Zumindest in monetärer Hinsicht erweist sich «teuer» als relativ. Anderseits: Wie finde ich aus den 439’670 unter dem Suchbegriff «Ratgeber» aufgelisteten Büchern jenes richtige, das mich aus der momentanen Krise oder dem aktuellen Problem, welcher Art auch immer sie sein mögen, zuverlässig mit den besten Tipps befreit? Da ist guter Rat eben doch teuer – und Suchen angesagt.
Lebenshilfe mit markigem Titel
Seit uns in Zeiten des heutigen Wohlstands existenzielle Fragen wie «Wo finde ich zu essen?» oder «Wie überwintere ich im Freien?» nicht mehr umtreiben, können wir uns getrost unserem inneren Selbst und dessen Wohlergehen widmen. «Lebenshilfe» ist das Zauberwort. Die lassen wir uns tatsächlich etwas kosten, was wiederum jenen einen lukrativen, boomenden Markt eröffnet, die von sich auf andere schliessen und die eigenen Erfahrungen als exemplarisch in Form von Ratgeberbüchern unters Volk bringen.
Um es vorweg zu nehmen: Zweifelsohne finden sich unter den Hunderttausenden von Büchern der Marke «Ich weiss, wie es geht» auch solche, deren Lektüre einen Erkenntnisgewinn für die zahlende Leserschaft bringt. Bei der Mehrheit aber lassen allein schon die Titel den Verdacht zu, dass der Kaufpreis und der besagte angestrebte Erkenntnisgewinn in einem argen Missverhältnis zueinander stehen.
So etwa, wenn auf dem Buchcover die Worte prangen: «Am Arsch vorbei geht auch ein Weg. Wie sich dein Leben verbessert, wenn du dich endlich locker machst.» Abgesehen davon, dass ich derbe Worte nicht mag: Will mir die Autorin sagen, ich solle lockeren A*sches an meinen Problemen vorbeimarschieren, statt sie zu lösen? Alternativ dazu eine andere Ratgeber-Überschrift: «Der Weg zum Glück ist ausgeschildert». Könnte es sein, dass auf dem Wegweiser «Am A*sch vorbei» steht?
Toptreffer der merkwürdigen Art
Meine Suche gestaltet sich immer abenteuerlicher. Unter dem Suchbegriff «Ratgeber Sexualität» leuchtet als erster Treffer der Titel «Mein Schreibaby verstehen und begleiten» auf, als nächstes «Ratgeber Depression» und dann «Je älter man wird, desto merkwürdiger werden die anderen. Der ultimative Ratgeber». Ultimativ merkwürdig scheinen mir diese Suchresultate in der Tat, es sei denn, mit dem Schreibaby sei mein Liebster gemeint oder man rate mir, das Geheul des Säuglings mit Lustschreien zu begleiten, um nicht in eine Depression zu verfallen.
Ein schier grenzenlos scheinendes Feld öffnet sich beim Stöbern nach Ratgeberliteratur im Bereich der Medizin. Zwar irritiert auch hier ein Top-Treffer mit dem Titel «Die Waffen des Mannes». Der Untertitel zerstreut erste Befürchtungen: Nein, der Autor kann nicht der Twitterer aus Übersee sein. Denn die Zusatzzeile lautet «Mehr Erfolg als schöner und attraktiver Mann». Zudem umfasst das Werk 66 Seiten, und so viel Platz bietet ein Tweet nicht. Vielversprechend hingegen der «Haarausfall Ratgeber – Massnahmen bei Haarverlust». Kombiniert gelesen mit «Kochen ist die beste Medizin» wird kein Haar je wieder meine Suppe, mit der ich meine Selbstheilungskräfte mobilisiere, trüben.
Wie kremple ich mein Kind um
Zwei weitere erhellende Beispiele aus der Fülle an Elternratgebern: Bestimmt empfehlenswert ist das Buch «Die Trotzphase gibt es nicht! Ein Elternratgeber zum Trotz» für jene Momente, wenn sich der Dreijährige im Supermarkt brüllend zu Boden schmeisst, weil das XXL-Megapack Gummibärli im Regal auf seiner Augenhöhe nicht in den Einkaufswagen wandern darf. Ins Auge springt mir auch der Titel «Verwandeln Sie Ihr Kind in 5 Tagen». Ja, in was denn? In ein Lamm, einen Engel, ein Wunder auf zwei Beinen? Der Untertitel klärt auf: «Wie Sie die Ansichten, das Benehmen und den Charakter Ihres Kindes in fünf Tagen ändern».
Scheint ein Kinderspiel zu sein, sofern Sie als Eltern dazu kommen, in fünf Tagen 300 Seiten zu lesen. Die Neuauflage erscheint übrigens unter dem politisch-militärisch anmutenden Titel «Die Rebellen bändigen. Mit Strategie in die Kindererziehung». Klingt für mich eher nach Dreissigjährigem Krieg als nach fünftägigem Erziehungsspaziergang.
Verrat am guten Rat
Besonders fasziniert bei meiner Suche haben mich schliesslich zwei Fundstücke. «Denken Sie negativ, unterdrücken Sie Ihren Ärger und geben Sie anderen die Schuld – warum Sie auf Lebenshilfe-Ratgeber verzichten können» titelt der eine Autor, «Glücklich werden ohne Ratgeber – ein Ratgeber» der andere. Ich scheine da auf zwei Rat gebende Verräter ihrer eigenen Zunft gestossen zu sein. Auf zwei, die sozusagen am Ast sägen, auf dem sie sitzen.
Soll ich, bevor ich mich in weitere Unkosten stürze, am besten diese Bücher kaufen? Wenn Sie mich diesbezüglich beraten können, lassen Sie es mich bitte wissen. Oder besser: Schreiben Sie gleich auch einen Ratgeber. Es könnte ja ein Bestseller werden.