Wie alle Putin-Anbiederer rechtfertigt der US-TV-Star Tucker Carlson sein zweistündiges Gespräch mit dem Kriegsherrn im Kreml damit, man müsse auch die Argumente der Gegenseite anhören. In Wirklichkeit aber liess er Putin ohne jeden Widerspruch seine Lügenpropaganda zum Ukrainekrieg verbreiten.
Der helvetische Welterklärer und Putin-Verharmloser Köppel nennt Carlsons weltweit verbreitetes Gespräch mit dem Kremlherrscher mit sich überschlagender Begeisterung ein «Glanzstück des Journalismus». Denn echtem, seriösem Journalismus gehe es darum, in einer Konfrontation auch die Argumente der Gegenseite anzuhören, den Blick über die eigene Perspektive hinaus zu erweitern und den Dialog zu fördern.
Ungefilterte Kreml-Propaganda
Was aber hört und erfährt der Zuschauer des zweistündigen Carlson-Interviews mit dem russischen Autokraten Putin über den Ukrainekrieg? Nichts anderes als dessen ungefilterte Propagandalügen und Rechtfertigungen für den seit zwei Jahren tobenden Angriffskrieg Russlands gegen das westliche Nachbarland. An keiner Stelle hakt der amerikanische Fernsehmann bei den im Stil von langfädigen Monologen ausgebreiteten Ausführungen des Kremlchefs ein. Nie stellt er dessen völlig einseitige, demagogisch verdrehten Behauptungen infrage oder versucht gar, ihn mit gegenteiligen Meinungen und Perspektiven zu konfrontieren.
So bietet der US-Moderator dem Russlandherrscher eine globale Bühne, um ohne irgendwelche Gegenargumente sein Propagandagespinst zum zerstörerischen Überfall auf die Ukraine auszubreiten. Was eine derart einseitig angelegte Show, in der allein die Lügen des Aggressors artikuliert werden, mit Dialogförderung zu tun haben soll, bleibt das Geheimnis der Putin-Claqueure. Kein Wunder, dass Putin dem sich dem servil anpassenden Starjournalisten aus Amerika das bisher einzige Interview mit einem westlichen Pressevertreter seit Beginn des Ukrainekrieges gewährte.
Schon Putins biedermännische Beteuerung, dass er selbstverständlich keinerlei Absichten habe, andere benachbarte Länder wie Polen oder das Baltikum anzugreifen, muss jeden halbwegs skeptisch gestimmten Zuschauer mit Misstrauen erfüllen. Hatte der Kremlchef nicht noch Tage vor der Invasion der Ukraine gegenüber westlichen Besuchern wie Scholz und Macron gelogen, ein Angriff auf die Ukraine sei überhaupt nicht geplant?
Halbstündiger Monolog über russisch-ukrainische Geschichte
Auch Putins halbstündiger, wirrer Monolog über die Anfänge der russischen Geschichte und der orthodoxen Kirche im 9. Jahrhundert und das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen Kiew und Moskau sollte offenbar dessen Behauptung stützen, dass eine eigenständige Ukraine mit eigener Kultur überhaupt nicht existierten, dass Russland und die Ukraine für immer zu einer untrennbaren Einheit zusammengeschweisst seien. – Auch zu dieser willkürlichen Klitterung keinerlei Einwände des geneigten Interviewers.
Das gleiche Muster bei Putins Version zum Ursprung des Ukrainekriegs. Der Konflikt sei eigentlich von Kiew durch die – angeblich von Amerika inszenierte – Maidanrevolution gegen die Moskau-freundliche Janukowitsch-Regierung ausgelöst worden, behauptet der Kremlherr. Er habe sich dann bei der Auseinandersetzung um die separatistischen Donbassgebiete intensiviert. Und tatsächlich sei Russland nur in der Ukraine einmarschiert, um diese Auseinandersetzung zu beenden. Keine Frage des Interviewers zu dieser Moskauer Sichtweise.
Legende von der angeblichen Friedenseinigung in Istanbul
Putin beteuert weiter, er sei immer bereit, über eine Friedenslösung zu verhandeln. Erneut behauptet er, bei den russisch-ukrainischen Verhandlungen im März 2022 in Istanbul habe man sich auf eine Grundsatzvereinbarung verständigt. Doch diese sei Kiew dann durch den damaligen britischen Premier Boris Johnson im Auftrag Washingtons ausgeredet worden.
Der Interviewer Carlson macht nicht den geringsten Versuch, nachzufragen, was denn in dieser Übereinkunft von Istanbul formuliert worden sei, ob darin irgendwelche Grenzen definiert wurden und warum Moskau dieses angebliche Einigungsdokument zur Aufklärung der Weltöffentlichkeit nicht einfach publiziert.
Das Kiewer «Nazi-Regime»
Auch die absurde Lüge Moskaus, in der Ukraine regiere heute ein «Naziregime» tischt Putin in seinem Gespräch mit dem US-Journalisten unwidersprochen wieder auf. Er räumt zwar ein, dass Selenskyj vom ukrainischen Volk gewählt worden sei, behauptet aber ungerührt, dieser habe sich inzwischen den ultranationalistisch-faschistischen Kräften angepasst und tanze nach deren Pfeife. Dass bei den letzten ukrainischen Wahlen 2019 die rechtsextremen Parteien keinen einzigen Sitz im Parlament gewannen und Selenskyj immer noch über eine parlamentarische Mehrheit verfügt, wird nicht erwähnt.
Wie gesagt, es gibt auch hierzulande Medienleute, die diese zweistündige devote Propagandashow aus dem Kreml des berüchtigten Trump-Trommlers Tucker Carlson für einen «Glanzpunkt» des Journalismus halten. Putin wird mit dieser Bewertung sicher restlos einverstanden sein.