen und reinzuhalten gilt. Frankreich freilich ist keine Ausnahme. Auch im deutschen Sprachraum war und ist Ähnliches festzustellen. Ein Wunder, dass die Erhaltung der Schweizer Dialekte, je lupenreiner desto besser, noch nicht von der SVP – und warum nicht zur Abwechslung von der SP als Agenda-Setterin –als Wahlkampfthema für den Hebst 2011 entdeckt worden ist.
Unterdessen hat die Welle der Sprachpurifizierung auch das Reich der Mitte erreicht. Schliesslich ist ja das Chinesische, wie jeder kultivierte Mensch weiss, noch schöner und kulturell hochstehender als das Französische.
Reden halb China schon Chinglish?
Die beamteten Sprach-Mandarine haben im Zuge der Wirtschaftsreform und der Öffnung nach Aussen einen rasant zunehmenden Mischmasch aus Schriftzeichen, ausländischen Abkürzungen und lautähnlichen Umschreibungen festgestellt. Die Situation ist derart gravierend, dass man meinen könnte, halb China rede bereits Chinglish. Doch das ist – um im Jargon der chinesischen Propaganda zu bleiben – ein übles, mit Absicht und politischen Hintergedanken verbreitetes Gerücht. In der Tat, der englische Wortschatz von Taxichauffeuren in den vermeintlich so internationalen Megastädten Peking und Shanghai beschränkt sich auf „Money, Money – quick, quick!!“.
Dennoch, die Situation fordert nach Ansicht der allmächtigen Kommunistischen Partei „Massnahmen“. Gedacht, gesagt, getan. Das für Zensur zuständige Presse- und Publikationsamt in Peking verbietet „unreflektierte Übernahme fremdsprachlicher Begriffe“.
Ziel des Verbots sind Anglizismen und Akronyme. Zum Beispiel CEO (Neudeutsch: CEO, Standartdeutsch: Firmenchef oder Generaldirektor), GDP (Brutto-Inlandprodukt) oder CPI (Index der Verbraucherpreise), G8, G20, WHO (Weltgesundheitsorganisation) und dergleichen. Fortan dürfen solche Abkürzungen nur noch gebraucht werden, wenn sie ausgedeutscht, pardon auf Chinesisch übersetzt werden.
Beschädigte "Reinheit des Chinesischen
Journalisten und Webredaktoren heulten bei Bekannwerden des Verbots auf. Allerdings bringt man selbst als Journalist für den Übersetzungs-Befehl der Zensoren fast so etwas wie Verständnis auf, wenn in einer chinesischen Zeitung gross und fett getitelt wird: „CPI po wu“ (5%-Marke des CPI, des Index der Verbraucherpreise überschritten). Auch andere Wörter sind mittlerweile Bestandteil des Chinesischen wie iPhone, iPad oder WTO (Welthandelsorganisation), IBM oder ABB.
Lautmalerisch übernehmen vor allem junge Chinesinnen und Chinesen in den Grossstädten des reichen Küstengürtels Ausdrücke wie ku-er (cool), Shafa (Sofa), oder für meine Ohren besonders schön La-te (Caffe Latte). Xü-pin (Neudeutsch: Shopping) andrerseits ist besonders interessant, weil die verwendeten Schriftzeichen Xü für Blut und pin für rücksichtsloser Kampf steht. Ein fürwahr schönes, adäquates Bild.
Kein Wunder, dass Experten zur „Verteidigung unserer Sprache Hanyu (Chinesisch) gegen Überfremdung“ aufrufen. Das Presse- und Publikationsamt stellt als Zensurbehörde abschliessend fest: „Die Übernahme fremder Wörter schadet der Ordnung und der Reinheit des Chinesischen und seinem harmonisch sprachkulturellen Umfeld“. Capito?
Ja sicher. Die Parole kann deshalb nur heissen: VON CHINA LERNEN! Ausdrücke wie Whistleblower, die in der Schweiz ganz selbstverständlich bis in die Spalten sogenannter Qualitätszeitungen Einzug gehalten haben, wären in China längst verboten. Aus sprachlichen Gründen, wohlverstanden. Im immer schneller werdenden, digital vernetzten Weltdorf sollte man sich wieder auf alte Tugenden besinnen. Finde ich. Wie wär’s beispielshalber mit der einfachen Feststellung: zuerst denken, dann schreiben oder reden?