Der Umstand, dass selbst rechte Medien ihn zum Verlierer der Zwischenwahlen gestempelt haben, erzürnt Donald Trump ungemein. Am stärksten kriegt das Ron DeSantis, ein potenzieller Rivale bei der Präsidentenwahl 2024, zu spüren.
Das Skript war eigentlich schon geschrieben: Nach dem überwältigenden Triumph der republikanischen Partei (GPO) bei den Zwischenwahlen würde sich Donald Trump am nächsten Dienstag in seiner Residenz Mar-a-Lago zum unbestrittenen Sieger der «Midterms» erklären und verkünden, dass er in zwei Jahren erneut als Präsident kandidieren werde, wofür ihm seine Partei, der er so selbstlos zum Sieg verholfen habe, unendlich dankbar zu sein habe.
Doch es kam anders als erwartet und die Realität mochte nicht den Gesetzen der Phantasie gehorchen: Die «rote Welle» mochte nicht anbranden und erwies sich lediglich als «Nieselregen», selbst wenn es der GOP im Dezember nach einer Senatsnachwahl in Georgia noch gelingen sollte, die Kontrolle über beide Häuser des Kongresses in DC zu gewinnen. Donald Trump sei wütend und schreie alle Leute an, verriet aus Florida ein Berater des Ex-Präsidenten gegenüber CNN.
Auch Melania ist schuld
Maggie Haberman, Star-Reporterin der «New York Times», verbreitete per Twitter, Trumps Wut richte sich vor allem gegen den Senatskandidaten und Fernsehdoktor Mehmet Oz, der in Pennsylvania gegen Vizegouverneur John Fetterman verloren hatte. Gegen einen Demokraten, den Konservative nach einem Schlaganfall, von dem er sich allerdings recht gut erholte, noch als «hirntot» verunglimpft hatten.
Selbst Gattin Melania verschonte Trumps Zorn nicht, deren Empfehlung, Oz zu unterstützen, er als angeblich «nicht ihre beste Entscheidung» beschrieb. Ähnlich falsch, witzelte das Society-Magazin «Vanity Fair», wie Melanias Entscheidung, als junges osteuropäisches Model einen aufgeblasenen Immobilienunternehmer zu heiraten und in ein Penthouse einzuziehen, über das der Unternehmer dem Innendekorateur anscheinend gesagt habe: «Ich will, dass es hier oben aussieht, als habe es Gold gekotzt.»
Kritische Murdoch-Presse
Wenig zu Donald Trumps guter Laune trug auch der Umstand bei, dass Rupert Murdochs Boulevardzeitung «New York Post», die ihm früher stets loyal ergeben gewesen war, am Tag nach der Wahl den Gouverneur in Florida, Ron DeSantis, unter dem Titel «DeFuture» auf die Frontseite hievte und in einer Story im Innern des Blattes «Toxic Trump» das «vielleicht stärkste Wählervertreibungsmittel der modernen amerikanischen Geschichte» nannte. Der britische Fernsehmoderator Piers Morgan, in New York einst ein Trump-Spezi, schrieb, der «ständig jammernde, tobende» Ex-Präsident könne noch so hart versuchen, das Wahlergebnis in einen Pyrrhus-Sieg umzudeuten. Doch er sei selber schuld: «Wenn die GOP 2024 gewinnen will, ist es an der Zeit, ‘Trump the Grump’ loszuwerden.»
Das «Wall Street Journal», ebenfalls im Besitz des konservativen Murdoch-Clans, publizierte nicht weniger als sechs Trump-kritische Kommentare, unter denen einer, von den Leitartiklern des konservativen Blattes verfasst, folgerte: «Trump ist der grösste Verlierer der republikanischen Partei.». Selbst der Fernsehsender Fox News, dessen Moderatorinnen und Moderatoren Donald Trump üblicherweise kriecherisch ergeben sind, getraute sich, kritische Töne zu äussern und auf seiner Website festzuhalten, der Ex-Präsident sei «nie zuvor schwächer» gewesen. Die Resultate der Zwischenwahlen würden zeigen, dass es Zeit sei, «ohne Trump weiterzumachen». Worauf der Betroffene über sein soziales Netzwerk «Truth Social» die Nation umgehend daran erinnerte, doch nicht zu vergessen, dass er ein «Stable Genius» sei.
Angeheizter Machtkampf
Auf jeden Fall dürfte der Ausgang der Zwischenwahlen 2022 den Machtkampf zwischen Donald Trump und Ron DeSantis spürbar angeheizt haben. Auf der einen Seite der Ex-Präsident, dessen prominenteste Kandidatinnen und Kandidaten an der Urne mehrheitlich abgestraft wurden, auf der anderen Seite der junge Gouverneur von Florida, der mit einem Glanzresultat wiedergewählt wurde, was wiederum für Trump im Fall der Vorwahlen im «Sunshine State» 2024 wenig Gutes verheisst. Zudem befindet sich DeSantis in der beneidenswerten Position, in zwei Jahren noch nicht antreten zu müssen und Trump, falls der antritt, erneut verlieren zu lassen, und erst 2028 für die Republikaner als Präsident zu kandidieren.
Der Ex-Präsident warf dem Gouverneur vor, er weigere sich zu versprechen, dass er 2024 nicht gegen ihn antreten werde. DeSantis mangle es folglich an Loyalität und Klasse: «Ron kam 2017 in verzweifelter Form zu mir – er war politisch tot und gegen einen exzellenten Landwirtschaftskommissar (…) am Verlieren, der einen Haufen Geld und tolle Umfragewerte hatte.» Er aber habe DeSantis damals unterstützt und ihm bei der Gouverneurswahl zum Sieg verholfen. «DeSantis ist DeSantis dank Trump», sagt eine Anwältin des früheren Präsidenten. Donald Trump liess im Netz auch durchblicken, das politische Talent seines innerparteilichen Rivalen werde überbewertet und er sei lediglich «ein durchschnittlicher REPUBLIKANISCHER Gouverneur mit durchschnittlicher Public Relations».
Auch Glen Youngkin, der Gouverneur von Virginia, der ebenfalls als Rivale Donald Trumps 2024 gehandelt wird, ist inzwischen vom Ärger des Ex-Präsidenten nicht verschont geblieben. «Young Kin (das ist eine interessante Auslegung, tönt chinesisch nicht wahr?) in Virginia hätte ohne mich nicht gewinnen können», schrieb Trump auf «Truth Social». Youngkins Fehler: Obwohl in der Vorwahl noch vom Ex-Präsidenten unterstützt, ging er im Hauptwahlkampf aus taktischen Gründen bewusst auf Distanz zum unberechenbaren Amtsinhaber im Weissen Haus.
Veritable Diffamierungskampagne
Indes diffamiert Donald Trump Ron DeSantis auch hinter dessen Rücken, wo er kann. Der Gouverneur, klagt er, sei ein «Abzocker-Künstler», der ihn und seine Familie ständig bestehle, und er lässt ominös durchblicken, mit Ausnahme vielleicht von dessen Frau wisse er mehr über ihn und sein Privatleben. Die zirkulierenden Gerüchte zielen anscheinend so tief unter die Gürtellinie, dass selbst ein sonst nicht für Prüderie bekanntes Magazin wie «Rolling Stone» sich weigert, Trumps jeglicher Realität entbehrende Behauptungen wiederzugeben.
Trotzdem ist es wohl zu früh, politische Nachrufe auf Donald Trump zu verfassen. Ihm ist es Zeit seines Lebens gelungen, sich aus misslichen Lagen zu befreien oder nach Misserfolgen errneut aufzustehen. Während seiner Präsidentschaft haben zwei Amtsenthebungsverfahren und eine misslungene Wiederwahl seiner Popularität bei der republikanischen Basis nichts anhaben können. Auch den Schlussbericht des Sonderausschusses im Repräsentantenhaus zum Sturm auf das US-Capitol am 6. Januar 2021 dürfte er unbeschadet überstehen. Stoppen könnte ihn allenfalls eines der über ein Dutzend Rechtsverfahren, die vor unterschiedlichen Instanzen gegen ihn laufen.
Auf jeden Fall «win-win»
Nach wie vor aber dürfte die Mehrheit jener Wählerinnen und Wähler, die 2020 für Donald Trump gestimmt haben, loyal hinter ihm stehen. Auch ist er ein Meister im Geldsammeln und er verfügt bereits über eine gut gefüllte Kriegskasse. Rivale Ron DeSantis ist zwar in Florida äusserst populär, aber ob er, der als nicht eben charismatisch gilt, das allenfalls auch ausserhalb seines Staates sein würde, müsste sich erst weisen. Mit Jeb Bush ist in Florida 2015 bereits einmal ein populärer Gouverneur an Donald Trump gescheitert. Politologen erinnern ausserdem daran, dass für Zwischenwahlen andere Gesetzte gelten als für einen nationalen Urnengang.
Ein anderer früherer Rivale Trumps, Gouverneur Chris Christie, bringt es wohl auf den Punkt: «Donald Trumps politische Instinkte nützen nur ihm, aber weder seiner Partei noch dem Land.» Und was hat Donald Trump vor dem 8. November selbst über jene gesagt, die er unterstützte? «Nun, ich glaube, falls sie gewinnen, sollte aller Dank mir gehören, und falls sie verlieren, sollte ich überhaupt nicht dafür verantwortlich gemacht werden.»
Quellen: The New York Times, The Washington Post, The New Yorker, Rolling Stone, Vanity Fair.