Als Naftali Bennett am 13. Juni 2021 als neuer Ministerpräsident Israels bestätigt wurde, da schien die Hoffnung nicht weniger Israelis in Erfüllung zu gehen, dass die Regierungszeit von Vorgänger Benjamin Netanjahu endlich zu Ende sei.
Insgesamt 25 Jahre lang – mit einer Unterbrechung – hatte dieser das Land auf nationalistischem Kurs geführt und ein Ende war lange nicht abzusehen. Selbst wenn Netanjahus Stellung sich in den letzten Wahlen seiner Amtszeit nicht gerade verbessert hatte: Insgesamt vier Wahlen innerhalb von knapp zwei Jahren hatten dem von ihm geführten rechten «Likud» nicht die von «Bibi» (so Netanjahus Spitzname) erhoffte grosse Mehrheit in der 120 Sitze umfassenden Knesset gebracht. Und es zeichnete sich ab, dass bald ein fünfter Urnengang würde folgen müssen.
Anklagen wegen Korruption
Bis zu besagtem 13. Juni 2021: Naftali Bennett, lange Zeit ein enger Vertrauter Netanjahus, und der liberale Journalist und ehemalige Minister Jair Lapid brachten eine Koalition aus acht Parteien der unterschiedlichsten Couleur zustande: Liberale ebenso wie Rechte, die sich mit Netanjahu überworfen hatten, Sozialdemokraten und sogar eine islamistische Partei palästinensischer Israelis – ein Novum in der politischen Geschichte des Landes.
Insgesamt war das Ergebnis äusserst knapp: 60 Mandate auf Seiten der neuen Regierung, für die rechte Opposition stimmten nur 59 Abgeordnete. Die Würfel waren gefallen: Netanjahu musste die ungeliebte Rolle der Oppositionsführung übernehmen. Wobei diese Opposition auch nicht homogen war und ist. Denn die Kritik an Netanjahu aus den eigenen Reihen war inzwischen doch um einiges angewachsen. Besonders, weil «Bibi» inzwischen begonnen hatte, sich gerichtlich gegen mehrere Anklagen wegen Korruption zu verteidigen, in deren Zusammenhang immer wieder neue Beispiele für das nicht gerade lupenreine Verhalten des unterlegenen Regierungschefs publik wurden.
Umstrittene Regeln
Probleme gab es allerdings auch auf Seiten der neuen Regierungskoalition. Schon allein wegen der sehr unterschiedlichen Ausrichtung der verschiedenen Koalitionsparteien. Und da ganz besonders in letzter Zeit das Verhalten und die Zuverlässigkeit arabischer Mitglieder. Nicht nur der erwähnten arabischen Partei, sondern zum Beispiel auch die Unschlüssigkeit einer palästinensischen Abgeordneten einer linksliberalen Partei, die drohte, die Koalition im Protest gegen das Verhalten der Regierung in diversen Krisenfällen zu verlassen. Aussenminister Jair Lapid konnte dies zwar gerade noch verhindern, ihm und Regierungschef Bennett wurde aber mehr als bewusst, dass sie zwar weiterhin stolz sein können, die Machtposition Netanjahus von einst erheblich beschädigt zu haben. Gleichzeitig aber wurde ihnen von Tag zu Tag klarer, dass immer wieder mit neuen Unzufriedenen zu rechnen sein dürfte und dies die Handlungsfreiheit der Regierung doch erheblich behindern dürfte.
Ein Beispiel hierfür war der Plan der Regierung, die mit dem Sechstagekrieg (1967) im Westjordanland eingeführten juristischen Regelungen erneut bestätigen zu lassen. Darin ist unter anderem festgelegt, dass Israelis, die in diesen Gebieten leben (also in erster Linie jüdische Siedler), israelischem Gesetz unterliegen, während die einheimischen Palästinenser dort unter die Jurisdiktion der israelischen Militärverwaltung fallen. Diese Regeln sind nicht unumstritten – zumal sie ja offen bestätigen, dass das Westjordanland eben doch «besetztes Gebiet» ist und nicht – wie es das Oslo-Abkommen glauben machen wollte – ein autonomes Gebiet auf dem Weg zu einer Selbständigkeit. Wann immer diese auch kommen möge.
Überraschungen möglich
Solche Punkte führten in der Regierung Bennett natürlich weiter zu Bedenken, die die geplante Zukunft der Regierung gefährden könnten. Wahrscheinlich liegen hierin die Gründe für die plötzliche Entscheidung Bennetts und Laids, nun doch Neuwahlen zuzustimmen. Nicht sofort zwar, sondern mit einer Übergangsphase: Ursprünglich hatten die beiden Politiker vereinbart, dass Lapid Bennett Mitte 2023 als Regierungschef ablösen solle. Solche Rotation hat es in der Geschichte des Staates wiederholt gegeben, deswegen gab es zunächst wohl auch kein Misstrauen der gegenwärtigen Opposition. Zumal Bennett erklärt hatte, er werde sich wohl aus der Politik zurückziehen und Lapid werde als Übergangspremier die Regierungsführung zusätzlich zum Aussenministerium übernehmen.
Dieser «Trick» hätte unter anderem weitgehend sichergestellt, dass Lapid die (offenbar für den 25. Oktober) angedachten Neuwahlen (den fünften in drei Jahren) unbeschadet übersteht oder Neuwahlen vielleicht sogar unnötig werden: Ein Übergangspremier muss nämlich nicht unbedingt für Wahlen den Weg freimachen.
Welche Variante zur Anwendung kommt, ist noch offen, es könnte auch noch Überraschungen geben. Und das wäre schliesslich nicht das erste Mal …