Die Rolle des Irans und Israels beherrschen die Diskussionen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Damit ist die Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten aufs Tapet gelangt. Solange kein anderes Land Israel das Atomwaffenmonopol in der Region streitig machte, war die kollektive Sicherheit für den Westen kein Thema. Seitdem es ziemlich sicher ist, dass auch der Iran an der Bombe arbeitet, sieht man Handlungsbedarf.
Massive Behinderung der IAEO
Diese Woche segnete der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien einen Bericht des neuen Generaldirektors Yukiya Amano ab, der scharfe Kritik am iranischen Nuklearprogramm übt. Der Gouverneursrat bildet das aus 35 Staaten gestehende Führungsgremium der IAEO, in das auch die Schweiz gewählt wurde. Der Japaner Amano, der im Dezember den Ägypter Mohamed El-Baradei abgelöst hat, beschuldigt die Regierung in Teheran, die Überwachung des verdächtigen iranischen Nuklearprogramms massiv zu behindern.
Anders als Israel, Indien und Pakistan, die dem Atomwaffensperrvertrag von 1969 nicht beigetreten sind, muss der Iran seine nuklearen Tätigkeiten den Inspektoren der IAEO öffnen. Diese sollen gewährleisten, dass kein Spaltmaterial für militärische Zwecke abgezweigt wird. Dafür stehen ihren ausgetüftelte Messgeräte und Spezialkameras zur Verfügung.
Zwei bis drei Atombomben
Amano stellt in seinem jüngsten Bericht fest, die IAEO könne wegen der Geheimniskrämerei der Iraner nicht bestätigen, dass alle nuklearen Tätigkeiten des Irans friedlichen Zwecken dienen. Ungeachtet der vom UNO-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen setzt der Iran die Anreicherung von Uran fort. Mittlerweile besitzt die Islamische Republik laut IAEO-Bericht 2803 Kilo leicht und 23 Kilo mittel angereichertes Uran. Nach einer Anreicherung auf 95 Prozent könnten mit dieser Menge zwei bis drei Atombomben gebaut werden, sagen Experten.
Amano fordert den Iran auf, die Ausweisung von zwei IAEO-Inspektoren rückgängig zu machen. Die Iraner werfen diesen Männern Vertrauensbruch vor. Seit 2007 hat der Iran bereits 40 Inspektoren zu unerwünschten Personen erklärt. Die IAEO verfügt über ein Reservoir von etwa 200 ausgebildeten Inspektoren für ihre Aufgaben rund um die Welt.
Kaum mehr Zweifel am iranischen Atombomben-Programm
Der Leiter der iranischen Atomenergie-Organisation, Ali Akbar Salehi, wies die Anschuldigungen Amanos umgehend zurück. „Wenn Amano seine Aussagen wider besseres Wissen gemacht hat, so beging er einen schweren und gefährlichen Fehler“, erklärte er orakelhaft. Das Regime in Teheran behauptet, mit der Atomkraft ausschliesslich friedliche Ziele wie die Erzeugung von Strom zu verfolgen. Die Ablehnung unliebsamer Inspektoren gehöre zu den im Überwachungsabkommen mit der IAEO verbrieften Rechten des Irans, argumentieren die Iraner.
Es bestehen heute kaum mehr Zweifel, dass der Iran insgeheim Atomwaffen entwickelt oder zumindest die technische Grundlage dafür vorbereitet. Während 18 Jahren gelang es den Iranern, ihre unterirdische Uran-Anreicherungsanlage bei Natanz vor der ganzen Welt zu verbergen. Die zur Isotopentrennung erforderlichen Gaszentrifugen kauften sie auf dem nuklearen Schwarzmarkt. Im Bau befinden sich ein Schwerwasserreaktor und eine Produktionsstätte schweren Wassers. Mit diesen Anlagen lässt sich Plutonium gewinnen, das wie Uran kernwaffenfähig ist. Der Weltsicherheitsrat hat Teheran vergeblich zu einem Baustopp aufgefordert.
Nuklearanlagen zerstören bevor sie fertig sind
Es mehren sich die Indizien, dass die Mullahs die Bombe wollen, koste es was es wolle. Auf die präzisen Fragen der IAEO nach der Rolle der Militärs beim iranischen Nuklearprogramm blieb Teheran die Antworten schuldig. Auch Russland und China geben sich keinen Illusionen mehr hin. Die beiden Vetomächte haben im Weltsicherheitsrat zum vierten Mal für eine Verschärfung der gegen den Iran verhängten Sanktionen gestimmt.
Was tun? Israel droht mit einem Präventivschlag, um die iranischen Nuklearanlagen zu zerstören, bevor sie fertig sind. Die USA schliessen eine solche Option nicht aus. Die Folgen eines solchen Kriegs wären jedoch unabwägbar.
In letzter Zeit hat die Idee der Schaffung einer atomwaffenfreien Zone vom Mittelmeer bis zum Indischen Ozean Auftrieb erhalten. Auch die USA haben sich auf der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags im Mai schriftlich verpflichtet, entsprechende Vorschläge zu unterstützen. Eine Gruppe unter Führung Australiens und Japans versucht, die Kontrahenten an einen Tisch zu bringen.
Keine Auskunft über israelische Atomwaffen
Die Generalkonferenz der IAEO hat vor einem Jahr eine Resolution verabschiedet, die Israel auffordert, Klarheit über seine nuklearen Fähigkeiten zu schaffen. Die bewährte Taktik Israels ist, Fragen nach dem Besitz von Atomwaffen weder zu bejahen noch zu verneinen. IAEO-Generaldirektor Amano wurde im August bei einem offiziellen Besuch in Israel weder von Regierungschef Benjamin Netanjahu, noch vom Aussen- oder Verteidigungsminister empfangen. In der Folge teilte die israelische Regierung der IAEO brieflich mit, dass sie ihr Nuklearprogramm nicht offenlegen werde.
Am Montag beginnt die Wien die diesjährige Generalkonferenz der 155 IAEO-Mitglieder, zu denen auch Israel gehört. Die nuklearen Fähigkeiten Israels stehen auf der Tagesordnung. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die derzeitige Regierung in Jerusalem Transparenz schafft oder einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten zustimmt. Auf längere Sicht liegt aber darin wohl die einzige Lösung, einen drohenden Schlagabtausch und die Weiterverbreitung von Atomwaffen in einer explosiven Region zu vermeiden.