Der Ältere der beiden grossen Basler Meister mit internationaler Ausstrahlung, -der Jüngere war Holbein - galt lange als grosser Unbekannter, doch fast jeder hat eine oder mehrere seiner Altartafeln und Wandmalereien, oder Reproduktionen davon, schon einmal gesehen: Seinen Totentanz im Kloster der Predigerkirche, Fragmente seiner Wandmalerei im Chor der St. Leonhardskirche, beides in Basel, den ‚Wunderbaren Fischzug Petri’ oder Teile des ‚Heilsspiegelaltars’, auch für die Leonhardskirche.
Konrad Witz Kunst ist auch in späteren Meistern sichtbar, hat er doch auf die Künstlergeneration nach ihm stark gewirkt, nicht nur auf den Maler der Fresken in der Tüllinger Kirche, sondern über den Raum Basel hinaus bis nach Savoyen.
Seine grossen Neuerungen in der Malerei stehen im Zusammenhang mit den damaligen neuen Tendenzen in der altniederländischen Malerei. Witz muss den Genter Altar der Brüder Jan und Hubert van Eyck gesehen haben und dieses Erlebnis muss seinen spezifischen Stil geprägt haben.
Zum Beispiel seine akribisch genaue Beobachtungsgabe: Im ‚Der wunderbare Fischzug Petri’ von 1444 zeigt er Luftbläschen im Wasser, die Bugwelle des Bootes der Apostel, die Lichtbrechungen im Wasser, die Schattenwürfe und den Weitblick in die Alpen mit Kumuluswolke.
Der See Genezareth wurde in die Kulisse der Genferseelandschaft gesetzt. Witz hat hier nebenbei die wahrscheinlich erste Landschaftsdarstellung der Kunstgeschichte geschaffen.
Auch in anderen bereichen ist Witz neuartig realistisch. Bei seinen Figuren spürt man die Körper unter den steifen Prunkgewändern, deren Stoffe aber so sorgfältig bildlich gestaltet sind, dass ihre Struktur und Oberfläche sinnlich erlebbar werden.
Auch sind seine Figuren dreidimensional und zeigen differenzierte Gestik, mit fast japanischer Grazie und Intensität. Sie sind sensibel agierend, doch mit alttestamentarischer Feierlichkeit. Auch Stadttore sind für ihn nicht nur Prachtbauten, sie bekommen Risse im Putz und Spinnennetze. Auch das ‚Trompe l’oeil’ wird von ihm gebraucht und bei Alltagsszenen eingesetzt, wie Bürgern, die von einem Balkon einer Prozession zuschauen. Auch dies ein Witzmerkmal: Die Sakralen Sujets werden mit Alltagszenen durchsetzt.
Konrad Witz Bilder lohnen die Zeit sie langsam und im Detail zu studieren. "Conradus Sapientis", so sein latinisierter Name, zügelte 1434 nach Basel und wurde hier in die Zunft zum Himmel aufgenommen, die Malerzunft, was ihm bereits einen gewissen Status verlieh. Er kaufte ein Haus und bekam am 10.1. 1435 das Basler Bürgerrecht. Nach Basel war er wegen des Konzils gekommen, das aus der Stadt während seiner Dauer die grosse Kulturmetropole weltweit machte.
Die anwesenden kirchlichen Würdenträger und ihre Referate und Diskussionen brachten nicht nur die heimische Papierindustrie in Schwung, sie bildeten auch den damals wichtigsten Marktplatz für Kunstaufträge. Von denen profitierte damals Witz und heute wir.
Die letzte Ausstellung von Konrad Witz war 1936, auch in Basel. Nun wird es wohl keine mehr geben, meinte Kurator Bodo Brinkmann, sicher nicht an einem andern Ort, da die Objekte zu fragil zum Reisen sind. Ein Glück, dass Basel viele seiner Werke besitzt.
ANHANG
Basel und seine privaten Sammler
Basel hat die grösste Sammlung der Werke Konrad Witz dank privater Sammler. 1808 hatten bei einer Auktion mehrere Basler Sammler Tafeln des Altars ersteigert, die dann schriftweise in den öffentlichen Besitz kamen. Diese Tradition wird in Basel weiter geführt. Besonders eindrücklich 1967.
Der Baseler Chemie-Industrielle Rudolf Staechelin (1881 bis 1946) hatte seit 1917 eine bedeutende Impressionisten- und Nachimpressionistenkollektion erworben. Er kaufte auch Picassos "Zwei Brüder" von 1905 (Blaue Periode). Den 1923 gemalten "L’arlequin assis" (Picassos rosa Periode) schaffte er 1924 an. Der "Spiegel" schrieb am 27.11.1967: "Um seine mittlerweile auf etwa 200 Bilder angewachsene Sammlung auch für Krisenzeiten zu sichern, brachte der Kunstfreund und umsichtige Kaufmann die Kollektion 1931 in eine Familienstiftung ein. Nach seinem Tode gingen 27 Renommier-Stücke als Leihgaben in das Baseler Museum, dem er als ehrenamtlicher Kassenwart gedient hatte. Der Zuwachs hob Basels öffentliche Sammlung auf Welt-Niveau. Für den damaligen Museumsdirektor Georg Schmidt war die Staechelin-Gabe 'mit einem Schlage die Erfüllung dessen', was seine Vorgänger 'vergeblich geträumt' hatten -- und ein scheinbar sicherer Besitz. Denn nur wenn ein Staechelin in Not geriete, hatte der Stifter verfügt, dürften Bilder verkauft werden."
Dieses geschah im Frühjahr 1967. Der verhängnisvolle Flugzeugsabsturzes einer Maschine seiner Charterfluglinie Globair brachte den Nachkommen Peter G. Staechelin in finanzielle Bedrängnis, da er sich neben des Schadens auch mit substantiellen Anspruchsforderungen konfrontiert sah.
So musste die Familienstiftung Rudolf Staehelin Bilder aus der Sammlung verkaufen. Der van Gogh ‚Die Amme’ ging für 4.25 Millionen an die Sammlung Pulitzer im Amerikanischen St.Louis. Weitere 8 Werke von Cezanne, Monet, Degas, Renoir, Sisley und Pissarro, vier davon aus dem Kunstmuseum, gingen an den Basler Kunsthändler Ernst Beyeler. Dieser verkaufte gleich zwei Cezanne Portraits zu je etwas über einer Million.
Doch von den beiden Picassobildern versprach Staechelin sich die höchsten Preise. Private Sammler boten hohe Summen für die Werke. Doch die Stiftung entschloss sich, nach etlichen Interventionen, die Bilder der Stadt Basel für die vergleichsweise geringe Summe von 8,4 Millionen zu überlassen. Der Grosse Rat von Basel sprach aber nur einen Kredit von 6 Millionen. 1,9 Millionen steuerten Basler Industriefirmen bei. Doch der Rest? Die Bevölkerung formierte sich, um den Rest selbst zu sammeln. Am "Bettlerfest" zeigten die Basler wie man mit mannigfachen Ideen Geld sammeln kann: Mit eifrig genutzten Suppenküchen auf dem Markt-und Barfüsserplatz, Flohmärkten an jeder Ecke. "Regierungsräte spendeten Wein, Künstler verlosten Bilder, höhere Töchter verkauften Popcorn und putzten Schuhe" ("Spiegel", 27.11.1967). Die Summe wurde zusammengetragen und die Bilder gekauft.
Picasso war vom Engagement der Bevölkerung für seine Werke so angetan, dass er zu Besuch kam und weitere Bilder als Geschenk mitbrachte. Basel dankte es ihm ein Jahr nach seinem Tod mit der Bennenung des Platzes hinter dem Kunstmuseum in Picassoplatz