Wie sich die Zeiten ändern. Vor genau einem Jahr feierte er am Papeete-Strand an der Adria den Sommer. Und vor allem feierte er sich selbst. Mit nackter Brust. Umringt von schönen Frauen, Küsschen da und dort, über hundert Selfies pro Tag. Einer Vierjährigen streichelt er über den Kopf, einer älteren Dame flüstert er etwas ins Ohr. Überall Fotografen, Fernsehkameras. Matteo Salvini, der rechtspopulistische Lega-Chef und Innenminister war dabei, die Regierung zu stürzen. Um sich dann selbst an die Spitze zu hissen.
Er stürzte die Regierung, doch es kam nicht so, wie er wollte. Ein anderer, Giuseppe Conte, wurde Ministerpräsident. Und jetzt passierte Salvini das Schlimmste, was ihm passieren konnte: Die EU, die er verantwortlich für alles Schlechte gemacht hat, schüttet Milliarden nach Italien. Die Italiener jubeln, die Regierung und die EU befinden sich im Umfragehoch. Und Salvini hat seinen Hauptfeind verloren.
In den Umfragen rutscht er ab. Heute würden zwischen 23 und 26 Prozent für ihn stimmen. Das sind immerhin 10 Prozent weniger als bei den Europawahlen im letzten Jahr. Plötzlich hört man nur noch wenig von ihm. Und was man hört, das glauben ihm seine treuesten Anhänger nicht mehr. „Italien sei jetzt eine Geisel der EU“, sagt er.
Doch es sind nicht nur die Milliarden aus Brüssel, die seinen Niedergang einleiteten. Seine Partei, die Lega, hat die Corona-Pandemie in Norditalien miserabel gemanagt. Zuerst negierte man die Seuche, dann machte man sie lächerlich, dann weigerte man sich, die Hotspots abzusperren. Die Folgen sind bekannt. Zudem wurde Salvini jetzt die Immunität entzogen, weil er sich dagegen stemmte, Flüchtlingsschiffe, die sich in Not befanden, in Italien anlegen zu lassen. Zwar wird er versuchen, den anstehenden Prozess zu einem Schauprozess zu machen, in dem er sich als Retter Italiens aufspielt. Doch all das hat man schon hundert Mal gehört und wird schnell verpuffen. Und Italien hat er auch nicht gerettet.
Die Bilanz des einstigen Superstars ist jämmerlich. Ausser grossen Sprüchen kann er nichts vorweisen. Heisst das nun, dass er für alle Zeiten ein Has-been ist? Italien erwartet schwere Zeiten. Wirtschaftlich stehen leidvolle Jahre mit vielen Entbehrungen bevor. Schlägt dann wieder die Stunde der Populisten, die das Blaue vom Himmel versprechen? Vielleicht. Aber der Heilsbringer könnte dann ein anderer als Salvini sein.
Die Regierung Conte wird sich wohl – gefüttert mit den EU-Milliarden – noch einige Zeit an der Macht halten. Und mit jedem Tag, der vergeht, verblasst der Glanz des einst leuchtenden Lega-Stars. Erloschene Sterne erleben in Italien fast nie ein Comeback. Verlierer werden selten reaktiviert. Zu neuer Hoffnung gehören neue Männer, neue Frauen.
Einzig Berlusconi war ein ewiger Stehauf-Mann: doch der hatte Geld und Fernsehstationen. Salvini hat weder das eine noch das andere. Und er hat viele Feinde. Auch im eigenen Haus.