Unter Nahost-Korrespondenten ist der 64-jährige Robert Fisk, Berichterstatter des „Independent“ mit Sitz in Beirut, eine Legende. Einige unter ihnen, zum Beispiel Hugh Pope, ein früherer Korrespondent des „Wall Street Journal“ in der Region, erzählen sogar, von seinen Depeschen einst inspiriert worden zu sein. In seinem Buch „Dining With Al-Qaida“ schreibt Pope aber auch von „Fiskery“. Davon, wie sich Kollegen in Beirut über Fisks Schreibstil zu mokieren pflegten, einen Stil, der „Fakten, Zitate, Zeugen und selbst ganze Kämpfe“ zuspitze, um eine Story „abheben“ zu lassen – „am liebsten auf die Frontseite“.
Die „New York Times“ nannte Robert Fisk 2005 „Grossbritanniens wohl berühmtesten Auslandskorrespondenten, einen Journalisten von „aussergewöhnlicher Kraft“, der seinen Lesern „den islamischen Nahen Osten nahe bringt sowie dessen Demütigungen und Leiden enthüllt“. Gleichzeitig aber hielt die „Times“ in einer Buchrezension fest, Fisk sei – Expertise, Engagement und Auszeichnungen zum Trotz - zu „einer Karikatur seiner selbst“ mutiert. Dann nämlich, wenn er gegen Israel und die Vereinigten Staate wüte, die Arbeit von Kollegen als feige und unehrenhaft einstufe und „die selbstzufriedene Heuchelei des Westens“ anprangere, darüber jedoch den wahren Journalismus vernachlässige.
Eine amerikanische Bestechnung
Robert Fisks journalistische Methoden mögen in der Tat umstritten sein und seine meist scharfen Kommentare sind es nicht weniger. Obwohl er Klartext spricht wie kaum ein zweiter, ohne Rücksicht auf Rang und Namen, mit einem heiligen Zorn, der sich auch über die Jahre nicht hat besänftigen lassen – im Gegenteil. Jüngst hat Fisk das Angebot der amerikanischen Regierung kritisiert, Israel im Gegenzug für einen dreimonatigen Unterbruch der Siedlungstätigkeit drei Milliarden Dollar zu zahlen - in Form moderner Kampfflugzeuge und weiterer Militärhilfe. Der Titel von Fisks Kolumne im „Independent“ vom vergangenen Samstag: „Eine amerikanische Bestechung, die nach Appeasement-Politik stinkt“.
Jeder, schreibt Fisk, der das Unrecht, das ein Volkes einem anderen antue, nicht verurteile, sei ein Appeaser: „ Jeder, der Frieden um jeden Preis will, geschweige denn gegen eine Überweisung von drei Milliarden Dollar an die schuldige Seite, ist ein Appeaser. Jeder, der sich vor den Konsequenzen fürchtet, falls er für die internationale Moral und gegen territoriale Gier eintritt, ist ein Appeaser.“ Doch genau das, so der Nahost-Korrespondent, tue US-Präsident Barack Obama „mit seinem unglaublich pathetischen Versuch“, den israelischen Premier Benjamin Netanyahu dazu zu bewegen, sich für 90 Tage dem Völkerecht zu unterwerfen: „Obama ist ein Appeaser“.
Es geht nicht um Menschen
Der Umstand, dass der Westen sowie dessen politische und journalistische Eliten Obamas „närrischen“ Vorschlag ernst nähmen als weiteren Schritt im „Friedensprozess“, verdeutliche das Ausmass, in dem wir, was den Nahen Osten betrifft, jeglichen gesunden Menschenverstand verloren hätten: „Es ist ein Anzeichen dafür, wie sehr sich Amerika (und Europa, dass es versäumt hat, diesen Wahnsinn zu verurteilen) von der Furcht vor Israel leiten lassen – und wie stark sich Obama vor den Anhängern Israels im Repräsentantenhaus und im Senat fürchtet.“
Amerika, so Fisk, zahle pro Monat eine Milliarde Dollar für einen israelischen Baustopp: „Das ist alle zwei Wochen eine halbe Milliarde Dollar. Das sind 500 Millionen Dollar pro Woche. Das sind 71'428 571 Dollar pro Tag, oder 2’976 190 Dollar pro Stunde oder 49 603 Dollar pro Minute.“ Ausserdem würden die USA weiterhin gegen jede Israel-kritische Resolution der Uno ihr Veto einlegen und „Palästina“ daran hindern, einen unabhängigen Staat auszurufen.
Was heute, schliesst Robert Fisk, nach 43 Jahren israelischer Besetzung in der Region noch zähle, sei nicht Gerechtigkeit und schon gar nicht Demokratie, sondern der einzige Gott, dem Christen, Juden und Muslime heute noch huldigten: der Sicherheit. “Es geht nicht um Menschen. Es geht um Darstellung. Es geht nicht um Gerechtigkeit. Es geht um Sicherheit. Und um Bares. Viel Bares. Adieu Palästina.“