Das schwere Erdbeben mit Epizentrum im nördlichen Myanmar hat auch Laos und Thailand betroffen. Diese Ecke Südostasiens ist besser bekannt unter dem Namen „Goldenes Dreieck“ und gilt als Opium- und Drogen-Paradies. Denn dort wird in unwegsamen Grenz-Gebiet Mohn angepflanzt. In bestens ausgerüsteten Labors produzieren Chemiker Heroin und seit wenigen Jahren auch Party-Drogen. Über China, Vietnam, Thailand und Myanmar finden die Produkte den Weg in die weite Drogen-Welt.
Doch Schlagzeilen liefern weder Drogen noch Laos. Es sind beschädigte Atomkraftwerke, Erdbeben, Tsunami. Dazu kommt derzeit der Nahe Osten und zuvördert Libyen. Wer in der Weltpresse blättert, kommt nicht darum herum. Die Frontseiten der gedruckten ebenso wie die digitalen Internet-Websites kennen seit Wochen nur diese Aufmacher, und die Produzenten von Radiosendungen sowie des Fernsehens können gar nicht genug davon bekommen. Live, versteht sich.
Ein zynisches Diktum
Gewiss, Japan und Libyen sind mit Recht in den Schlagzeilen, fühlen sich doch Menschen überall auf der Welt davon betroffen und sind entsprechend besorgt. Andererseits bestätigt der Lauf der Dinge, so wie sie medial verbreitet werden, durchaus auch ein altes, zynisches Diktum von Nachrichten-Journalisten. Nämlich: Nur schlechte Nachrichten sind – für die Medien – gute Nachrichten. So ist es. Ganz einfach deshalb, weil Tragödien, Katastrophen, Unglücksfälle und Verbrechen sowie Tratsch und Klatsch schon immer die Menschen weit mehr interessiert haben, als die sogenannte „gute“ Nachricht.
Der Zufall will es, dass ich während der sich täglich verschlimmernden Tragödien in Japan und Libyen Laos bereiste. Dort sind in der veröffentlichten Meinung zwar Japan und Libyen auch Themen. Am Rande jedenfalls. Die grossen Schlagzeilen in diesem armen südostasiatischen Land lieferte diesmal aber ein nur alle fünf Jahre stattfindendes innenpolitisches Ereignis, der Parteitag der kommunistischen „Laotischen Revolutionären Volkspartei“. Laos ist seit dem Ende des Vietnamkrieges – den die Vietnamesen, Laoten, Kambodschaner den Amerikanischen Krieg nennen – kommunistisch regiert.
Ähnlich wie China 1978 und später Vietnam 1986 hat sich auch Laos für Reformen entschieden, also die Öffnung nach aussen, Investitionen aus dem Ausland, Ausbau der Infrastruktur, private Unternehmer und so weiter und so fort. Ziel: Verbesserung des Lebensstandards für die Bevölkerung. Die Wachstumsraten lassen sich sehen. Es waren von Beginn der Reform 1988 bis 2010 satte 6,5 Prozentpunkte. Pro Jahr. Allerdings leben trotz dieser Fortschritte noch immer 80 Prozent der 6,5 Millionen Einwohner von der Landwirtschaft, auf Subsistenz-Niveau, notabene.
Niedriges Durchschnittsalter
Dass jetzt der Parteitag in der Hauptstadt Vientiane versucht, mit neuen Wirtschaftsplänen – im KP-Lingo der „7. sozio-ökonomische Entwicklungsplan“ – Laos endgültig aus der Armut zu heben, interessiert angesichts der internationalen Lage wohl kaum jemand in den entwickelten Industrienationen. Und doch, Laos gehört nach UNO-Statistik zu jener Länder-Gruppe, welche als die „am wenigsten entwickelten“ bezeichnet werden. Von dieser Liste von heute zehn Nationen will Laos, wenn es nach dem Willen des Parteitags geht, spätestens im Jahre 2020 gestrichen werden. Das wird schwierig, doch die Chancen stehen nach Ansicht der Asiatischen Entwicklungsbank ADB nicht schlecht.
Laos hat mit einem Durchschnittsalter von 21 Jahren eine noch sehr junge Einwohnerschaft (Schweiz: 41 J.), und die mittlere Lebenserwartung beträgt 62 Jahre (Schweiz: 80 J.). Dazu ist Laos sechs mal grösser als die Schweiz, bergig und nur spärlich besiedelt. Rund 30 Prozent der Bevölkerung leben in absoluter Armut nach UNO-Definition (1,25$ pro Kopf pro Tag) . Aussenpolitisch will die KP-Führung mit der ganzen Welt, besonders aber mit den wirtschaftsmächtigen Nachbarn Thailand und China sowie dem seit jeher nahestehenden Vietnam „gut befreundet“ sein. Die alte Kolonialmacht Frankreich spielt im Rahmen der von Paris mit ideologischem Nachdruck und mit harten Euro geförderten Francophonie eine besondere Rolle.
Wo bleibt die Entschuldigung?
Die von Land eingeschlossene Nation will Frieden, nichts als Frieden. Während des Vietnamkrieges litt Laos von Mitte der 50er Jahre – dem Rückzug der französichen Kolonialherren – bis Mitte der 70er Jahre – dem Sieg Ho-Chi-Minhs und des Vietcongs in Vietnam und der Pathet Lao in Laos – unsägliche Qualen. Weil der Nachschub Nordvietnams zu den Vietcong auf dem berühmten Ho-Chi-Minh-Pfad auch durch Laos erfolgte, bombardierte die amerikanische Luftwaffe Laos in die Steinzeit zurück. Noch heute sind Bauern und ihre Kinder Opfer von Bomben, die Jahrzehnte nach dem Abwurf explodieren. Agent Orange – Dioxin – machte ganze Landstriche unfruchtbar. Die USA, sonst als Verfechter der Menschenrechte immer schnell zur Hand, haben sich nie entschuldigt.
Die 576 Delegierten, die genau 191'700 Parteimitglieder vertreten, haben am Parteikongress in Vientiane alles wie geplant verabschiedet. Auch der Parteichef, ehemaliger General und konservative Reformer aus der Südprovinz Attopeu wurde wiedergewählt. Er heisst Choummaly Sayasone, ein Name, den Sie – Liebe Leserin, kluger Leser – in Ihrem Leibblatt wohl kaum wiederfinden werden. Im Falle von Laos gilt der zynische Journalisten-Spruch „Bad News is Good News“ für einmal wohl nicht. Denn merke: No News is Good News. Im Falle von Laos.