Der Strassentunnel am Gotthard muss – wie alle Bauten – einmal saniert werden. Und in diesem Satz steht auch schon alles, was in Bezug auf die Abstimmung vom 28. Februar klar ist. Das scheint mir ein bisschen gar wenig für ein 4-Milliarden-Geschäft.
Die drei Hauptgründe, aus denen ich die zusätzliche Gotthardröhre ablehne:
Sie gefährdet die Verfassung: Vor 21 Jahren hat das Schweizer Volk – übrigens ebenfalls im Februar – die Alpen-Initiative angenommen. Die Umsetzungsgesetze dazu haben die Forderungen der Initiative sehr zurückhaltend definiert und insbesondere wesentlich längere Fristen zur Reduktion der Lastwagenlawine gesetzt. Trotzdem sind wir noch weit entfernt davon, dem Verfassungsauftrag nachzuleben. Laut Güterverlagerungsgesetz dürften nach Eröffnung des Gotthard-Basistunnels der Neat jährlich noch 650000 Lastwagen die Alpen durchqueren. 2014 waren es alleine am Gotthard über 800000. Ein grosser Teil davon aus dem Ausland. In den letzten sechs Jahren haben insbesondere die Fahrten von polnischen (verdoppelt) und rumänischen (verfünffacht) Lastwagen massiv zugenommen. Im nächsten Dezember nimmt im Gotthard-Basistunnel der Bahnverkehr seinen fahrplanmässigen Betrieb auf. Mit fünf Güterzügen pro Richtung und Stunde entsteht hier die Kapazität, die Verfassung endlich umzusetzen. Wollen wir stattdessen tatsächlich einen verfassungswidrigen Zustand durch zusätzliche Attraktivitätssteigerung weiter fördern? Und wer glaubt eigentlich tatsächlich, dass nach dem Bau einer weiteren Röhre jeweils eine Spur pro Richtung gesperrt bleibt?
Sie ist unvorsichtig vorbereitet. Die Geschichte dieser Vorlage ist gezeichnet von widersprüchlichen Aussagen aus dem zuständigen Bundesamt für Strassen (Astra). Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, alle aufzuzählen. Darum nur der massivste Fall, der durchaus das Potential gehabt hätte, die Abstimmung im Parlament zu drehen. Es geht um die Dringlichkeit und die Dauer der Deckensanierung im bestehenden Tunnel. Während der parlamentarischen Debatte wurde der Bundesrat nicht müde, von einer 140 Tage dauernden Totalsperrung des Gotthardtunnels zu sprechen, weil man vor der Fertigstellung einer zweiten Röhre die bestehende «notsanieren» müsse. Nach der Behandlung im Parlament und nach Ansetzen des Abstimmungstermins tauchte dann ein Bericht aus dem Astra auf, der das genaue Gegenteil belegt. Bis ins Jahr 2035 ist demnach keine Vollsperrung nötig. Welche Arbeiten danach konkret gemacht werden müssen, ist allerdings weiterhin unklar. Auch dazu kursieren die verschiedensten Szenarien. Das Astra spielt bei der ganzen Gotthard-Debatte generell keine ruhmreiche Rolle. Da sind zu viele widersprüchliche Berichte erstellt worden. Das lässt natürlich Zweifel an der Seriosität der Vorbereitung des Geschäftes aufkommen. Und vor allem daran, wie ernsthaft die Alternativen zur jetzigen Vorlage tatsächlich geprüft worden sind. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Sanierung des Gotthardstrassentunnels kein «normales» Infrastrukturprojekt ist. Sondern der Strassenbaulobby dazu dienen soll, die vom Volk haushoch abgelehnten Ausbau der Gotthard-Autobahn («Avanti-Initiative») über die Hintertür zu ertricksen.
Sie ist viel zu teuer. Unabhängig von den übrigen Widersprüchen und Zweifelhaftigkeiten ist das Projekt auch viel zu teuer. Die Österrreicher haben ihren mit dem Gotthard sehr gut vergleichbaren Arlberg-Tunnel für 170 Millionen Franken saniert. Für die bestehende Gotthard-Röhre rechnet das Astra mit 750 Millionen und das bei einer wesentlich längeren Vollsperrung von 980 Tagen. Dem sage ich Luxusvariante. Oder hat das Astra das reine Sanierungsprojekt nur deshalb überladen, um eine weitere Röhre «logisch» erscheinen zu lassen? Mir als Zürcher Volksvertreterin ist ein zusätzlicher Aspekt ganz wichtig: Jeder Franken, der am Gotthard unnötig ausgegeben wird, fehlt für wirklich dringende und zentrale Projekte in den Städten und Agglomerationen.
Ein Geschäft, das aus verfassungsrechtlichen Gründen vorsichtig ausgedrückt zumindest heikel ist, uns absehbar Druckversuchen von aussen aussetzt und enorm viel Geld kostet (das für andere, dringendere Projekte, insbesondere in den Städten und Agglomerationen, fehlt), muss seriös vorbereitet sein. Das ist die Gotthard-Vorlage nicht.
Mit einem Nein am 28. Februar erhalten Verwaltung und Parlament die Chance, die Wirkung der NEAT auf die Güterverlagerung abzuwarten und eine bessere, günstigere und verfassungskonforme Vorlage zur Sanierung des Gotthardtunnels auszuarbeiten. Zeit genug haben wir, wie der Astra-Bericht zeigt.