Erlebnis kommt von erleben. Doch längst nicht alles, was wir erleben, ist auch ein Erlebnis. Dieser Meinung sind zumindest die Herrschaften, die den Duden schreiben. Dort wird nämlich Erlebnis als „von jemandem als in einer bestimmten Weise beeindruckend erlebtes Geschehen“ definiert. Nun eignet sich das Wort „Erlebnis“ aber geradezu ideal, um aus einer hundskommunen Aktivität oder einem ebensolchen Gegenstand ein Ereignis zu machen. Und es lässt sich fast beliebig paaren, womit auch immer. Da werden Erlebnisse im Multipack und auf allen Gebieten verkauft.
Frisch aus der „Erlebnispfanne“
Das morgendliche Duschen etwa wird dank dem beworbenen Duschgel zum „gesunden Frischeerlebnis für empfindliche Haut“. Und Ihre Haut wird beeindruckt sein vom Eingeseiftwerden! Dasselbe winkt bei einem Einkauf im Grossmarkt. Dort sorgen „längere Öffnungszeiten für noch mehr Frischeerlebnis!“ Je länger der Laden geöffnet ist, desto frischer die Produkte? Das zu erleben wäre ja tatsächlich fast ein Erlebnis. Weltweit erhält man „Shopping-Erlebnisse“, manchmal sogar „pur“. Jenen, die das Erlebnis „hautnah“ suchen, wird es im Gedränge gratis mitgeliefert.
Erleben macht hungrig. Dem kann abgeholfen werden in einem Lokal mit „Erlebnis-Gastronomie“. Etwa in einem, in dem die Hühner direkt auf den Teller geflattert kommen. Das wäre dann gleichzeitig das ultimative Frischeerlebnis. Die Erlebnis-Manie macht übrigens nicht einmal vor der Altersheim-Küche halt. Dort kommen Pilzrisotto und Paëlla aus der „Erlebnispfanne“. Ist es nun ein Erlebnis für die Pfanne oder für den Inhalt, ist man versucht zu fragen. Oder gar für den Koch, der im Topf herumrührt? Bleibt nur zu hoffen, dass die Esserinnen und Esser das Pilzerlebnis nicht nur er- sondern auch überleben.
Musik als Leseerlebnis
Bei Ermüdungserscheinungen drängt sich ein „Entspannungserlebnis“ auf, sei es in der Wellnessoase, beim Yoga, Lesen, Musikhören oder ganz einfach vor dem Fernseher. Die neue HD-Technologie verspricht ein „brillantes Fernseherlebnis“, und aus den Lautsprechern schallt das „dreidimensionale Klangerlebnis“, dass es eine Freude ist. Wem das zu laut ist, der nehme das Magazin des Musikvereins Wien zur Hand, denn das ist „Musikvereinsqualität als Leseerlebnis“. Man stelle sich Beethovens Fünfte in einer Textfassung vor: Tädädädäää …
Am Ende des Tages „perfektionieren Sie das Schlaferlebnis“ auf der neuen Matratze. Wer wollte denn nicht auch im Schlaf noch etwas Beeindruckendes erleben – vielleicht einen Albtraum. Oder wenigstens einen, der dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ ähnelt. Jener Geschichte also, in der sich ein eitler Kaiser von zwei Betrügern Kleider aus einem Stoff nähen lässt, der so exklusiv sei, dass er für dumme und für ihr Amt untaugliche Leute unsichtbar sei, wie sie erklären. Niemand kann den Stoff sehen, auch der Kaiser selbst nicht. Doch keiner will das zugeben; wer will denn schon für dumm oder untauglich gelten. So jubelt das Volk dem in seinen „neuen Kleidern“ vorbeidefilierenden Kaiser begeistert zu, vorgeblich voller Bewunderung über das exquisite Gewand. Bis ein kleines Kind bemerkt: „Aber er hat ja gar nichts an.“ Die Betrüger jedoch machen sich inzwischen mit dem vielen Geld, das der Kaiser für die unsichtbaren Kleider bezahlt hat, über alle Berge.
Das Aha-Erlebnis kommt hoffentlich im Schlaf: Längst nicht überall, wo Erlebnis drauf steht, ist auch wirklich eines drin.