Dass der israelische Geheimdienst sich bereits wiederholt mit Aktionen gegen den Iran und im Iran hervorgetan hat, ist längst keine Neuigkeit. Nun sind in Israel Berichte über die Anwerbung von einheimischen Spionage-Mitarbeiterinnen durch den Iran veröffentlicht worden.
Für einen Teil dieser Operationen übernahm Israel offen die Verantwortung – wie etwa die Entwendung umfangreicher Unterlagen eines Nuklearzentrums in Teheran vor einigen Jahren. Der damalige israelische Ministerpräsident Netanyahu trat mit einem Teil der Beute sogar vor den Vereinten Nationen auf, um gegen das Atomabkommen mit dem Iran zu polemisieren.
Anschläge gegen Atom-Spezialisten und Anlagen
Nicht ganz so überdeutlich wurde Israel nach der Ermordung des wichtigsten iranischen Atomwaffen-Spezialisten, Mohsen Fakhrizadeh, vor zwei Jahren. Und noch bedeckter verhielt Israel sich bei einer Kette von tödlichen Anschlägen auf iranische Atomforscher in den Jahren davor – zum Teil auf offener Strasse in Teheran. Wie auch bei der wiederholten Sabotage iranischer Atomanlagen ist bis heute unklar, ob Israel direkt verwickelt war oder ob es sich dabei einheimischer Oppositioneller bediente.
Umgekehrt schien der Iran in den letzten Jahren vor allem auf verbale Auseinandersetzung mit Israel zu setzen: Zwar ist er schon lange Waffenlieferant für die libanesische «Hizbullah» und deren islamistische Schwesterorganisationen im palästinensischen Gazastreifen (wie «Hamas» oder «Islamischer Jihad»), auf zwischenstaatlicher Ebene blieb es von Seiten Iran in Richtung Israel bisher eher bei Drohungen und Warnungen. Der jüngste Testflug einer iranischen Transport-Drohne (der Nachbau eines US-Modells) ging zwar schon etwas weiter, sonst beschränkte Teheran sich aber auf Worte, denen dann freilich nichts folgte.
Unterbindung iranischer Waffenlieferungen
Selbst in Syrien – wo iranisches Militär und Milizen schon lange zum Alltag gehören – liegt die «Initiative» in Händen Israels, das dort regelmässig iranische Militärlager im Landesinneren oder auch Hafenanlagen an der syrischen Mittelmeerküste angreift. In beiden Fällen, um den iranischen Nachschub an Waffen, Munition, Öl und Personal nach Syrien und für die libanesische «Hizbullah» zu stoppen oder wenigstens zu behindern. Der Iran hingegen begnügte sich bisher mit Propaganda: Etwa mit der Meldung zu Weihnachten, man habe eine Militärübung mit der (fiktiven) Bombardierung des israelischen Atomzentrums von Dimona abgeschlossen.
In Israel ist man zwar unablässig damit beschäftigt, den Iran als ernste Bedrohung hinzustellen und dies unter anderem zur Rechtfertigung der israelischen Aktionen im und gegen den Iran zu benützen. Gleichzeitig scheint man bisher aber ziemlich gelassen zuzuschauen, mit welchen Mitteln der Iran versucht, an strategisch wichtige Informationen über Israel zu kommen. Ein Beispiel hierfür wurde dieser Tage bekannt, als der israelische Geheimdienst und die Militärzensur beschlossen, einen – aus vielerlei Gründen – recht ungewöhnlichen Fall von Spionage für die Veröffentlichung zuzulassen:
Berichte über iranisches Spionagenetz in Israel
Die israelischen Sicherheitsbehörden untersuchen den Fall bereits seit November: Vier israelische Frauen und der Ehemann einer von ihnen werden verhört, weil sie angeblich Aufträge eines iranischen Agenten übernommen und erfüllt hatten. Dieser hatte die Frauen – allesamt im Iran geboren und als Kinder nach Israel gekommen, wo sie in verschiedenen Orten leben – über soziale Netzwerke im Internet kontaktiert, in denen Iran-stämmige Israelis miteinander verkehren.
Während im Iran heute noch knapp 10’000 Juden leben (ein Zehntel der Zahl vor der Revolution, aber doch die grösste jüdische Gemeinde in einem muslimischen Staat), stammen knapp
23’000 Israelis aus dem Iran. Rambod Namdar – so der angebliche Name des Kontaktsuchenden – behauptete von sich, iranischer Jude zu sein, und er soll den Eindruck erweckt haben, mit der politischen Führung des Iran nicht konform zu gehen.
Die von ihm kontaktierten Frauen wollen keinen Verdacht geschöpft haben, dass dies erfunden war. Auch dann nicht, als er begann, sie mit unterschiedlichen Aufträgen zu betrauen: So sollte die eine Fotos von der US-Botschaft in Jerusalem liefern, eine andere von der Tel Aviver Filiale dieser Botschaft. Ausserdem sollten die vier unter anderem Details über verschiedene Stadtverwaltungen liefern und über Struktur und Einrichtungen der Streitkräfte. Eine der vier Frauen versuchte der Teheraner Chat-Partner sogar zu überreden, dass sie ihren Sohn doch auf eine Karriere beim militärischen Geheimdienst vorbereite.
Anwerbung von Frauen iranischer Herkunft in Israel
Daraus wurde nichts. Wie auch eine Reihe von Aufträgen offenbar unerledigt blieben. Etwa die Fotos der US-Botschaft kamen nicht zustande. Der Auftraggeber gab aber nicht auf. Er liess den Frauen sogar Honorare zukommen, wenn eine von ihnen in die Türkei reiste. Keine fürstlichen Honorare, sondern eher ein Taschengeld. Aber offenbar doch genug, um die ungewöhnliche Arbeitsbeziehung aufrechtzuerhalten. Misstrauisch wurde offenbar der Mann einer der vier Frauen: Als Taxifahrer war er seiner Frau behilflich, zur Filiale der US-Botschaft zu gelangen, die geforderten Fotos kamen aber offenbar nicht zustande. Dafür wird der zu erwartende Prozess nicht nur gegen die vier Frauen, sondern auch gegen den Fahrer geführt werden.
Wie der Prozess für die Gruppe enden wird, kann jetzt noch nicht prognostiziert werden. Zumal solche Fälle bisher einsame Ausnahme sind in Israel. Trotz der Behauptung des Geheimdienstes, man habe schon wiederholt Versuche des Iran vereitelt, in Israel Agenten zu finden oder zu platzieren. Bekannt ist allein der Fall eines ehemaligen Ministers, Gonen Segev, der vor drei Jahren zu elf Jahren Gefängnis wegen Spionage für den Iran verurteilt wurde. Dieser Fall ist aber eine klare Ausnahme: Segev war nicht nur Arzt, Abgeordneter und Energieminister, er war auch als Drogenschmuggler verurteilt worden und behauptete offenbar in seinem Spionageprozess, er habe gehofft, Doppelagent zu werden.
Solche Hoffnungen lagen und liegen den vier Frauen fern, um die es jetzt geht. In den israelischen Medien geht man vielleicht deswegen so rücksichtsvoll mit ihnen um und behandelt sie wie «Grossmütter in ihren 50ern». Dabei sind sie erst 47 Jahre alt.