Nicht ganz unerwartet schaffte der bisherige CVP-Regierungsrat Luc Barthassat die Wiederwahl nicht. Auch in den eigenen bürgerlichen Kreisen war der Genfer Minister für Umwelt, Transport und Landwirtschaft umstritten. Im ersten Wahlgang vor drei Wochen landete er abgeschlagen auf dem neunten Platz. Jetzt fehlten ihm knapp 10’000 Stimmen, um gewählt zu werden.
Für die Christlichdemokraten ist das Ergebnis ein weiterer Rückschlag. Er reiht sich in eine seit langem anhaltende Serie von CVP-Niederlagen ein – kein gutes Omen für die nächstjährigen Eidgenössischen Wahlen.
Verlust der bürgerlichen Mehrheit
Während die Christlichdemokraten ihre Wunden lecken, frohlockt die SP. Die Sozialdemokraten haben mit Thierry Apothéloz einen zweiten Sitz im Regierungsrat gewonnen.
Weil der zweite CVP-Sitz nun an die SP geht, verlieren die Bürgerlichen die Mehrheit in der Genfer Kantonsregierung (Conseil d’État). Die Linke und die Bürgerlichen sind jetzt gleich stark. Das Zünglein an der Waage ist jetzt Mauro Poggia, der Vertreter der rechtpopulistischen Protestpartei „Mouvement des Citoyens Genevois“ (MCG).
Die Ironie will es, dass dieses Zünglein an der Waage ein Sufist ist. Er ist verheiratet mit einer Nordafrikanerin, die in der Schweiz aufgewachsen ist. Ihr zuliebe war er vom Christentum zum Sufismus, einer islamischen Glaubensrichtung, übergetreten. Allerdings ist er ein sehr gemässigter Anhänger dieses Glaubens. Dass er jetzt im zweiten Wahlgang das beste Ergebnis erzielte, deutet darauf hin, dass sein Glaubensbekenntnis keinerlei Problem darstellt.
Ungeliebter CVP-Mann
Der Regierungsrat besteht aus sieben Mitgliedern. Es setzt sich künftig so zusammen: 2 Freisinnige, 1 CVP-Vertreter, zwei Sozialdemokraten, 1 Grüner und ein Vertreter der MCG. Zwei der sieben Gewählten sind Frauen: die Sozialdemokratin Anne Emery-Torracinta und die Freisinnige Nathalie Fontanet, die den zurückgetretenen Freisinnigen François Longchamp ersetzt und jetzt ein starkes Ergebnis erzielte.
Die Freisinnigen und die CVP hatten in den letzten Tagen mit einem grossen Propagandaaufwand noch versucht, Luc Barthassat doch noch in die Regierung zu zwängen. Doch es war ein offenes Geheimnis, dass der einstige Bauer und Winzer selbst in bäuerlichen Kreisen unbeliebt war. Man warf ihm vor, sich nicht genug für die Landwirtschaft eingesetzt zu haben. Andere kritisierten ihn wegen fehlender Visionen, einem arroganten Auftreten und dem fragwürdigen Umgang mit Krisen.
Im ersten Wahlgang am 15. April hatte einzig der letztjährige freisinnige Bundesratskandidat Pierre Maudet das absolute Mehr erreicht. Für die restlichen sechs Sitze kämpften nun elf Kandidaten.
Das Interesse an den Wahlen schien gering. Die Wahlbeteiligung betrug schon im ersten Wahlgang vor drei Wochen bescheidene 38,77 Prozent. Jetzt wählten noch weniger Genferinnen und Genfer ihre Regierungsvertreter. Die Wahlbeteiligung ging im zweiten Wahlgang auf 33,13 Prozent zurück.
„Fest im Sattel auf dem lahmen Gaul“
Genfer CVP-Vertreter versuchen, die Niederlage kleinzureden. Sie argumentieren, es handle sich nicht um einen Schwächeanfall der gesamten Partei. Es habe sich um eine klare Personenwahl gehandelt – und da habe Barhassat, aber nicht die Partei, verloren.
Die CVP weist zudem darauf hin, dass sie bei den Genfer Kantonsparlamentswahlen vor drei Wochen sogar minim zugelegt hat. Ein CVP-Vertreter verweist auch auf Artikel in der bürgerlichen Deutschschweizer Presse, wonach es die CVP unbedingt brauche und Parteipräsident Gerhard Pfister „fest im Sattel“ sitze.
Das veranlasst einen Genfer Grünen zur zynischen Bemerkung: „Was nützt es, fest im Sattel eines Gauls zu sitzen, wenn der Gaul lahmt?“.
Stimmen haben erhalten
Mauro Poggia, MCG, bisher: 48’806
Serge Dal Busco, CVP, bisher: 47’896
Antonio Hodgers, Grüne, bisher: 46’732
Nathalie Fontanet, FDP, neu: 43’485
Anne Emery-Torracinta, SP, bisher: 42’252
Thierry Apothéloz, SP neu: 42’071
Luca Barthassat, CVP (nicht gewählt): 32’701
Jocelyne Haller, Ensemble à Gauche (nicht gewählt) 25’171
Yves Nidegger, SVP (nicht gewählt) 23’001
Pierre Maudet, FDP, bisher, war als einziger schon im ersten Wahlgang mit 50’180 Stimmen gewählt worden.
Siehe auch:
Die CVP zittert
Debakel für die Rechtspopulisten