In Jemen ist ein neuer Versuch im Gange, einen Waffenstillstand zu erreichen. Offiziell hat am 10. April eine Waffenruhe um Mitternacht begonnen. Ob sie halten wird, ist ungewiss. Wenn sie hält, sollen in Kuwait am 18. April Friedensverhandlungen beginnen. Die dortigen Verhandlungen unter Uno-Initiative sollen sich auf fünf Punkte konzentrieren: Abzug der Militärs und der Milizen aus den von ihnen besetzten Gebieten; Übergabe der schweren Waffen an die Regierungsarmee; Provisorische Massnahmen für Gewährleistung der Sicherheit; Wiederaufbau der staatlichen Institutionen; Wiederaufnahme eines politischen Dialogs, der alle Seiten berücksichtigt.
Resolution des Sicherheitsrats im Zentrum
Diese Punkte entsprechen der Resolution 2216 des Sicherheitsrats über Jemen, deren Durchsetzung Präsident Abdrabbo Mansur al-Hadi zur Voraussetzung für ein Ende des Krieges erklärt. Die Huthis haben die Sicherheitsratserklärung angeblich angenommen, doch sie wollen darüber verhandeln, wie sie durchgeführt werden soll.
Wenn die Resolution sofort und uneingeschränkt erfüllt würde, hätten die Huthis den Krieg verloren. Da sie nach wie vor Sanaa und die meisten bewohnten Teile des Landes halten, ist es unwahrscheinlich, dass sie bereit sein könnten, die Resolution vorbehaltlos zu erfüllen, wie dies al-Hadi offenbar vorschwebt.
Die vorgesehenen Verhandlungen in Kuwait werden also jedenfalls schwierig werden – falls sie wirklich zustande kommen.
Kämpfe vor und nach dem Stillstandstermin
Vor dem Beginn des Waffenstillstandes war es an allen Fronten in Jemen zu heftigen Kämpfen gekommen. Offenbar versuchten beide Seiten ihre Positionen vor dem Beginn des Waffenstillstands noch zu verbessern.
Doch auch nach dem Mitternachtstermin kam es zu Anklagen von beiden Seiten, die Gegenseite habe den Waffenstillstand gebrochen. Deshalb seien neue Gefechte an der Front von Taez, an jener von Nahm, die etwa 40 Kilometer östlich von Sanaa verläuft, in Marib, in Sarwa und anderen Orts ausgebrochen. Die Huthis behaupteten sogar, die saudische Koalition habe nach Beginn des Waffenstillstands weitere Luftangriffe durchgeführt.
Riad und die Uno-Instanzen erklärten, diese Brüche des Waffenstillstands seien geringfügig. Im ganzen halte die Waffenruhe. Ob und wie lange dies zutrifft, bleibt abzuwarten. Im vergangenen Dezember war ein Waffenstillstand zusammengebrochen.
Hadi ernennt neue Regierungsspitzen
Kurz vor dem Waffenstillstand hat Präsident al-Hadi seinen Vizepräsidenten und Ministerpräsidenten, Khaled al Bahah plötzlich abgesetzt. Er erklärte einsilbig, al-Bahah sei erfolglos gewesen. Auf den Posten eines Vizepräsidenten berief al-Hadi den General Mohsen al-Ahmar, auf jenen des Ministerpräsidenten Ahmed bin Dagher.
Die Hintergründe dieses Manövers des Präsidenten sind unklar. Mohsen al-Ahmar ist ein jemenitischer General, der dem früheren Präsidenten, Ali Abdullah Saleh, ursprünglich nahe gestanden war. Er hatte als Panzerkommandant die ersten Kriege gegen die Huthis von 2004 an geführt. Doch später hatte ihm der Präsident das Kommando im Krieg gegen die Huthis entzogen, um es seinem Sohn Ahmed zu übergeben.
Als 2011 die Massendemonstrationen gegen den Präsidenten ausbrachen, ergriff Mohsen al-Ahmar Partei für die Demonstranten und setzte seine Armee-Einheiten und Stammeskämpfer dafür ein, dass diese in Sanaa Schutz vor der Präsidialgarde und vor den Sicherheitskräften des Präsidenten erlangten. Seither kann er als ein erklärter Feind des Ex-Präsidenten gelten.
Als 2014 die Huthis sich mit dem früheren Präsidenten versöhnten und mit seiner Hilfe Sanaa einnahmen, musste al-Ahmar aus der Hauptstadt fliehen. Sein dortiges Hauptquartier und sein Familiensitz wurden geplündert. Al-Ahmar besitzt grossen Einfluss bei den Stämmen des jemenitischen Nordens. Dies dürfte der wichtigste Grund sein, weshalb al-Hadi ihn im vergangenen Jahr zum Stellvertretenden Oberkommandanten der jemenitischen Armee ernannte. Das heisst, jener Teile der Armee, die zu al-Hadi und seiner von Saudi Arabien unterstützten Regierung halten, nicht jener Truppen, die mit dem Ex-Präsidenten und den Huthis gemeinsame Sache machen.
Feind, Anhänger und wieder Gegner des Ex-Präsidenten
Der neue Ministerpräsident Ahmed Bin Dagher ist ein Südjemenite. Einst gehörte er der dortigen Jemenitischen Sozialistischen Partei an. Nach dem kurzen Bürgerkrieg zwischen Norden und Süden von 1994, der mit der Niederlage des Südens und dem Anschluss von Aden endete, musste er ins Ausland fliehen. Später kehrte er zurück, versöhnte sich mit Präsident Ali Saleh Abdullah und wurde zum Generalsekretär seiner Partei, des Jemenitischen Volkskongresses. Nach dem Sturz des Präsidenten von 2012 verliess er dessen Partei und schloss sich dem neuen Regime an, das unter al-Hadi gebildet wurde. Vom Standpunkt des Ex-Präsidenten wurde er dadurch zum Verräter an seiner Sache, ähnlich wie General Mohsen al-Ahmar.
Abgesägter «Mann des Friedens»
Al-Bahah wurde zum Vizepräsidenten ernannt (Ministerpräsident war er schon zuvor), nachdem al-Hadi nach Saudi Arabien geflohen war und dort die Unterstützung Riads erhielt. Damals galt der neu ernannte Vizepräsident als eine Figur, die – mehr als al-Hadi – beide Parteien zusammenzubringen vermöchte, wenn es einmal zu Friedensverhandlungen käme. Er wurde als «Mann des künftigen Friedens» gehandelt. Dass der damals beginnende Bombenkrieg über ein Jahr lang dauern würde, ohne ein Ende zu finden, erwarteten die wenigsten.
Die Entlassung Bahahs durch al-Hadi hat nun dazu geführt, dass die neuen Regierungsspitzen, die ihn ersetzen, beide scharfe Gegner des Ex-Präsidenten sind. Beide sind Politiker, die Ali Abdullah Saleh einst dienten, ihn dann aber verliessen und zu seinen Widersachern überwechselten. Das heisst sie sind – im Gegensatz zu Bahah – keine Personen, die im Falle von Kompromissen beiden Seiten genehm sein könnten.
Geringer Versöhnungswille
Aus diesen Gründen ist anzunehmen, dass al-Hadi beabsichtigt, seine Position als Präsident Jemens zu behaupten und nicht daran denkt, möglicherweise im Interesse des Landes zurückzutreten, um einer Führungsfigur zu weichen, die in der Lage sein könnte, die beiden heute kämpfenden Fronten zusammenzubringen.
Al-Hadi selbst gilt in Jemen nicht als beliebt. Der Umstand, dass er seine politische Position letztlich den Bombern der Saudis und ihrer Koalition verdankt, lässt ihn als den Verantwortlichen erscheinen, der seinem Land die zerstörerische Bombenkampagne bescherte, unter der jeder Jemenite zu leiden hat. Indem er Bahah absetzte, hat der Präsident eine Person von der Macht entfernt, die im Falle eines Versöhnungsversuches bessere Chancen hätte als er selbst, das Land wieder aufzubauen. Vielleicht sah er ihn als einen künftigen Konkurrenten – doch ein solcher könnte ihm auch der neue Vizepräsident, Mohsen al-Ahmar, werden.