General Anan ist eine in den ägyptischen Streitkräften und im ganzen Land sehr bekannte Persönlichkeit. Er war Generalstabschef unter Mubarak von 2005 bis 2011, und als Mubarak anfangs 2011 zu Fall kam, wurde Anan Nummer zwei des Obersten Rates der Bewaffneten Kräfte (englisch abgekürzt SCAF), der Ägypten provisorisch regierte, bis anderthalb Jahre später der heute abgesetzte, im Gefängnis sitzende und mehrmals zum Tode verurteilte Mohammed Mursi zum Staatschef gewählt wurde.
Eine neue, korrektere „politische Ausrichtung“
Anan galt damals als einer der hohen Militärs, die den Amerikanern nahe standen und für ein demokratisches Regime in Ägypten eintraten. In der Präsidentenwahl von 2014 trat er gegen al-Sissi an, doch zog er sich, bevor die Wahl stattfand, zurück. Diesmal jedoch tritt er kämpferisch auf. In seiner Facebook-Erklärung schrieb er: „Ich rufe die zivilen und militärischen Institutionen auf, sich gegenüber allen, die ihre Absicht zu kandidieren erklärt haben, neutral zu verhalten und nicht in verfassungswidriger Weise die Seite eines Präsidenten zu ergreifen, dessen Mandat in wenigen Monaten zu Ende gehen wird.“
Anan deutete auch bereits an, worauf sich seine Wahlkampagne konzentrieren wird, indem er erklärte, eine „unkorrekte politische Ausrichtung“ habe Sicherheits- und andere Missstände hervorgebracht. Sie seien das Resultat von politischen Fehlern, durch die den bewaffneten Kräften alle Verantwortung zugeteilt worden sei, „ohne eine rationale Politik, die dem zivilen Sektor erlaubt hätte, seine Verantwortung neben den bewaffneten Kräften voll auf sich zu nehmen“. Dies, so schreibt Anan, wolle er ändern.
Eine Equipe der Opposition
Er schrieb auch, er verfüge bereits über eine Equipe von Zivilisten, die ihm in den Wahlen beistehen werde. Zu dieser Equipe gehört prominent Hisham Geneina, der von Mursi eingestellte und von al-Sissi 2016 entlassene Chef der „Zentralen Rechenschafts-Organisation“ (Central Accountability Organisation, CAO). Dies ist die wichtigste Inspektionsbehörde, die als das Hauptinstrument zur Bekämpfung der Korruption dient. Ihre volle Unabhängigkeit – auch vom Präsidenten – ist in der Verfassung garantiert.
Ein standfester Korruptionsbekämpfer
Man muss die Geschichte Geneinas kennen, um die Bedeutung seiner Präsenz in der Wahlkampagne Anans zu begreifen. Hisham Geneina, ein ehemaliger Richter und Chef der erwähnten Organisation, hatte öffentlich in Zeitungsinterviews erklärt, Ägypten habe in den Jahren von 2012 bis 2015 durch Korruption gegen 600 Milliarden ägyptische Pfund (rund 67,5 Mia Dollar) verloren. Daraufhin wurde auf Befehl al-Sissis eine Kommission eingesetzt, die nach 14 Tagen der Nachrechnungen erklärte, die Angaben des Anti-Korruptionschefs seien „irreführend, übertrieben und unglaubwürdig“. Daraufhin befahl al-Sissi, dass Geneina abgesetzt und vor Gericht gestellt werde. Er wurde wegen Verbreitung von falschen Informationen zu einem Jahr Gefängnis und zu einer Busse von umgerechnet rund 2000 Dollar verurteilt. Die Gefängnisstrafe wurde später als bedingt erklärt.
Der Angeklagte blieb bei seinen Berechnungen. Er sagt, er könne alle seine Behauptungen durch Dokumente belegen. Viele der Korrruptionsvorwürfe sind gegen hohe Offiziere und Beamte des Sicherheitsrats gerichtet und betreffen Staatsland, das in korrupter Art und Weise Bauunternehmern aller Art und anderen Geschäftsleuten zugespielt wurde. In Ägypten gehört alles nicht bebaute Wüstenland dem Staat und steht unter dem Schutz der Armee.
Mitarbeiter „verschwunden“
Einer der Mitarbeiter Geneines, Ali Lawad, verschwand spurlos am 5. Dezember 2015 und wurde seither nicht mehr gesehen. Geneina hat den Staatsanwalt aufgefordert, seinem Verschwinden nachzuforschen. Das ägyptische Innenministerium erklärt, es lasse nie Personen spurlos verschwinden. Viele Ägypter glauben jedoch das Gegenteil.
Die Presse und das Fernsehen, welche die Regierungslinie vertreten, behaupteten oder deuteten an, dass Geneina „den Muslim-Brüdern nahe stehe“. Als Beleg dafür führten sie an, dass er unter Mursi eingestellt wurde. Er selbst weist diesen Vorwurf zurück.
Ein Oppositioneller von Gewicht
Der ehemalige Generalstabschef, Generalleutnant Sami Anan, hat ein Gewicht in der Armee und in der ägyptischen Politik, das es erschwert, ihn so zu behandeln, wie es Ahmed Shafik, dem anderen Kandidaten erging, der als möglicher Gegenspieler al-Sissis aufgetreten war, aber dann, offensichtlich unter Druck der Geheimpolizei, seine Kandidatur zurückzog. Über ihn wurde in einem früheren Artikel berichtet. Ob vergleichbare Versuche auch gegenüber Sami Anan unternommen werden, bleibt abzuwarten.
al-Sissis übermächtige Position
Die meisten Beobachter glauben, dass die Chancen für Anan, wenn er als Kandidat endgültig zugelassen werden sollte, sich gegen al-Sissi durchzusetzen, gering sind. Für die offizielle Zulassung einer Kandidatur müssen entweder mindestens 20 Parlamentsabgeordnete oder 25’000 ägyptische Bürger und Bürgerinnen aus 15 Provinzen ihre Zustimmung erklären. Für al-Sissi haben bereits 500 der 596 Abgeordneten und über eine Million ägyptischer Bürger „freiwillig und unaufgefordert“ ihre Zustimmung erklärt. Was einen Begriff davon gibt, welch starken Rückhalt der Präsident nach wie vor bei den Wählern besitzen dürfte. Diese Position beruht in erster Linie auf dem Informations-Oligopol und dem Propaganda-Monopol, über die er verfügt.
Die Kandidaturen müssen bis zum 24. Februar endgültig offiziell festgelegt sein. Der erste Wahlgang soll vom 26. bis zum 28. März durchgeführt werden. Der zweite, falls nötig, einen Monat danach. Wenn es Sami Anan gelingt, seine Kandidatur offiziell einschreiben zu lassen, darf man immerhin erwarten, dass eine echte Debatte über den bisherigen und den zukünftigen politischen Weg Ägyptens im Vorfeld der Wahl zustande kommt.
Die Festnahme
Wie am Deinstag gegen Mittag bekannt gemacht wurde, ist Sami Anan in Kairo von der ägyptischen Armee festgenommen worden. Ein Sprecher der Armee am Fernsehen erklärte, Anan habe versucht, „einen Keil zwischen das ägyptische Volk und die Armee zu treiben“. Die Armee wirft ihm auch vor, er habe das Dokument gefälscht, das besagt, dass sein Dienst in der Arme beendet sei. Aktive Armeeoffiziere sind als Kandidaten für die Präsidentenwahl ausgeschlossen. Das Durchgreifen der Armee bedeutet ohne Zweifel, dass Sissi eisern entschlossen ist, nicht einmal eine Diskussion über seine Politik im Vorfeld der Wahlen zu dulden, geschweidge denn einen ernst zu nehmenden Gegenkandidaten.