Zum Landschaftsbild entlang von Highways in den USA gehören seit eh und je Billboards, Stellwände für Reklameplakate, wie sie etwa der famose Chronist Walker Evans einst fotografisch verewigte. Am Beginn von „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ erblickt man ebensolche Tafeln, verwittert, verlottert. Seit dem Bau einer Umfahrungsstrasse tendiert der Verkehr gegen null und kein Geschäftsmann mit Grips investiert hier noch in Werbung. Ausser Liebespaaren und herumstreunenden Hunden kommt kaum jemand vorbei.
An einem Ostersonntag fährt Police-Officer Dixon (ganz brillant: Sam Rockwell) Patrouille. Er ist ein gottverdammter Rassist und Schläger, wohnt aber noch bei seiner schrulligen Mama, die ihn wie ein trotziges Kind massregelt. Unterwegs traut Dixon seinen Augen nicht: Die Billboards sind sauber mit roten Plakaten beklebt und schwarz beschriftet. Auf dem ersten ist zu lesen: „RAPED WHILE DYING“. Auf dem zweiten: „AND STILL NO ARRESTS“. Auf dem dritten: „HOW COME, CHIEF WILLOUGHBY?“.
Zeichen an der Wand
Dass damit kein Kino-Knaller angepriesen wird, ist Dixon klar. Chief Willoughby (Woody Harrelson) ist nämlich sein Boss und der Beamte ahnt, was passieren wird, wenn er die Botschaft im Polizeirevier verkündet: Kriegszustand. Vom smarten Geschäftsführer der örtlichen Werbeagentur erfährt Dixon, dass eine Frau happige 5000 Dollar für einen Monat Standort-Miete hingeblättert hat: Mildred Hayes, um die fünfzig, stolz, freiheitsliebend. Sie ist wild entschlossen, von den Gesetzeshütern endlich das einzufordern, was ihr als Bürgerin zusteht: Gerechtigkeit.
Chief Willoughby weiss, was es geschlagen hat: Die Zeichen an der Wand beziehen sich auf das Verbrechen, bei dem Mildreds Teenagertochter vor Monaten vergewaltigt und umgebracht worden ist. Die Ermittlungen in Sachen Täterschaft verlaufen harzig. Obwohl in der Gegend von Ebbing manch einer Dreck am Stecken hat, wurden beispielsweise noch keine DNA-Tests angeordnet.
Irrwitzig, abstrus, pechschwarz
Das versetzt die couragierte, trauernde Mutter so in Rage, dass sie sogar ihr Sohn nicht besänftigen kann, der zum Zuwarten, zur Mässigung rät. Also nimmt Mildred die Sache lieber selber in die Hand. Sie marschiert im Polizeiposten ein, stellt Willoughby zur Rede, derweil draussen bereits Journalisten und TV-Kamerateams in Stellung gehen. Jetzt ist man mittendrin in Martin McDonaghs irrwitzigem, abstrusen, von pechschwarzem, zynischem Witz strotzenden Drama „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“.
Der irische Theater- und Filmregisseur begeisterte 2008 mit seinem betörenden Filmdebüt „In Bruges“ Kritik und Publikum, erhielt eine Oscar-Nomination für das beste Drehbuch und sein Darsteller Colin Farrell einen Golden Globe. Im dritten Werk als Regisseur und Skriptschreiber präsentiert McDonagh nun eine gnadenlos konsequente, politisch unkorrekte, im Kern aber grossherzige Anti-Heldin. Und er hat dafür die bestmögliche Interpretin gefunden: Frances McDormand, unvergessen als hochschwangere Polizistin im grandiosen Thriller „Fargo“ (1996), der von ihrem Ehemann Ethan Coen und dessen Bruder Joel kreiert wurde und ihr einen Oscar einbrachte.
Rache-Engel mit angebrochenen Flügeln
In „Three Billboards“ spielt McDormand einen Rache-Engel im Overall mit angebrochenen, aber ungestutzten Flügeln. Sie zeigt von Tumbheit, Homophobie und Bigotterie verätzten, korrupten, hirnrissigen Mannsbildern, wo der Hammer hängt. Mildred wäscht dem schleimenden Orts-Pfarrer die Kappe. Und liest dem abgängigen Ehemann (ein spindeldürrer, prügelnder Ex-Cop, der jetzt mit einer gerade mal 19-jährigen Tusse rumturtelt) ebenso fadengerade die Leviten wie anderen, die sie von ihrem militanten Feldzug abbringen wollen.
Der Mildred-Part ist Frau McDormand auf den Leib geschrieben und der Chief-Willoughby-Charakter passt zu Woody Harrelson wie ein massgeschneidertes Uniform-Hemd. Und so duelliert sich hier ein Duo voll auf Augenhöhe und sichtlich befeuert von Spiellust. Wobei aus Mildreds verzweifelt artikulierter Wut über den Tod ihrer Tochter und aus Willoughbys vulkanartig aufbrechender Offenlegung eines gravierenden privaten Problems etwas Neues aufkeimt, das dem Plot unerwartet eine aufwühlend emotionale Richtungsänderung verleiht.
Gegen das destruktive Rückwärtsgewandte
Mehr dazu im Kino, in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“. Das ist kein Film für ein zartbesaitetes Publikum, aber so intelligent und skurril, um plausibel auf rüpelhafte Dummheit, das destruktive Rückwärtsgewandte und die fatale politische Unberechenbarkeit zu verweisen, die einem – in der Aussenwahrnehmung – mit Blick auf die egomanische US-Gegenwarts-Wirklichkeit zunehmend beunruhigt. Deshalb sollte man sich auf Martin McDonaghs Film einzulassen. Und auch, weil er aus dem Bunker des Alltagswahnsinns heraus die Tür zur Erlösung vom Bösen, zur Vernunft, zur Versöhnung aufstösst. Immerhin einen Spalt weit.
Kinostart: 25.1.2018