Auch nach der bundesrätlichen Weichenstellung zugunsten eines Rückverkaufs von 25 Leopard-Panzern an das Unternahmen Rheinmetall in Deutschland wird der Druck, international, auf die Schweiz nicht nachlassen.
Wir sollten mehr unternehmen in Bezug auf die Konfiszierung von Oligarchen-Geldern, fordern die USA und fordert die EU, und wir sollten endlich auch grünes Licht geben für die Weiterlieferung von Munition und Panzerfahrzeugen durch die Regierungen Deutschlands, Dänemarks und Spaniens an die von Russland attackierte Ukraine.
Nichts überstürzen
Über die Mitteilung des Bundesrats betreffend die (längst ausgemusterten) Panzer rieben sich hierzulande, aber auch ausserhalb der Landesgrenzen, politisch Versierte die Augen, die einen positiv, andere negativ überrascht. Endlich habe sich eine pragmatische Einstellung durchgesetzt, jubelten viele in der FDP, noch mehr in der Mitte und manche auch etwas links davon. Verletzung der Neutralität, lautete dagegen das Verdikt der diversen Gegenseiten.
Nun, so wie immer, in der Schweiz wird nichts «überstürzt» gemacht. Der Nationalrat wird sich am 14. Juni mit dem Thema befassen, der Ständerat erst in der Herbstsession. Nur wenn sich in beiden Kammern des Parlaments ein Konsens durchsetzt, wird der Bundesrat definitiv entscheiden können.
Der Druck auf die Schweiz wird bleiben, aber die Frage ist berechtigt, wie viel Druck denn auch auf andere Neutrale in Europa ausgeübt wird und wie diese sich verhalten. In erster Linie, und das könnte uns hierzulande vor allem interessieren, auf unseren östlichen Nachbarn, Österreich.
Auch nicht auf der richtigen Seite stehen?
Der regelmässige Blick in die österreichischen Medien ist da ebenso aufschlussreich wie verwirrend. Bundeskanzler Nehammer liebt es, die Neutralitäts-Treue des Landes zu unterstreichen – der Bundespräsident, Alexander van der Bellen, nimmt es dagegen offenkundig gelassener. Er befürwortete zum Beispiel, dass österreichische Soldaten in der Ukraine bei der Minenräumung aktiv sein sollten. Das widerspreche der Neutralität nicht, es handle sich um eine humanitäre Angelegenheit, sagte er.
Die rechts-orientierte FPÖ lehnte sofort ab, bei der ÖVP waren die Meinungen geteilt. Aber die Debatte um das eigentlich brisante Thema flaute, medial, bereits nach wenigen Tagen ab. Eine breitere Öffentlichkeit erreichte sie ohnehin nicht.
Vergleicht man in diesem Kontext Österreich mit der Schweiz, stösst man auf Aspekte, die wohl nur mentalitätsmässig zu erklären sind. Eigentlich gilt ja für beide das, was vor einigen Wochen die «Frankfurter Allgemeine» in einen ziemlich bösartigen Titel gegossen hat: «Bloss nicht auf einer Seite stehen, auch nicht auf der richtigen». Das ist oder wäre Neutralität in Reinkultur. Die Schweiz, immerhin, ringt ständig mit sich selbst, um der richtigen Seite, im konkreten Fall also der Ukraine, im Rahmen des verfassungsmässig Möglichen zur Seite zu stehen.
Keine Quantité négligeable
Österreich fühlt sich da weniger in der moralischen Verpflichtung – seine Regierung beruft sich darauf, dass sie, gemessen am BIP (also an der Wirtschaftsleistung pro Person) am meisten humanitäre Hilfe für die Ukraine leistet, verglichen mit dem ganzen übrigen Europa (0,14 Prozent – die Schweiz landet mit 0,03 Prozent auf einem hinteren Platz). Es gibt bei unserem Nachbarn auch keine breite Debatte über die Verflechtung der eigenen Rüstungsindustrie mit jener anderer europäischer Staaten – als EU-Mitglied könne und wolle man auch nicht die Strategie der anderen etwa beim Kauf von Munition für die Ukraine durchkreuzen, lässt Wien verlauten.
Auch eine von «Investigate Europe» veröffentlichte Statistik über die Lieferung von Waffen aus Österreich nach Russland bis zum Jahr 2021 (die EU hatte bereits 2014 Restriktionen gegen Exporte nach Russland erlassen, nach der Annexion der Krim) fand medial wenig Echo. Und das, obschon die Rüstungsindustrie des Landes nicht unbedeutend ist – die Unternehmen Glock und Steyr-Mannlicher sind, im wirtschaftlichen Vergleich, zwar nicht so wichtig wie jene Firmen in der Schweiz, die im Rüstungssektor aktiv sind, aber totale Quantité négligeable sind sie auch nicht. Und was den Verkauf von Waffen in andere Länder betrifft, monierte die sozialdemokratische SPÖ, so gebe es nicht genügend Transparenz.
Von Österreich lernen?
Etwa an diesem Punkt endete (vorläufig) die Debatte um die Hilfe für die von Russland attackierte Ukraine. Etwas mehr mediale Aufmerksamkeit erreichte die Frage, ob und wie lange das Land weiterhin Gas aus Russland importieren werde. Der entsprechende Anteil sank zwischen 2021 und 2022 immerhin von 80 auf 57 Prozent. Dafür, dass Österreich noch wohl für einige weitere Jahre von Russland Gas kaufen will, gab es von der EU-Kommission (Österreich ist ja Mitglied der EU) nur mild-ermunternde Worte. Das Land habe keinen «klar definierten kurzfristigen Plan» zur vollständigen Abkoppelung von Gasimporten aus Russland, monierte die EU. Und empfahl – strenger wurde das nicht formuliert –, das Potential für die Produktion und den Transport von erneuerbaren Gasen weiterzuentwickeln.
Tja, Österreich hat es, im Vergleich zur Schweiz, international leicht. Allenfalls milde Kritik durch andere europäische Regierungen oder die EU, keine hörbaren Bösartigkeiten aus den USA.
Warum eigentlich? Als EU-Mitglied ist das Land besser integriert in die europäischen Debatten. Und, das ist allerdings Spekulation, die Mentalität der Österreicherinnen und Österreicher ist einfach anders als jene der Menschen in der Schweiz. Man nimmt es gelassener, lässt sich nicht so leicht unter Stress setzen.
Vielleicht könnten wir davon etwas lernen? Nicht irgendwelche «Wurstigkeit», aber etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit Problemen wie jenem um die «Leo-Panzer».