Das Schweizer Kreuz oder die Marke Schweiz ist eine Qualitätsauszeichnung mit hohem Wert für unsere Güter und Dienstleistungen. Eine Gesetzesrevision will sie und damit den Standort Schweiz stärken. Der Vorschlag des Bundesrates bewirkt aber das Gegenteil. Gerettet werden kann die Revision nur durch das Parlament.
Kein Zweifel: Der Zusatz „Schweiz“ bei Produkten oder Dienstleistungen ist ein Gütesiegel, das hohe Qualität und Zuverlässigkeit bei Produkten und Dienstleistungen signalisiert. Dieser Brand ist quantifizierbar. Auf 20 Prozent Mehrwert kommt eine Studie der Universität St. Gallen. Und dies nicht nur für Uhren, Schokolade und Käse, sondern auch für andere Branchen. Industrielle Produkte, wie Maschinen oder die berühmten Schweizer Offiziersmesser, aber auch Versicherungen und Banken profitieren im In-und Ausland von diesem Co-Brand “Schweiz“. Insgesamt beziffert der Bundesrat den Mehrwert auf fast 6 Milliarden Franken pro Jahr.
Stärkung der Marke "Schweiz"
Nun droht Gefahr, Missbräuche im Ausland mit der Marke Schweiz nehmen zu. Kosmetikprodukte, Uhren, Backwaren, Pfannen, Küchengeräte – um nur ein paar Beispiele zu nennen - werden vollumfänglich in China, Russland, Deutschland oder in anderen Ländern hergestellt und hemmungslos mit dem Schweizer Kreuz versehen und als Schweizer Produkte verkauft. In solchen Fällen ist nicht Schweiz drin, wo Schweiz drauf steht. Handlungsbedarf ist angesagt. Der Bundesrat legte vor zwei Jahren eine Revision des Markenschutz- wie des Wappenschutzgesetzes vor. Ziel: Die Marke „Schweiz“ soll gestärkt werden.
Sie darf nur verwendet werden, wenn bei pflanzlichen Nahrungsmitteln der Ort der Ernte und bei Mineralwasser der Ort der Gewinnung in der Schweiz liegt. Eine Selbstverständlichkeit, die zu keinen Problemen Anlass gibt. Die Quelle vom Valser Wasser beispielsweise ist in der Schweiz, ergo darf das Schweizer Kreuz auf die Etikette.
Problematischer wird es bei den verarbeiteten Nahrungsmitteln. Wird das Produkt mit dem Schweizer Kreuz ausgelobt, müssen nicht weniger als 80 Prozent der Rohstoffe aus der Schweiz stammen. Ausnahmen gibt’s nur, wenn kein oder zu wenig Rohstoffe in der Schweiz erhältlich ist. Schweizer Kirsch etwa darf also nicht aus polnischen Kirschen gebrannt werden, dagegen darf Schweizer Schokolade mit ausländischem Kakao produziert werden, weil in der Schweiz kein Kakao wächst. Bei industriellen Produkten schliesslich, wie Uhren oder Messern, ist die Herkunft der Rohstoffe nicht relevant, sondern hier zählt nur die Wertschöpfung, d.h. die Herstellung von 60 Prozent des Produktes in der Schweiz Für das rohstoffarme, aber ausbildungsreiche Land Schweiz die richtige Lösung.
Im Brennpunkt: verarbeitete Lebensmittel
Matchentscheidend für die ganze Vorlage ist die Lösung im Bereich verarbeitete Nahrungsmittel. Der Bundesrat zielt mit seinen Vorschlägen weit über das Ziel hinaus. Die Nahrungsmittelindustrie ist entsetzt. In ihrem Newsletter wird gefragt: „Bundesratsvorschlag als Markenkiller?“ Würde dieser Gesetzesentwurf umgesetzt, müssten nämlich Traditionsmarken wie Kambly, Hero, Knorr, Le Parfait, Ricola oder Thomy und Basler Läckerli auf das Schweizer Kreuz verzichten, ausser sie würden den Grossteil ihrer Rohstoffe in der Schweiz kaufen. Dies würde zwar die Bauern freuen, aber die Produkte unverhältnismässig verteuern. Ob die Konsumenten mehr Lust auf ein Basler Läckerli hätten, das zwar aus Schweizer Mehl gemacht würde, aber teuer ist, wage ich zu bezweifeln. Das Geschäft wurde dem Nationalrat als Erstrat zugewiesen und dessen vorberatende Rechtskommission hatte nicht weniger als die Suche nach dem Ei des Kolumbus vor sich.
Wie findet man das Ei des Kolumbus? Als Mitglied der nationalrätlichen Kommission, welche diese Swissness-Vorlage beraten durfte, stellte ich zunächst eine beträchtliche Flut von Eingaben sämtlicher direkt oder indirekt an der Vorlage interessierter Kreise fest. Die Bauernverbände, Konsumenten, Nahrungsmittelindustriellen, die Uhrenindustrie, alle deckten uns förmlich mit Vorschlägen ein. Keine Übertreibung: Zusammengezählt kam ich auf über 100 Seiten mit z.T. diametral entgegengesetzten Anträgen. Oh Parlamentarierherz und noch treffender oh Parlamentarierhirn, wie gehst du damit um? Kein Mensch kann das in nützlicher Zeit vernünftig verarbeiten. Man sucht das Gespräch mit den interessierten Kreisen. Aber auch das führt nur weiter mit einem einfachen Frageraster:
Wie denkt der Durchschnittskonsument?
Welches sind die Auswirkungen auf die Nahrungsmittelindustrie und die Landwirtschaft?
Wer Emmentaler Käse konsumiert, erwartet, dass dieser aus Schweizer Milch hergestellt wurde. Wer ein Basler Läckerli kauft, denkt weniger an das darin verarbeitete Mehl, sondern vielmehr an eine in der Schweiz produzierte Süssigkeit. Also: Bei einfach oder schwach verarbeiteten Nahrungsmitteln ist die Herkunft des Rohstoffes wichtig, bei stark verarbeiteten ist der Herstellungsprozess, die Wertschöpfung zentraler. Der Konsument differenziert also.
Die Schweizer Nahrungsmittelindustrie beschäftigt an rund 200 Standorten immerhin rund 35‘000 Mitarbeitende. Die Swissness-Vorlage Variante Bundesrat würde deren Produktion verteuern. Es bestünde die Gefahr, dass internationale Firmen, dem Werkplatz Schweiz den Rücken kehren und die Produktion ins kostengünstigere Ausland verlegen würde. Arbeitsplätze gingen verloren. Der Standort Schweiz würde für die Nahrungsmittelindustrie geschwächt. Und die Bauernsame: Was würde es unserer Landwirtschaft nützen, wenn Teile der Nahrungsmittelindustrie ins Ausland abwandern würde. Nichts, rein gar nichts.
Die Beantwortung beider Fragen musste unsere Kommission zu neuen Lösungen führen.
Der Kompromis
Das Ei des Kolumbus fanden wir nach zahlreichen mehrstündigen Sitzungen in der Unterscheidung zwischen schwach und stark verarbeiteten Nahrungsmitteln. Für die schwach verarbeiteten Produkte, wie Käse, Joghurt, Früchte, Milch, Gemüse, Getreide usw. ist die Herkunft der Rohstoffe aus der Schweiz zentral. Nur wenn 80 % der Rohstoffe aus unserem Land stammen, darf die Marke Schweiz verwendet werden. Hier war die Kommission auf der Linie Bundesrat. Bei den stark verarbeiteten Nahrungsmitteln müssen aber nur 60 % der Rohstoffe aus der Schweiz kommen, dafür wird hier die Wertschöpfung, also die Produktion in der Schweiz mitentscheidend.
Was sehr einfach tönt, war ein hochkomplizierter Prozess in der zuständigen nationalrätlichen Kommission. Für mich ein genialer Kompromis. Die Bauern verkaufen mehr Rohstoffe im Bereich der einfachen Lebensmittel an die Nahrungsmittelindustrie, welche ihrerseits keine wesentlichen Standortnachteile erleidet. Eine klare Stärkung der Marke „Schweiz“. Die Schweizer Behörden erhalten dadurch auch mehr Kompetenzen, um Klagen gegen entsprechende Verstösse im Ausland einzureichen. Noch erkennen weder der Bundesrat noch die Bauernverbände, dass dieser Kompromiss der einzig politisch gangbare Weg ist. Bleibt zu hoffen, dass sich dies bis zur entscheidenden Frühjahrssession 2012 ändert, sonst droht die ganze Vorlage abzustürzen.