Allzu grosse Erwartungen hatte Benjamin Netanjahu offenbar nicht, als er sich in Begleitung seiner Frau auf den Weg nach New York zur Generaldebatte der UN-Vollversammlung machte. Der israelische Ministerpräsident wusste schon vor seiner Ankunft, dass auch in New York amerikanische ebenso wie israelische Demonstranten auf ihn warten würden – mit dem Slogan «crime minister».
Und aus dem Kreis der internationalen Politik waren keine Terminwünsche für Treffen mit ihm bekannt. Auch nicht aus dem Weissen Haus, wo Präsident Biden seit seinem Amtsantritt eher in kritischer Distanz zu Netanjahu geblieben ist. Unter anderem wegen dessen engen Beziehungen zu Ex-Präsident Trump, aber auch wegen der radikalen Ausrichtung der rechtsextremen Koalitionsregierung Netanjahus.
Treffen mit Elon Musk
Vermutlich lag hierin ein Grund dafür, dass die Netanjahus vor Beginn der Uno-Vollversammlung noch einen Abstecher nach Kalifornien machten, um sich dort mit Multimilliardär Elon Musk zu treffen – ein Umgang nach Netanjahus Geschmack, wie der seit Jahren andauernde Korruptionsprozess gegen ihn mehr als deutlich gemacht hat.
Mit Beginn der Generaldebatte aber zeigte sich, dass der Nahe Osten doch auch weiterhin ein wichtiges Thema ist und dass sich in der Region einige wichtige Entwicklungen abzeichnen, wenn auch die meisten von ihnen offenbar vorläufig noch nicht zu Ende gedacht, geschweige denn geplant sind. Im Mittelpunkt stehen Saudi-Arabien, Israel und die USA, der Iran und natürlich die Palästinenser: Die Saudis hatten den Anfang gemacht, als sie nach Vermittlung durch Peking damit begannen, ihren Konflikt mit Iran beizulegen.
Nach der Erneuerung der gegenseitigen Beziehungen meldete sich der israelische Premier: Israel wolle auch offizielle Beziehungen zu Saudi-Arabien. Mindestens so wie die arabischen Staaten, mit denen man zur Zeit von US-Präsident Trump sogenannte «Abraham-Abkommen» geschlossen hatte. In Riad und Washington sah – und sieht – man darin eine Chance für eine endgültige und dauerhafte Regelung in der Region. US-Präsident Biden erkennt darin eine Möglichkeit, die amerikanischen Interessen in Nahost zu fördern, und Saudi-Arabien kündigte eine Konferenz zu diesem Thema sowie zur Frage «Lösung des Palästina-Problems» an. Riad strebt damit offenbar die Rückkehr in seine einstige Führungsrolle in der Nahost-Politik an. Es hatte unter anderem wiederholt Vorschläge in der Arabischen Liga vorgetragen, diese scheiterten aber am Widerstand Israels und auch der meisten arabischen Staaten.
Sinnlose Vorschläge
Die spontane Reaktion Netanjahus war positiv: Er sei sehr interessiert an einer Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien. Es dauerte aber nicht lange und die Pläne wurden revidiert: Riad hatte offenbar verstanden, dass das Palästinenserproblem nicht «unter ferner liefen» steht, sondern im Zusammenhang mit einer solchen regionalen Regelung auch gelöst werden muss, und zwar auf dem Weg über die international anerkannte und empfohlene «Zweistaatenlösung».
Eben dies aber lehnt Netanjahus Israel ab: Der Premier hatte schon bei Unterzeichnung des Oslo-Abkommens öffentlich verkündet, er werde alles tun, um diesen Vertrag zu annullieren, mit einer Rechts-Koalition wie seiner jetzigen Regierung gibt es keinen Ausweg für ihn. Selbst wenn er einen solchen suchen sollte: Sein Vorschlag, Israel und Saudi-Arabien durch eine Schnellbahn zu verbinden ist ebenso sinnlos wie die Einrichtung eines regulären Flugverkehrs zwischen beiden Ländern.
Und nun dies: Riad hat ein altes Projekt ausgegraben, das in der Vergangenheit wiederholt von den USA und Israel abgelehnt wurde: Riad möchte von den USA Uran-Anreicherungsanlagen übernehmen. Und Washington greift diese Idee unter der Bedingung auf, dass die Anreicherung nicht dem Bau von Atomwaffen diesen dürfe und dass die USA die Kontrolle über solch eine Anlage ausüben sollten. Von saudiarabischer Seite kommt die Gegenforderung, dass all dies nur nach Umsetzung des Zweistaaten-Plans möglich sei. Um die Regierung Netanjahus nicht noch mehr zu verärgern, zirkulieren immer wieder Erklärungen, eine Annäherung zwischen Saudis und Israelis komme näher, rational betrachtet wäre solches aber nur vorstellbar, wenn es in Jerusalem einen Regierungswechsel gebe. Der aber zeichnet sich bisher nicht ab.