Nach der üblichen Militärdiktatur kehrt ein lateinamerikanisches Land zu einer Art Demokratie zurück. Gesegnet mit landwirtschaftlichem Reichtum will Argentinien prosperieren.
1989 beschliesst die Regierung Menem, die Nationalwährung eins zu eins an den US-Dollar zu binden. 2002 kam es dann zum unausweichlichen Staatsbankrott. Sozusagen Griechenland auf Südamerikanisch. Seither versucht das Land, sich mit Umschuldungsverhandlungen den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten zurückzuerobern.
Fast geschafft
Der IMF versorgte das Land in der Folge mit Krediten, um einen völligen Zusammenbruch zu verhindern. Gleichzeitig trat Argentinien mit seinen Gläubigern in Umschuldungsverhandlungen ein. Es bot zwischen 2002 und 2004 einen Kapitalschnitt von 75 Prozent an. Also alle Darlehensgeber sollten auf Dreiviertel ihrer Forderungen verzichten. In zähen Verhandlungen wurde diese Verlustquote dann auf rund 50 Prozent gesenkt. Die meisten Gläubiger stimmten dem zähneknirschend zu. Aber nicht alle.
Am 12. August 2012 verkündete die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, dass nun der letzte Rest der aus dem Staatsbankrott stammenden Schulden abbezahlt werde. Das war natürlich gelogen.
Schulden und Schulden
Wenn es um grosse Schulden geht, also meistens Staatsschulden, gibt es vereinfacht drei Arten davon. Die angenehmste Art für den Staat sind Schulden, die in der Landeswährung nach nationalen Gesetzen aufgenommen werden. Die können im Notfall locker weginflationiert werden – oder der Staat sagt dem ausländischen (oder inländischen) Gläubiger: Wenn dir mein Schuldenschnitt von 75 Prozent nicht passt, dann klag mich doch vor einem nationalen Gericht ein, und viel Spass dabei. Schliesslich müssen die nach von mir beschlossenen Gesetzen Recht sprechen.
Dann gibt es nach angelsächsischem Recht begebene Schuldscheine, bei denen es für einen Schuldenschnitt die Einwilligung des Gläubigers braucht. Das macht die Sache für den Staat schon schwieriger. Er kann den Gläubiger aber mit der Drohung weichzukochen versuchen: Bist du nicht willig, dann kriegst du gar nichts, nimm lieber ein Viertel, als dich auf einen möglicherweise erfolgreichen, aber langwierigen und teuren Rechtsstreit einzulassen.
Und schliesslich gibt es, wie sollte es anders sein, in US-Dollar ausgestellte Schuldscheine. Das ermöglicht es dem Gläubiger, sich einen Rechtsstand USA zu erkämpfen, also vor einem US-Gericht gegen den argentinischen Staat seine Forderungen einzuklagen. Und genau das ist geschehen, und die Kläger haben gewonnen.
Geierfonds oder clevere Spekulanten?
In ganzseitigen Zeitungsanzeigen, unter anderem in der Financial Times und der FAZ, beklagt Argentinien, dass es eigentlich seine Schulden zahlen möchte, daran aber von gierigen Spekulanten und Geierfonds gehindert werde. Die hätten zum Beispiel 2008 argentinische Anleihen zum damaligen Marktwert von 48,7 Millionen Dollar gekauft und bekämen nun, dank dem US-Gerichtsurteil, den Nennwert von 832 Millionen Dollar zugesprochen.
Insgesamt müsste Argentinien den klagenden Fonds 1,4 Milliarden Dollar zahlen. Falls es das nicht tut, dürfte es am 30. Juni die fälligen Raten an die mit der Umschuldung einverstandenen Anleihenbesitzer auch nicht auszahlen, das wäre Gläubigerbevorzugung. Zahlt das Land aber, dann kommen weitere mit dem Schuldenschnitt nicht einverstandene Gläubiger und fordern weitere 15 Milliarden Dollar.
Zahlt aber Argentinien per 30. Juni weder die laut Gerichtsurteil fälligen 1,4 Milliarden noch die Rate an die einverstandenen Gläubiger, dann hat das Land einen «technischen Zahlungsausfall», weniger vornehm formuliert: schon wieder Staatsbankrott. Wäre allerdings keine grosse Änderung im eigentlich seit 2002 andauernden Zustand, könnte man nur mit einer Prise Zynismus anmerken.
Keiner wird gewinnen
Zunächst einmal mussten sich alle argentinischen Gläubiger aus dem In- und Ausland über lange Jahre sämtliche geliehenen Gelder ans Bein streichen. Viele gaben auf und verscherbelten ihre Schuldscheine für fünf Prozent des eigentlichen Werts. Nahmen also einen Verlust von 95 Prozent hin. Dieses Geld wurde vom Schuldner vorher verröstet.
Nun kauften Spekulanten diese Anleihen zu Marktpreisen auf und setzten darauf, dass sie nach 95 Prozent Wertverlust nicht am Schluss bei 100 Prozent anlangen. No risk, no fun. Denn das US-Gerichtsurteil ist eine Sache, Zahlungseingang auf dem eigenen Konto eine ganz andere. Deshalb feilschen die Fonds und Argentinien zurzeit weiter. Denn dem Gläubiger nutzen noch so viele Gerichtsurteile nichts, wenn der Schuldner sagt: Ich bin pleite.
Der grosse Verlierer ist natürlich die überwiegende Mehrheit der argentinischen Bevölkerung. Der kann man höchstens eine Mitschuld zuschreiben, weil sie eine unfähige und korrupte Regierung nach der anderen gewählt hat. Aber auch das ändert nichts an ihrem Elend und an der Tatsache, dass sie, solange es noch einen argentinischen Staat gibt, die Suppe auslöffeln müssen.