Man gäbe etwas darum, wenn man wüsste, wie Sartres ideologiekritisches Stück „Die schmutzigen Hände“ damals, kurz nach dem Krieg, auf der Pfauenbühne daherkam. Oskar Wälterlin hatte es inszeniert mit Schauspielern, die allesamt Antifaschisten und teilweise auch überzeugte Kommunisten waren. Sicher ist, dass das Stück drei Jahre nach Kriegsende und angesichts der sowjetischen Expansionspolitik in Osteuropa von höchster Aktualität war. Sartre hat das Drama zwar in einem imaginären Staat Illyrien angesiedelt, dahinter jedoch ist unschwer der Balkan zwischen deutscher Besatzung und kommunistischer Unterwanderung zu erkennen: eine Situation, die damals jedermann geläufig war.
Was aber bringt den 50jährigen westdeutschen Theatermacher Stefan Pucher dazu, dieses im Jahr 1943 spielende Stück auszugraben und neu zu inszenieren? Klar, wir haben uns in der Politik noch immer zwischen Fundis und Realos, zwischen Pragmatikern und Idealisten zu entscheiden. Und wir erleben gerade wieder einmal hautnah, wie orientierungslos gewordene Jugendliche skrupellosen Fanatikern auf den Leim kriechen. Aber reicht das, um eine Neuauflage eines schon damals reichlich papierenen Thesenstücks zu rechtfertigen?
Theaterwirksam war das Stück nie
So ganz scheint auch Pucher der Sache nicht getraut zu haben. Er verschont uns zwar mit wohlfeilen Aktualisierungsversuchen, muss aber doch arg viel Aufwand betreiben, um den Staub aus den Seiten zu blasen und die harzige Dramaturgie des Stücks vor dem Kollaps zu bewahren. Geschickt baut er Videosequenzen ein, um Zeitkolorit zu erzeugen und die Geschichte aus der Rückblende noch einmal aufzurollen. Effektvoll setzt er Farbakzente sowie Musik- und Tanzeinlagen ein, um Leben in das wortlastige Stück zu bringen. Aber reicht das? Nein, es reicht nicht. Und da hilft auch der alte Jean Ziegler nichts mehr, der uns in einer Videoeinspielung die Bedeutung des Klassenkampfes erklärt und die Entschuldung der armen Länder einfordert.
„Les mains sales“ ist ein Lesestück, ist eine als Kammerspiel verkleidete Theorie-Stunde, theaterwirksam war es nie. Dazu ist, um es salopp zu formulieren, zu wenig Fleisch am Knochen: zu wenig Spannung, zu wenig Psychologie, zu wenig Atmosphäre. Sartre war kein Theatermann. Seine Figuren sind blutleere Pappkameraden. Sie reden viel, sie behaupten viel, aber man spürt sie nicht. Gegen diese Mängel vermag letztlich auch ein so gutes Ensemble wie Isabelle Menke als Olga, Jirka Zett als Hugo, Henrike Johanna Jörissen als dessen Frau Jessica sowie Robert Hunger-Bühler in der Rolle des zur Ermordung frei gegebenen Parteisekretärs Hoederer nichts auszurichten.
Ziemlich prophetisch
Und doch war der Abend nicht umsonst. Es gab Momente, da hielt man den Atem an und dachte: Wie luzide er doch war, dieser Sartre, und wie erbarmungslos sein Blick auf die menschliche Existenz! Er sah das Scheitern der Ideologien ebenso voraus wie den Missbrauch des Menschen im Namen dieser Ideologien. Er sah die faulen Kompromisse voraus, den die Pragmatiker eingehen müssen, wenn sie an die Macht kommen oder an der Macht bleiben wollen. Und er sah voraus, nein, er wusste es bereits, dass es in der Politik wie im wahren Leben kein Tun, aber auch kein Unterlassen gibt, ohne dass man sich die Hände schmutzig macht, sprich: schuldig wird.
In Sartres Stück bringt der junge Revolutionär Hugo den Taktierer Hoederer nicht aus Überzeugung um, sondern aus Eifersucht. Hoederer geht Jessica an die Wäsche. Da erst zückt er den Revolver und schiesst. Zynischer wurde kaum je eine politische Tat gewürdigt, aber auch nüchterner nicht. Dass die Partei den jungen Mann hinterher für nicht mehr „verwendbar“ hält und ihn liquidiert, wundert aus heutiger Sicht niemanden mehr. Damals, 1948, war es ziemlich prophetisch.