Es war einer der schwersten Anschläge der letzten Wochen. Der Attentäter hatte sich und den Lastwagen vor einem Gästehaus in Pul-e-Alam südlich von Kabul in die Luft gejagt. Unter den Toten befinden sich mehrere Studenten. Über 100 Menschen wurden verletzt.
Das Attentat ereignete sich einen Tag vor dem 1. Mai. Präsident Donald Trump und die Taliban hatten letztes Jahr vereinbart, dass die USA ihre verbleibenden 3’500 Soldaten bis zum 1. Mai aus Afghanistan abziehen würden. Präsident Biden verlängerte jedoch die Frist. Dagegen hatten die Taliban energisch protestiert und sprachen von einer «klaren Verletzung der Vereinbarung». Das Attentat könnte eine Rache für den verzögerten Abzug sein.
Seit Tagen wird aus mehreren Provinzen eine verstärkte Terrortätigkeit gemeldet. Am späten Samstag brach am nördlichen Rand der afghanischen Hauptstadt ein Feuer in mehreren Öltankwagen aus. Mindestens sieben Menschen starben. Weite Teile der Hauptstadt versanken in Dunkelheit. Ob es sich um ein Attentat handelt, ist noch nicht geklärt.
Am Samstag hatten die USA damit begonnen, ihre verbleibenden 3’500 Armee-Angehörigen vom Hindukusch zurückzuziehen. Vom Luftwaffenstützpunkt Bagram bei Kabul wird rege Aktivität gemeldet.
Das amerikanische Engagement in Afghanistan hatte vor 20 Jahren nach den 9/11-Attacken begonnen. Der Abzug der US-Truppe aus diesem «ewigen Krieg», wie Präsident Biden ihn nannte, soll am 11. September abgeschlossen sein. Dann würde «der längste amerikanische Krieg» zu Ende gehen.
Fast 2’500 amerikanische Soldaten starben; über 20’000 wurden verwundet. Ausser Opfern hat der Krieg wenig gebracht. Die Taliban wurden stärker und stärker und kontrollieren heute bis zu 70 Prozent des Landes.
Totales Chaos?
Auch die übrigen Nato-Staaten haben am Wochenende begonnen, ihre noch verbliebenen 10’000 Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Insgesamt sind 36 Nato-Staaten und Partnerländer am Krieg in Afghanistan beteiligt. Auch die Nato will ihre Truppen bis zum 11. September abgezogen haben. Für die deutsche Bundeswehr war es der bisher verlustreichste Auslandeinsatz: 59 deutsche Soldaten starben.
Der afghanische Innenminister Hayatullah Hayat befürchtet, dass die Taliban ihre Angriffe intensivieren werden. Hamdullah Mohib, der Sicherheitsberater der afghanischen Regierung, erklärte, die Radikalislamisten könnten jetzt «den Krieg wählen». Befürchtet wird, dass die Taliban die abziehenden Truppen überfallen könnten.
General Mark Milley, der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, schliesst nicht aus, dass es jetzt zum totalen Chaos in Afghanistan kommt. «Im schlimmsten Fall stürzt die Regierung und das afghanische Militär bricht zusammen», erklärte er anfangs der Woche. «Dann gibt es einen Bürgerkrieg mit der ganzen humanitären Katastrophe, die damit einhergeht.»
(J21)