Der „unmöglichste Job der Welt“ und „mehr Sekretär als General“ wird das Amt des Generalsekretärs der Vereinten Nationen seit siebzig Jahren genannt. Diese Bonmots machen jetzt wieder die Runde. Am 1. Januar wird der Südkoreaner Ban Ki Moon die Geschäfte seinem Nachfolger Antonio Guterres übergeben. Man kann dem 67-jährigen Portugiesen nur viel Glück wünschen, denn die Hürden, die auf ihn warten, sind schier unüberwindbar.
Als ob die Weltlage nicht schon genug kompliziert wäre, muss sich Guterres die nächsten vier Jahre mit dem unberechenbaren US-Präsidenten Donald Trump herumschlagen. Trump hat bereits angekündigt, dass er bei der Uno „einiges verändern“ werde. Was er damit konkret meinte, liess er offen. Seinen früheren Äusserungen ist zu entnehmen, dass er den Vormachtanspruch der USA brutal durchzusetzen gedenkt.
Machtloses Forum der Mitgliedstaaten
Die Uno zählt derzeit 193 Mitglieder. Sie ist keine supranationale Organisation, sondern ein Forum von im Prinzip gleichberechtigten Staaten. Den Einsatz von Friedenstruppen oder die Verhängung von Sanktionen kann nur der aus 15 Staaten bestehende Sicherheitsrat beschliessen. Dort haben die fünf offiziellen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs – die USA, Russland als Rechtsnachfolger der Sowjetunion, Frankreich, Grossbritannien und China – ein permanentes Vetorecht.
Der Uno-Generalsekretär kann nur sein moralisches Gewicht in die Waagschale werfen. Ban Ki Moon wurde oft Leisetreterei vorgeworfen. Wird Guterres Klartext reden? Während seiner zehnjährigen Amtszeit als Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge legte er sich öfters mit massgeblichen Staaten wie Deutschland an, denen er vorwarf, durch die Vernachlässigung des Flüchtlingsproblems eine Katastrophe herbeizuführen. Er hatte Recht, wie die einschneidenden Kürzungen der Finanzhilfe für die Syrienflüchtlinge in Jordanien, im Libanon und in der Türkei zeigten. Sie lösten die Massenflucht nach Europa aus.
Der Sozialdemokrat und praktizierende Katholik Guterres, der sein Heimatland 1995 bis 2001 als Premierminister regierte, ist der Inbegriff portugiesischer Tugenden wie Bescheidenheit und Zurückhaltung. Den Kampf gegen die Armut begreift er als weltweite Mission. Als Leiter des Flüchtlings-Hochkommissariats der Uno (UNHCR) führte er interne Reformen durch, die nicht allen Mitarbeitern gefielen. So reduzierte er das Personal und lagerte gewisse Tätigkeiten aus dem teuren Genf in Billigländer aus. Seine Bilanz überzeugte indessen die Vetomächte des Weltsicherheitsrats, die sich rasch auf seine Wahl zum nächsten Chef der Uno einigten. Die Generalversammlung bestätigte die Empfehlung mit Akklamation.
Ein Berg von Problemen
Guterres tritt also sein neues Amt mit einem Vertrauensvorschuss an. Der Berg von Problemen, vor dem er steht, könnte aber den Mutigsten verzweifeln lassen. Zuerst muss er den Uno-Apparat mit seinen 44‘000 Angestellten ins Lot bringen. Derzeit fehlt das Geld, um allen Pensionären ihre Renten auszuzahlen. Das sind aber nur Peanuts im Vergleich zu den internationalen Herausforderungen.
Im Syrienkrieg werden die Hilfswerke der Uno mangels einer klaren Haltung des Sicherheitsrats daran gehindert, der Zivilbevölkerung den nötigen humanitären Beistand zu leisten. Von einer politischen Lösung ist man weiter denn je entfernt. Die Genfer Syrienkonferenz unter der Ägide der Uno liegt auf dem Eis. Die USA, Russland, die Türkei, Iran und die arabischen Golfstaaten kochen jeder sein eigenes Süppchen. Es verstärkt sich der Trend, dass die Grossmächte und ihre Klientenstaaten die Uno als natürlichen Friedensstifter ausmanövrieren.
Auch das Erstarken chauvinistischer Kräfte in Europa setzt der Weltorganisation zu. Die Nationalkonservativen bekämpfen alles, was ihren Horizont übersteigt: die EU, den Euro, das Schengen-Abkommen und auch die Uno. Es ist zu befürchten, dass unter ihrem Druck die Regierungen freiwillige Beiträge für Uno-Projekte streichen.
Das betrifft insbesondere die Entsendung internationaler Friedenstruppen. Derzeit sind rund um die Welt 119‘000 Blauhelme in 16 Missionen im Einsatz. Sie kosten dieses Haushaltsjahr 7,9 Milliarden Dollar. Die USA übernehmen nach einem vereinbarten Beitragsschlüssel 29 Prozent davon. Es läge durchaus im Sinne von Trumps Ankündigungen, diese Zahlungen zu kürzen. Auch das Pariser Klimaschutzabkommen, zu dessen Gelingen die Uno tatkräftig beigetragen hat, will Trump kündigen.
Trumps destruktive Signale
Der israelisch-arabische Dauerkonflikt spitzt sich erneut zu. Die Hardliner in Israel erwarten die volle Unterstützung Washingtons. Trump hat bereits Vorleistungen geliefert, indem er versprach, die US-Botschaft von Tel Aviv in „Israels ewige Hauptstadt“ Jerusalem zu verlegen. Ausserdem designierte er seinen Rechtsanwalt in Sachen Bankrott, David Friedman, zum künftigen Botschafter in Israel. Friedman ist orthodoxer Jude und eifriger Kämpfer für ein Gross-Israel.
Derzeit haben alle Uno-Mitglieder wegen des völkerrechtlich ungeklärten Status von Jerusalem ihre Botschaften in Tel Aviv angesiedelt. Ein Ausscheren der USA würde zu einem Aufschrei der islamischen Welt und unnötigem Streit in der Staatengemeinschaft führen.
Eines braucht Guterres kaum zu befürchten: dass Trump das Uno-Hauptquartier aus New York vertreibt. Der Baulöwe macht mit den tausenden internationalen Beamten, den Botschaften und ihrem Tross sowie den Gipfelkonferenzen satte Gewinne. Einst drehte er sogar dem libyschen Diktator Muammar Gaddafi eine noble Immobilie an.