Die italienischen Wahlen, die in einer Woche stattfinden, könnten viel Unheil über Europa bringen.
Die Möglichkeit, dass die Rechtspopulisten die Wahlen am 25. September gewinnen, ist gross. Laut Umfragen liegt die rechtspopulistische Troika klar vorn. Man kann nun sagen: Das sind ja «nur» Umfragen, doch gerade in Italien sind Umfragen oft aussagekräftiger als in anderen europäischen Staaten.
Angeführt wird der rechtspopulistische Block von Giorgia Meloni. Sie ist Chefin der rechtspopulistischen Partei «Fratelli d’Italia», in der sich viele alte und neue Faschisten und andere Rechtsextreme eingenistet haben.
Die «Fratelli» werden wahrscheinlich die stärkste Rechtspartei werden, deshalb erhebt Meloni den Anspruch, Ministerpräsidentin zu werden.
Auf der Seite von Orbán
Und das jagt vielen einen Schrecken über den Rücken. Jüngstes Beispiel: Am Donnerstag hat das Europäische Parlament Ungarn klar verurteilt. Das Land unter Victor Orbán mit seiner «illiberalen Demokratie» sei keine Demokratie mehr, hiess es.
Und wer stimmte gegen diesen Entscheid? Die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni und die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini verteidigten Orbán! Beide, Meloni und Salvini, sitzen seit langem im gleichen Boot mit dem ungarischen Präsidenten. Meloni lässt durchblicken, dass sie sich auch in Italien eine illiberale Demokratie à la Orbán vorstellen könnte.
Das würde bedeuten, dass die EU nicht nur mit den Querköpfen in Polen und Ungarn zu tun hat, sondern auch mit der dritten EU-Volkswirtschaft, mit Italien. Zusammen hätten die drei einiges Gewicht. Meloni sagte diese Woche: «Ich werde mich über die EU hinwegsetzen.»
«Wirklich beängstigend»
«Wenn Meloni Ministerpräsidentin wird, wird zum ersten Mal die extreme Rechte die Regierung in einem der Gründungsländer der EU führen. Das ist es, was hier im Europäischen Parlament wirklich beängstigend ist.» Dies sagte am Donnerstagabend der liberale italienische Europa-Abgeordnete Sandro Gozi.
Und er betonte: «Wenn in Italien, einem grossen Gründungsland der EU, eine rechte Exekutive entsteht und die EU legitimiert diese Regierung, dann kann sich in den anderen Ländern niemand mehr auf den ‘Cordon sanitaire’ berufen.» Wer könne dann argumentieren, dass der Front National von Marine Le Pen nicht regierungsfähig sei? Oder die AfD in Deutschland? Oder die Schwedendemokraten?
Putin-freundlich
Schwere Bedenken hat Brüssel auch wegen der Putin-freundlichen Haltung von Meloni und Salvini. Der Lega-Chef hat sich kürzlich klar gegen die Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Sollten er und Meloni an die Macht kommen, wird sich Putin freuen.
Starke rechtspopulistische Kreise haben sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine gewandt – Waffenlieferungen, die der Noch-Ministerpräsident Mario Draghi befürwortete. Für die Ukraine wäre das ein riesiger Rückschlag.
Der im Londoner Exil lebende Oligarch Chodorkowski sagte: «Achtung, Putin kann es kaum erwarten, dass die neue Regierung ihn unterstützt.»
Geld aus Moskau?
Haben die Rechtspopulisten sogar Geld aus Moskau angenommen? Diese Frage wird in diesen Tagen intensiv in Italien diskutiert. Anlass ist ein amerikanisches Dossier, laut dem der Kreml Politiker in über 20 Staaten mit Geld gefüttert hat. Sind auch Italiener und Italienerinnen dabei? Welche? Bewiesen ist nichts. Ob sich der Wirbel um das amerikanische Dossier auf das Wahlergebnis auswirkt, wird sich zeigen.
Salvini war schon früher verdächtigt worden, Geld aus dem Kreml bekommen zu haben. Bekannt ist, dass einer seiner Emissäre 2019 in der Bar des Hotels Metropol in Moskau mit einem Finanzmann des Kremls zusammengetroffen ist und möglicherweise eine Fianzierung des EU-Wahlkampfs eingefädelt hat. Es gibt dazu Tonbandaufnahmen. Salvini erklärte, er habe «keinen Rubel» entgegengenommen.
Julia Friedlander, eine ehemalige CIA-Analystin, sagte: «Ich glaube, Matteo Salvini hat ein persönliches Interesse an seinen Beziehungen zu Russland. Auf jeden Fall.» Es sei allerdings schwierig, dies zu beweisen, erklärte sie.
Ausgerechnet Berlusconi
Eine schwache Hoffnung bleibt: Die drei rechtspopulistischen Parteien sind keineswegs nur ein Herz und eine Seele. Vor allem ihre Führer und ihre Führerin mögen sich gar nicht. Bricht die Troika bald einmal auseinander?
Ausgerechnet Silvio Berlusconi nimmt zur Zeit eine vernünftige Haltung ein. Der bald 86-Jährige hat die beiden anderen Koalitionspartner schon aufgeschreckt. Am Donnerstag erklärte er, er wolle einen klar «pro-europäischen Kurs» verfolgen. Wenn seine Koalitionspartner das nicht wollten, werde seine Forza Italia aus der Regierung austreten – und sie vermutlich dann bald einmal stürzen.