Die beiden Vorfälle signalisieren, dass Russland von den kleinen Nachbarn an seiner Westgrenze ein gewisses Mass an Anpassung erwartet.
Das 2010/11 von Alt-Bundesrat Deiss ausgeübte Präsidium der Uno-Generalversammlung hat mehr protokollarische Bedeutung. Und das Gerücht, Moskau habe Litauen mit der Blockierung seines Kandidaten zugunsten des jetzt mit knapper Mehrheit gewählten Serben für die aggressive Haltung gegenüber Russland bestraft, scheint etwas überzogen. Zwar kann man sich im Baltikum gut an den kecken litauischen Verteidigungsminister erinnern, der anlässlich eines Medienauftrittes an der Seite eines hohen amerikanischen Politikers das deutsch-russische Abkommen für eine Gasleitung in der Ostsee als „neuen Hitler-Stalin-Pakt“ bezeichnet hat.
Aber gerade in Litauen hat die jetzige Präsidentin mit ihrer politischen Erfahrung in Brüssel für eine entspanntere Beziehung mit dem östlichen Nachbarn gesorgt und politische Provokationen eingedämmt. Die Behinderung der litauischen Kandidatur lässt sich auch nicht vergleichen mit dem Veto, mit dem der sowjetische Generalsekretär Leonid Breschnew 1971 die Wahl des konservativen finnischen Diplomaten Max Jakobson zum Uno-Generalsekretär verhinderte.
General Makarov klagt an
Bedeutsamer ist der Auftritt des russischen Generals Nikolai Makarov in Helsinki. Er signalisierte am 5. Juni in einem Vortrag vor dem finnischen Verein für Landesverteidigung die härtere Gangart des seit Mai 2012 wieder als Präsident auftretenden Wladimir Putin. Die Finnen spüren eine sich im Verhältnis zu Russland abzeichnende Unsicherheit und sind daher aufmerksame Zuhörer. Die Warnung vor engerer Zusammenarbeit mit der Nato und die vorgebrachten Anklagen gegenüber Westeuropa haben in Finnland lebhafte Reaktionen ausgelöst.
Die frühere Regierungschefin aus der jetzt oppositionellen Zentrumspartei warf der jetzigen Koalitionsregierung unter Jyrki Katainen vor, sie habe gegen die für das Verhältnis zu Moskau geltende Linie verstossen, indem sie an einer unter Führung der Nato stehenden Übung für Luftüberwachung in Island teilnahm. Der jetzige Staatspräsident Sauli Niinistö wirkte eher hilflos mit seinem Kommentar, der General aus der engsten Umgebung von Putin habe die finnische Aussenpolitik missverstanden. Er will bei seinem nächsten Treffen mit Präsident Putin über die vorgebrachten Klagen reden. Auch die Reaktionen weiterer Politiker wirken unsicher und beunruhigt.
„Helsingin Sanomat“ als mit Abstand wichtigste finnische Zeitung berichtet ausführlich über die Rede von General Makarov. Dieser erinnerte daran, dass die EU 2008 beim kurzen Krieg zwischen Russland und Georgien mehrmals einstimmig die Wiedereingliederung der abtrünnigen und von Moskau protegierten Regionen Abchasien und Südossetien befürwortet habe. Er rügte die finnische Zusammenarbeit mit der Nato und stellt fest, dass engere sicherheitspolitische Kontakte mit Russland für Finnland nützlicher wären. Nach „Helsingin Sanomat“ sieht General Makarov wie im Kalten Krieg die USA als den wichtigsten Gegenspieler Russlands. Im westlichen Europa beurteile der General viele gemeinsame Aktionen als russlandfeindlich oder als Verstärkung der Nato. Makarov habe bei seinen Ausführungen zudem den Eindruck erweckt, dass er direkten Einfluss auf die Sicherheitspolitik Moskaus nehmen könne.
Sieht Russland eine Chance?
Besonders bemerkenswert ist für „Helsingin Sanomat“ die vom General gezeigte Karte, welche die erweiterte Region einer von den USA unter Einbeziehung Russlands errichteten Raketenabwehr zeigt. Zu geschützten Staaten gehören neben Finnland Teile des Baltikums, Polens, Schwedens und Norwegens. Der Bericht befasst sich weniger mit dem bisherigen russischen Widerstand gegen das Abwehrsystem als mit der Aufzählung der hier erwähnten Staaten. Diese entsprechen weitgehend dem Gebiet, das die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg als ihr Interessengebiet zur Absicherung der Ostsee einstufte. Die Zeitung findet es nützlich, dass Russland seine Differenzen mit Europa aufzählt. Man räumt aber auch ein, dass die Europäische Union mit ihrer gegenwärtigen Krise zur Einflussnahme des östlichen Partners einlade.