Eine Standardforderung an die Adresse muslimischer Exponenten lautet, sie sollten sich deutlich von ihren extremistischen Glaubensbrüdern distanzieren. Das unterstellt, es fehle an unzweideutigen öffentlichen Erklärungen dieser Art. Für Muslime in der Schweiz stimmt das zwar nachweislich nicht. Religiöse Autoritäten in islamischen Ländern hingegen lassen sich in dieser Sache oft mit gewundenen und relativierenden Erklärungen vernehmen. Ganz anders reden zurzeit Flüchtlinge aus Malis Norden. Sie berichten von einem brutalen Regime, das die islamistischen Rebellen dort errichten. Die Geflohenen, zumeist Muslime, protestieren vehement gegen die fehlgeleitete Religiosität ihrer Peiniger. Laut Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 24. Januar hat das Oberhaupt der malischen Muslime, Imam Mahmoud Dicko, den ägyptischen Präsidenten Mursi scharf attackiert, nachdem dieser Kritik an der französischen Intervention geäussert hatte. Dicko verwahrte sich auch gegen die Forderung der Organisation Islamischer Staaten nach einem Waffenstillstand in Mali. Sie wäre vor ein paar Wochen beim Angriff der Islamisten auf Malis Norden am Platz gewesen, gab der Imam zurück. Dicko prangert zudem Missstände an Malis Koranschulen an. Ausser den Koran auswendig herzusagen, werde dort nichts gelernt. Die Schüler hätten keine Lebensperspektive und liessen sich daher leicht zum extremistischen Islamismus verführen. Dass Dicko als konservativer Wahabit in dieser Weise Klartext redet, macht seine Haltung glaubwürdig. (Urs Meier)