Ahmadinejad im weissen Mantel eines Atomforschers wickelte einen länglichen vierkantigen Metallgegenstand aus seiner Verpackung, tätschelte ihn mit Kennerblick und liess ihn an einem Seilzug in das Bassin des Versuchsreaktors im Norden Teherans gleiten.
Was das iranische Staatsfernsehen als den ersten in eigener Regie hergestellten Kernbrennstab präsentierte, löste unter internationalen Fachleuten nur Schulterzucken aus. „Das ist weder furchtbar neu noch furchtbar eindruckvoll“, reagierte die Sprecherin des US-Aussenministeriums, Victoria Nulan, auf die angebliche Überraschung: „Die Sache scheint ziemlich aufgeblasen.“ Spezialisten befürchten, dass der Brennstab Marke Eigenbau, falls er überhaupt funktioniert, nicht den üblichen Sicherheitsnormen entspricht.
Inszenierung statt Durchbruch?
Das am Fernsehen gezeigte Video sieht tatsächlich mehr nach Inszenierung als einem technologischen Durchbruch aus. Einige der anwesenden Iraner trugen Stoffmasken vor dem Mund; die übrigen – darunter der Staatschef – waren völlig ungeschützt. Man muss sich vergegenwärtigen, dass der Brennstab nach den Angaben der Iraner angereichertes Uran enthält, das zu 20 Prozent aus dem spaltbaren und hoch radioaktiven Isotop U-235 besteht. Dieses Material soll in dem 1967 von den USA gebauten Versuchsreaktor in Teheran durch den Beschuss mit Neutronen zu einer kontrollierten Kernspaltung gebracht werden. Die Iraner stellen in der Anlage unter anderem Elemente zur Bestrahlung von Krebsgeschwüren her.
Was Ahmadinejad mit seinem Auftritt beweisen wollte: Der Iran kontrolliert nunmehr den gesamten Kreislauf des Spaltmaterials vom Natururan bis zum Kernbrennstab. Für den Bau einer Atombombe wäre eine Anreicherung auf mindestens 90 Prozent U-235 notwendig, was aber nur eine Frage der Zeit und der politischen Entscheidung ist.
Die Herstellung von Reaktorbrennstäben ist technisch schwierig. Es herrschen daher weiterhin Zweifel, ob die iranischen Wissenschaftler wirklich dieses Know-how besitzen. Die gebräuchlichste Methode ist die Umwandlung des gasförmigen Uran-235-Hexafluorids, das in Zentrifugen vom schwereren U-238 getrennt wird, in Uran-Dioxid. Dieses Pulver wird in Metallbehälter eingeschweisst.
Keine Neuigkeit
Um seinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen, wonach der Iran auch unter stärkstem internationalem Druck keinen Millimeter von seinem Nuklearprogramm abrücken werde, gab Ahmadinejad auch die Inbetriebnahme von 3000 Gaszentrifugen des neuen Typs IR-4 bekannt. In der von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) überwachten Isotopentrennanlage Natanz stünden nunmehr 9000 Hochgeschwindigkeits-Schleudern. Damit könne die Produktion von auf 20 Prozent angereichertem Uran verdreifacht werden, sagte der iranische Präsident.
Für die Fachwelt stellt diese Verlautbarung keine Neuigkeit dar. In ihrem letzten Bericht über das iranische Nuklearprogramm vom November bezifferte die IAEO die Zahl der Zentrifugen auf rund 8000, von denen damals 6208 liefen. 164 IR-4 waren in der „Pilotanlage“ von Natanz zu einer Kaskade von 164 Maschinen zusammengeschlossen.
Was steckt hinter den unnötigen Muskelspielen Ahmadinejads? Beobachter meinen, dass damit vor allem der Nationalstolz und Durchhaltewillen der eigenen Bevölkerung gestärkt werden soll. Es handle sich um ein „Ablenkungsmanöver“, denn die Iraner murren über den Niedergang ihres Lebensstandards, zu dem die von der UNO, den USA und der EU verhängten Wirtschaftssanktionen beitragen.
Durchsichtiges Spiel auf Zeitgewinn
Aussenpolitisch versucht die Regierung in Teheran die Initiative zu behalten und schlägt jetzt weitere Verhandlungen mit der 5+1-Gruppe (die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats und Deutschland) vor. Das letzte Treffen im Januar 2011 in Istanbul war eine Katastrophe. Die Sechsergruppe will einer Wiederaufnahme der Verhandlungen nur zustimmen, wenn die Iraner ihr durchsichtiges Spiel auf Zeitgewinn einstellen. Aufschluss über die Ernsthaftigkeit Teherans soll eine hochrangige Delegation der IAEO liefern, die Ende Februar zum zweiten Mal in diesem Jahr in die iranische Hauptstadt reist.
Wenn es der iranischen Führung nur um das Recht auf die friedliche Nutzung des Atoms geht, das ihr von niemandem abgesprochen wird, so müssen sie die vermutete militärische Dimension ihres Nuklearprogramms ausräumen.