Die Mandschu-Kaiser, die Dynastie der Qing, verbrachten während des ganzen 18. und eines Teils des 19. Jahrhunderts die Sommermonate jeweils 250 km nordöstlich von Peking in Jehol, dem heutigen Chengde; es war dann zeitweilig Chinas Hauptstadt. Kaiser Kangxi begann 1703 mit dem Bau seiner Sommerresidenz – Bishushanzhuang, „Bergdörfchen, um der Hitze zu entfliehen“.
Ein Dörfchen war der kaiserliche Sommersitz ja nun gewiss nicht. Eine 25 km lange Mauer umgürtete ausser dem eigentlichen Palast und den zugehörigen Pavillons einen Landschaftsgarten mit 72 „szenischen Wundern“ – eine Art China en miniature, mit Seen, Hügeln und Ebenen. Kangxi und später sein Enkel, Kaiser Qianlong, legten ausserhalb des kaiserlichen Parks elf Tempelklöster an, darunter Imitationen von tibetischen Lamaklöstern. Ein Ballenberg der andern Art also – oder zeitgeistiger: ein „theme park“ – , freilich mit Hintergedanken. Die beschwichtigende Verbeugung nach Norden galt dem mächtigen mongolischen Klerus. „Besser ein Kloster als 10 000 Soldaten“ wird Kaiser Qianlong zitiert.
Die grösste Anlage, der Putuozongsheng, auf einem 220 Hektar grossen Gelände in den Jahren 1767 bis 1771 erbaut, ist dem Potala, der Palastburg des Dalai Lama in Lhasa im Masstab 1:2 nachempfunden. Die Festung aus rotem Backstein umschliesst einen mit vergoldeten Ziegeln überdachten Tempel; zwei Dutzend weisse Häuser – Mönchswohnungen, Nebengebäude – sind über den Hang vor dem Hauptbau gestreut. Häufige und heftige Gewitter gehören in Chengde zum sommerlichen Ungemach.
1820 traf ein Blitz Kaiser Jiaqing, damit war für den Sommersitz der Lack ab. Der Hof zog wieder das schwüle Peking der Sommerfrische im Bergdörfchen vor. Die Unesco zeichnete Chengde 1994 aus – und beförderte gleichzeitig mit der kaiserlichen Sommerresidenz auch den originalen Potala, die vormalige Winterresidenz des Dalai Lama, zur Welterbestätte. Jahr der Aufnahme: 1987. (Copyright: Georg Gerster/Keystone)