Die Erklärungen der politischen und militärischen Verantwortlichen in allen drei Staaten, die an den jüngsten Raketenschlägen gegen Syrien beteiligt waren, haben es sehr klar gemacht: Ihre Aktion geht nicht auf „Regime Change“ in Syrien aus, sondern hat vielmehr als Reaktion auf den Giftgaseinsatz Syriens zu gelten.
Allerdings ist nach wie vor von einem „vermutlichen“ Giftgasangriff zu sprechen. Höchstwahrscheinlich war er Realität. Der dreifache Raketenschlag wäre dann als Warnung zu verstehen, dass Syrien weitere Schläge zu befürchten hätte, falls es zu neuen Giftgasangriffen käme. Dies war auch der Inhalt der Warnungen, die den Angriff von Freitagnacht oder Samstag früh morgens begleiteten.
Asad hat den Krieg gewonnen
Die Ghouta befindet sich nun in der Hand der Asad-Regierung. Dort werden jedenfalls keine Gasangriffe mehr erfolgen. Ein Endkampf um Idlib steht noch bevor, und dort könnten weitere Gasangriffe für das Asad-Regime von einigem militärischen Nutzen sein. In erster Linie, um den Kampf rascher zu Ende zu bringen und die knappen Truppenbestände zu schonen. Wie dies wohl auch der Grund für den Angriff auf Douma war.
Doch kriegsentscheidend wird dies nicht sein. Mit oder ohne Giftgas wird Idlib schlussendlich fallen. Eigentlich sind sich alle Beobachter einig: Asad hat den Krieg – militärisch – gewonnen. Natürlich mit und dank der Hilfe Russlands und Irans.
Strategie des Verzichts
Präsident Trump hat in seiner Rede, in der er die Gründe der amerikanischen Kriegshandlung darlegte, einmal mehr deutlich gemacht, dass er nicht gedenke, seine Soldaten in Syrien zu belassen oder gar zu verstärken. Er hat erklärt, seine Politik sei, Syrien und den ganzen Nahen Osten – „a troubled place“ – sich selbst zu überlassen.
Die Einheimischen sollten selbst zusehen, wie sie ihre Probleme lösten, und Saudi-Arabien könne dabei eine Rolle spielen, so sagte er. Dies kann man als die Andeutung einer Syrien-Strategie nehmen; bisher hatte man annehmen müssen, Trump habe keine. Es wäre eine Strategie des Verzichts: sich draussen halten und höchstens aus der Ferne diplomatisch mitreden.
Der jüngste Raketenschlag und angedrohte weitere, falls es nochmals zu Giftgasangriffen kommen sollte, würden dann nicht der Syrienpolitik dienen, sondern vielmehr der Aufrechterhaltung des Giftgasverbotes, das international und völkerrechtlich verankert ist. Für den Syrienkrieg wird der gemäss amerikanischer Erklärung vorerst einmalige Schlag kaum Konsequenzen nach sich ziehen.
Russland unter Zugzwang
Was die Aktion der drei Westmächte erreichen wird, dürfte eine Verhärtung der russisch-amerikanischen Spannungen in und um Syrien sein. Die russische Popaganda behauptet, ein syrischer Gasangriff habe nicht stattgefunden. Er sei bloss „fingiert worden“, um Amerika und den beiden europäischen Mächten einen Vorwand zu liefern, um „illegal“ dreinzuschlagen. Staaten pflegen ihre eigene Propaganda zu glauben, oder falls nicht, doch notgedrungen so zu reden und zu handeln, als glaubten sie sie.
Die russische Propaganda sagte auch, von den 103 amerikanischen Fernlenkraketen habe die syrische Abwehr 71 abgeschossen. Auch wenn das bloss Propaganda sein sollte, weist es doch eine mögliche Richtung, in die sich die russische Reaktion – ohne grosses Risiko – bewegen könnte: weitere Verstärkung der syrischen Luftabwehr mit Hilfe russischer Abwehrsysteme. Möglich ist auch eine engere Integration des bestehenden russischen und des syrischen Abwehrnetzes über Syrien, vielleicht sogar verstärkte Zusammenarbeit der beiden Luftwaffen.
Iran im Windschatten Moskaus
Je enger die Zusammenarbeit zwischen Russland und Syrien wird, desto besser ist es für Iran. Dass Israel sehr entschlossen ist, gegen den iranischen Einfluss und die iranische Militärpräsenz in Syrien vorzugehen, ist deutlich. Wenn Russland die syrische Luftabwehr verstärkt und enger mit ihr zusammenarbeitet, wird es gefährlicher für Israel, im syrischen Luftraum zu agieren. In vergangenen Jahren konnte Israel dies praktisch ungehindert tun, und es nutzte seine Luftüberlegenheit regelmässig, um Iran daran zu hindern, dem libanesischen Hizbullah via Syrien allzu potente Waffen zu liefern. Ein verstärktes Damaskus bedeutet auch besseren Schutz und geringeres Risiko für die Pläne Irans in Syrien.
Wenn der amerikanische Schlag das Endspiel, das sich um den Kriegsabschluss in Syrien dreht, nicht wirklich verändert, wirkt er sich möglicherweise doch dahin aus, dass die Konfrontation Israels mit Iran in Syrien gefährlicher wird, als sie es bisher gewesen ist.