Sei dem 12. Mai stehen die jemenitischen Truppen in der Offensive gegen "die Helfer der Scharia", wie sich eine Gruppe von islamistischen Radikalen nennt, die mit AQAP (al-Qaida on the Arabian Peninsula) zusammenarbeitet. Ihre Kämpfer haben die Unruhen und Kämpfe des vergangenen Jahres in der jemenitischen Hauptstadt und in der zweiten Stadt des Landes, Ta'iz, ausgenützt, um sich im Süden Jemens in der Provinz Abyan, die östlich an Aden angrenzt, ein eigenes Herrschaftsgebiet zu schaffen. Weiter östlich davon, in der Wüste von Shabwa liegt ihr Rückzugs- und Ursprungsgebiet, wo sie ihre Aktivitäten begonnen hatten.
Die Amerikaner im Hintergrund
Als Präsident Ali Saleh Abdullah noch regierte, das heisst vor Februar dieses Jahres, hatten seine Feinde behauptet, der Präsident lasse die islamistischen Kämpfer weitgehend gewähren. Dies deshalb, weil er umso mehr Unterstützung von den Amerikanern erhalte, je dringender den USA die Gefahr von AQAB im jemenitischen Süden erscheine. In der Tat hatten die Amerikaner ihre Hilfsgelder, die für Terrorbekämpfung bestimmt waren, zwischen 2006 und 2010 von 30,3 Millionen Dollar jährlich auf 252,6 Millionen aufgestockt. Als dann auch in Jemen die Demonstrationen gegen den Präsidenten und sein Regime ausbrachen, hatte Washington diese Hilfe eingestellt. Doch nachdem endlich der Präsident unter dem Druck der USA und der Golfstaaten zu Gunsten seines Vizepräsidenten zurückgetreten war, hatten die Amerikaner ihre Waffenhilfe wieder aufgenommen und wieder Ausbildner für die jemenitische Armee entsandt. Nach amerikanischen Einschätzungen stellt heute die AQAB die grösste terroristische Drohung gegen das amerikanische Festland dar. Dies vor allem, weil der noch immer gesuchte Meisterbomber, Ibrahim al-Asiri, der die bekannte Unterhosenbombe entwickelt und neuerdings auch noch verbessert hat, dort weiter am Werk sein sol. Es besteht die Befürchtung, er könnte sein Wissen an Schüler und Nachfolger weitergeben.
Kämpft nun die Revolutionsgarde mit?
Diese Hilfe geht offenbar nicht an die jemenitische Regierung, sondern direkt an die Einheiten, welche die Amerikaner ausrüsten und mit denen sie zusammenarbeiten. Das heisst primär an die Republikanische Garde. Sie ist 30‘000 Mann stark, bisher in Sanaa stationiert, und steht immer noch unter dem Oberbefehl des Sohnes des zurückgetretenen Präsidenten, Ahmed Ali Saleh.
Möglicherweise werden nun einige Einheiten dieser Elitetruppe in den Kämpfen im Süden eingesetzt. Stammesleute aus den von den Islamisten besetzten Regionen kämpfen zusammen mit den regulären jemenitischen Truppen. Die Militärsprecher melden Erfolge. Doch haben sie solche auch regelmässig in den Kämpfen im Norden des Landes verkündet, die sie gegen die aufständischen Houthis führten, welche heute den Norden flächendeckend beherrschen. Man sollte sich deshalb nicht allzu sehr auf die Erfolgsmeldungen der Armeesprecher verlassen, obwohl von der Gegenseite - wie das auch regelmässig in den Houthi-Kriegen der Fall war - in Sanaa nicht viel zu vernehmen ist.
Deutlich ist jedenfalls, dass die gegenwärtigen Kämpfe um den Flecken Jaar verlusteich und blutig sind. Jaar ist, neben der Provinzhauptstadt Zinjibar, weiter südlich am Meer gelegen, wohl die wichtigste Ortschaft, in der die Islamisten sich eingenistet haben. Von ihr aus hatten sie versucht, Richtung Sanaa, in die nördliche Nachbarprovinz "al-Baida" vorzustossen. Die dortige Stadt Radda, die etwa halbwegs zwischen Aden und Sanaa liegt, war vorübergehend. im Besitz der Islamisten, bevor sie durch die gegenwärtige Armeeoffensive in die Defensive gezwungen wurden.
Die umstrittenen Drohnen
Amerikanische Drohen spielen in diesen Kämpfen eine bedeutende Rolle. Zwar verlautet offiziell nichts darüber, ja, es wird sogar offiziell dementiert. Doch alle wissen es. Angebliche Augenzeugen melden via Mobiltelefone immer wieder Details über Drohnen-Einsätze.
Sie dienen der Aufklärung, aber auch der Tötung oder Ermordung von Leuten, die die Amerikanern als Anführer der Terroristen betrachten. Manche sind es wohl auch. Doch Zivilisten, die sich in ihrer Nähe befinden, werden ebenfalls gewissermassen aus heiterem Himmel ermordet, und die Jemeniten schätzen dies wenig. Es trifft nicht alle, aber es kann jeden treffen, der gerade das Pech hat, sich am falschen Ort zu befinden.
Das Vorgehen der Amerikaner wird von den Jemeniten nicht als *kriegerische Aktion“ bezeichnet, denn ein Kriegsgegner ist nicht sichtbar. Die Jemeniten betrachten die Drohnen-Angriff als reines Morden. Es gibt Beobachter, die der Ansicht sind, die Drohnenschläge schafften so viel böses Blut unter der betroffenen Bevölkerung, dass sie für immer für neue Rekruten für Qaida sorgten. In Afghanistan und in den pakistanischen Stammesgebieten an der afghanischen Grenze, wo die Drohnen auch immer häufiger eingesetzt werden, haben sie eine vergleichbare Wirkung.
Zurück in die Wüste?
Armeesprecher erklären, sie hätten in schweren Kämpfen den Berg Jebel Yassuf eingenommen. Stammesleute, die auf Seiten der Armee kämpfen, bestätigen dies. Jebel Yassuf erhebt sich über Jaar. Laut Armeeangaben wird der Flecken Jaar von allen Seiten belagert. Die Islamisten würden verzweifelten Widerstand leisten. Die Armee und die Stammesleute geben jeden Tag Verlustziffern bekannt, die sowohl die eigene Mannschaften wie auch die Islamisten betreffen. Wie weit diese den Realitäten entsprechen, ist ungewiss. Viel mehr ist nicht zu erfahren.
Wenn die islamistischen Kämpfer, wie zu erwarten ist, ihre Stellung in Jaar verlieren und selbst, wenn sie gezwungen werden, Zinjibar aufzugeben, wird damit der Krieg nicht beendet sein. Sie werden sich vielmehr in die Wüsten von Shabwa und Marib zurückziehen. Sie werden versuchen, ihren Widerstand in die Länge zu ziehen, in der Hoffnung, dass der Staat Jemen endgültig zusammenbricht und dass sie dann eine weitere Chance wahrnehmen könnten. Viel wird dann davon abhängen, wie weit die Stämme bereit sind, ihnen weiterhin Schutz zu gewähren. Auch in dieser Hinsicht ist die Frage zu stellen, ob der Gebrauch von Drohen sich als produktiv